Das Jahr 2013 war politisch und gesellschaftlich
wahrlich kein gutes für Österreich. Die Wirtschaft stagnierte, die Inflation
stieg, die Arbeitslosigkeit erreichte Rekordwerte und mehr als jeder dritte
Österreicher hat weniger Geld zur Verfügung als noch vor einem Jahr. Trotz all
dieser negativen Entwicklungen wurden zum Drüberstreuen im September bei der
Nationalratswahl die Hauptverantwortlichen dieser Misere, SPÖ und ÖVP,
wiedergewählt, wenn auch nur knapp.
Ende des Jahres
bestätigte auch das
österreichische Wirtschaftsforschungsinstitut die prekäre Lage der Wirtschaft,
vor allem mit dem Fokus auf die Kaufkraft: „Angesichts der enttäuschenden
Einkommensentwicklung und der erhöhten Arbeitsplatzunsicherheit waren die
privaten Haushalte 2013 in ihren Konsumausgaben sehr zurückhaltend.[…]
Insgesamt schrumpfte der reale Konsum.“ Die Inflation fraß demnach die ohnehin
verschwindend geringe Erhöhung der Nettolohnsumme von 2,3 Prozent auf.
2013
entwickelte sich das BIP mit real + 0,3 Prozent am schwächsten seit der
Krise 2008/09. Das geringe Wachstum spüren die Haushalte deutlich. Die Zahl der
Arbeitslosen stieg um über 30.000, die Arbeitslosenquote erhöhte sich um fast 1
Prozentpunkt.
Die
Nettolohnsumme stieg 2013 um 2,3 Prozent, die Inflation von 2 Prozent senkte
die Kaufkraft der Einkommen allerdings beträchtlich, so das österreichische
Wirtschaftsforschungsinstitut:
„Angesichts
der enttäuschenden Einkommensentwicklung und der erhöhten Arbeitsplatzunsicherheit waren die privaten Haushalte 2013 in ihren
Konsumausgaben sehr zurückhaltend … Insgesamt schrumpfte der reale Konsum.“
Auch die
Unternehmen durchliefen 2013 eine schwierige Phase: Die durch das BIP gemessene
gesamtwirtschaftliche Produktion stieg 2013 real um nur 0,3%. Das drückte die
Investitionen, sie verringerten sich gegenüber dem Vorjahr um real 1,4 Prozent.
Die
Österreicher spüren die Folgen des geringen Wachstums bereits. Nach eigenen
Angaben hat knapp ein Drittel der Österreicher derzeit weniger Geld zur
Verfügung als noch vor einem Jahr. Die Kaufkraft sinkt mit zunehmendem Alter.
Mehr als ein Drittel aller über 50-Jährigen hat weniger Geld zur Verfügung als
im Vorjahr. Nur 15 Prozent schätzen ihr verfügbares Geld höher
ein als 2012, so eine Studie der
Generali.
Die größten Verlierer
sind die Banken. 18 Prozent der Österreicher geben an, nächstes Jahr weniger
Geld ansparen zu können beziehungsweise zu wollen. 2012 sagte das nur jeder
Zehnte.
Das größte
Einsparungspotenzial sehen die unter 30-Jährigen beim Alkohol mit 24
Prozent.
2014 wird
für Österreich schwierig. Es wird das Jahr mit der höchsten jemals gemessen Arbeitslosigkeit.
Die schwache Konjunktur, das Arbeitskräfteplus durch die Öffnung des
Arbeitsmarktes nach Osten und Firmenpleiten setzten den Arbeitsmarkt unter
Druck (mehr hier).
Dass mittlerweile knapp jeder dritte
Österreicher weniger Geld zur Verfügung hat, betrifft besonders
Über-50-Jährige. Lediglich 15 Prozent schätzen ihr verfügbares Geld höher ein
als 2012, so etwa eine Studie der Generali Versicherung. Auch die Investitionen
im Standort Österreich gingen deutlich zurück, real um 1,4 Prozent. Durch die
annähernde Stagnation des Bruttoinlandsprodukts setzten Konzerne verstärkt auf
Sparmaßnahmen wie Arbeitsplatzabbau und Auslagerungen der Produktion.
Im angelaufenen Jahr
2014 wollen die Österreicher vor allem weniger Sparen. Angesichts der gegen
Null gehenden Zinsen und des Vertrauensverlustes gegenüber den Banken ist diese
Entwicklung keine Überraschung. Auch beim womöglich teurer werdenden Alkohol
wollen sich viele dieses Jahr zurückhalten. Und auch die wirtschaftliche
Situation dürfte sich im Jahr 2014 weiter verschlechtern. Die Konjunktur
schwächelt weiter vor sich hin, die
Zwangsabgabe von 10 Prozent der Sparguthaben zur Rettung der Banken wird immer
konkreter, das Handelsabkommen der EU mit den USA (TTIP) wird die Märkte mit
Genmais und Co. fluten und als I-Tüpfelchen kam nun auch die weitere
Arbeitsmarktöffnung gen Osten, die die Arbeitsmarktsituation in Österreich
dramatisch verschärfen wird.
Das Jahr
2013 hat drei
wichtige Erkenntnisse gebracht, wie
die Schuldenkrise in Europa gelöst werden wird.
Die
sogenannten „Bail-Ins“, also die Beteiligung der Bankkunden an der Rettung ihrer
Bank, ist als EU-Richtlinie verabschiedet worden und seit dem Sommer geltendes Recht in Europa.
Damit ist der „Fall Zypern“ auch formal zur „Blaupause“ für Banken-Rettungen
geworden: Die Anleger werden rasiert, wenn ihre Bank am Abgrund steht. Zwar
sollen formal Einlagen unter 100.000 Euro sicher sein. Doch wie dieses
Versprechen eingelöst werden soll, kann und will niemand garantieren (mehr hier).
Mit dem
Vorschlag des IWF,
eine 10 prozentige Zwangsabgabe als „Schulden-Steuer“ auf alle europäischen
Vermögen zu erheben, ist die Saat
gelegt, dass Staaten, wenn ihre Banken in existentielle Bedrängnis geraten, zur
Enteignung schreiten können, um den großen Crash – nämlich den
Domino-Zusammenbruch eines unkontrollierten und undurchschaubaren Finanzsystems
– zu verhindern (mehr hier).
Die dritte
Erkenntnis ist, dass der ESM als Banken-Rettungs-Vehikel herangezogen werden kann: Steuergelder, die von den Staaten in diesen von
niemandem kontrollierten, supranationalen Hedge-Fonds eingezahlt wurden, werden
zur Rettung von Banken herangezogen. Das haben die EU-Führer im Sommer
beschlossen. Die Rettung der spanischen Banken war der erste Schritt, alle
weiteren Rettungen werden dem Gewöhnungs-Effekt unterliegen (mehr hier).
Die Ausmaße
der globalen Schulden-Krise übersteigen jedes Vorstellungsvermögen. Jede
„Lösung“ des Problems führt zu schweren Verwerfungen im System. Die Lösung über
einen „Staatsbankrott“ – eigentlich die ehrlichste Variante, wird von
der Politik nicht in Betracht gezogen.
Der
deutsch-spanische Ökonom Philipp Bagus schreibt in einem aufschlussreichen
Beitrag für das Ludwig-Mises-Institut,
dass ein Staatsbankrott zu „Verlusten bei Banken und Versicherungen“ führen
würde, „die die Ersparnisse ihrer Kunden in Staatsanleihen investiert haben“.
Dann könnten die Verluste bei Anleihen- und Investmentfonds einen „Kollaps des
Bankensystems auslösen“. Bagus: „Eine Pleite-Spirale überschuldeter
Marktteilnehmer würde ein finanzielles Armageddon auslösen.
Deshalb hat die Politik bisher alles getan, dieses Szenario zu vermeiden.“
Indiz dafür,
dass es keinen Staatsbankrott geben wird, ist die auffällige Untätigkeit der EU
in dieser Sache: Hatten noch zu Beginn der Griechenland-Krise alle Beteiligten
lautstark gefordert, dass die EU verbindliche Regelungen für eine geordnete
Staats-Pleite brauche, haben
sich die Gremien im Jahr 2013 trotz reger Gipfel-Tätigkeit nicht ein einziges
Mal mit diesem Thema befasst.
Bagus glaubt
nicht, dass die Zentralbanken und die Politik es wagen werden, die Krise durch Inflation und Hyperinflation zu lösen – obwohl die Inflation „die der Politik
liebste Option sei“. Doch die Gefahr, dass das System damit außer Kontrolle
gerät, ist groß. Daher werden alle Beteiligten diese Variante nur als „ultima
ratio“ einsetzen.
Auch ein
anderer Weg wird von der Politik nur mit großem Widerwillen beschritten werden:
Die Staaten könnten sich weigern, „die staatlichen Renten, Sozialleistungen und
Arbeitslosenunterstützung massiv kürzen,
um ihre Defizite auszugleichen oder Schulden zurückzuzahlen“. Das macht keine
Regierung gerne. In Deutschland regiert eine große Koalition. Sie steht für den
Sozialstaat in seinem „status quo“. Rentner und Empfänger von Sozialleistungen
werden erst massiv bestraft werden, wenn es gar nicht mehr anders geht. Diese
beiden Gruppen sind jene, auf die alle Parteien bei den Wahlen schielen – weil
sie zahlenmäßig die größten Gruppen sind. Jede Regierung kann von den Rentnern
abgewählt werden. Streicht man die Sozialleistungen, hat man den Bürgerkrieg.
Vermutlich
werden, wie Daniel Stelter ausgeführt hat, beide Gruppen früher oder später
dennoch zur Kasse gebeten werden
– ganz einfach, weil die Schuldenlast zu groß ist (mehr dazu hier).
Doch diesen
Zeitpunkt wird die Große Koalition so weit als möglich hinausschieben. Beim Runden Tisch
der NZZ mutmaßen die Banker bereits, dass Deutschland „das neue
Frankreich“ werden wird: Ein
Staat der Zentralisierung mit einem starken Fokus auf die Beglückung der Bürger
durch Transferzahlungen.
Radikale
Kürzungen bei staatlichen Versprechungen werden 2014 noch nicht schlagend
werden: Die herrschenden Parteien in Europa fürchten, dass sie bei der EU-Wahl im Frühjahr 2014 eine
starke euroskeptische Bewegung
zu bekämpfen haben. Daher werden sie nichts unternehmen, was den Bürgern das
Gefühl geben könnte, dass das Füllhorn leer ist.
Was jedoch
schon bald in Angriff genommen werden kann, ist die Enteignung der „Steuerzahler,
Sparer und Geldhalter“, wie Bagus
schreibt. Sie werden „zwecks Reduzierung der Überschuldung und zur
Stabilisierung der Währung ausgebeutet werden“.
Dies wird
durch eine „Kombination mehrerer Szenarien“ erfolgen. Sie werden „die
entstandenen Verluste aufdecken und die Wohlstandsillusion beenden“.
Bagus sieht
folgende Optionen:
Finanzielle Repression
„Finanzielle
Repression ist eine Möglichkeit, die Ersparnisse der Menschen immer mehr in
Richtung Staat zu kanalisieren und so die Tilgung der Schulden zu ermöglichen.
Finanzielle Repression, das ist auf der einen Seite der Erlass von Gesetzen,
die bestimmte
Investments unattraktiv machen,
aber auch von Regulierungen, um den Kauf von Staatsanleihen zu induzieren.“
Steuerpolitische Maßnahmen
„Die Idee
dabei ist es, die Eliminierung von Staatsschulden und eine Rekapitalisierung
von Banken mittels Besteuerung zu erreichen. Wird die Überschuldung reduziert,
verschwindet für die Notenbank auch die Notwendigkeit, die Zinsen auf einem
Niedrigniveau zu belassen und dazu immerfort neues Geld zu drucken. Durch den
Überschuldungsabbau kann die Währung so wieder auf eine gesündere Basis
gestellt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, könnte die Regierung Vermögen in
massivem Ausmaß enteignen, um die Staatsschulden zurückzuzahlen. Die Regierung
muss lediglich die Steuern erhöhen oder eine einmalige Vermögensabgabe durchführen. Die Einnahmen daraus verwendet sie dann für die
Rückführung der Staatsschulden und zur Rekapitalisierung der Banken. In der Tat
hat der IWF kürzlich eine einmalige Zwangsabgabe in Höhe von 10 % zur
Reduzierung der hohen Staatsverschuldung in Europa empfohlen.“
Wie
realistisch diese Variante ist, zeigt die Prognose der dänischen Saxo-Bank: Sie
erwartet die Zwangsabgabe für 2014 und sieht bereits die Rückkehr der Eigentumsbegriffs der UdSSR (mehr hier).
Echte Währungsreform
Diese
Variante gab es in Deutschland nach dem Krieg. Sie wurde gewählt, um die
„Vermögensvernichtung, die während des Krieges entstanden war“, glattzustellen.
Bagus
erklärt, was damals vor sich ging:
„Die Bürger
konnten 60 Reichsmark im Verhältnis 1:1 in DM tauschen. Alle Guthaben über 60 Reichsmark
wurden einfach durch zehn dividiert und in DM getauscht. Alle Schulden wurden ebenfalls gezehntelt. Darüber
hinaus wurde der Ausfall von Staatsschulden erklärt, mit Ausnahme der
Staatsanleihen, die von Banken gehalten wurden. Sie erhielten
Ausgleichsforderungen. Außerdem gab es eine einmalige Vermögensabgabe in Höhe
von 50 %! Diese Maßnahmen brachten zusammen genommen folgendes Ergebnis: Die
Überschuldung wurde abgebaut, der Staat praktisch entschuldet, die Banken
rekapitalisiert (indem ihre Verbindlichkeiten gezehntelt wurden, nicht aber
deren gesamte Vermögensanlagen (Staatsanleihen)), und die Sparer weitestgehend
enteignet.“
Bail-In als teilweise Währungsreform
„In Zypern
wurden Bankgläubiger (Sparer) zu Bankaktionären. Die Bankverbindlichkeiten
wurden so reduziert und das Eigenkapital erhöht. Die Geldmenge ging zurück. Ein
bail-in rekapitalisiert das Bankensystem und lässt gleichzeitig schlechte
Schulden verschwinden. Das Eigenkapital kann sogar so stark ansteigen, dass ein
teilweiser Ausfall von Staatsschulden nicht die Stabilität des Finanzsystems
bedrohen würde. Bei einem Bail-in würden beispielsweise die Bürger, die in
Lebensversicherungen investiert sind und die wiederum in Bankverbindlichkeiten
und Staatsschulden angelegt haben, von den Verlusten getroffen. Im Ergebnis
würde die Überschuldung
von Banken und Staaten abgebaut, auf Kosten der Sparer und Geldbesitzer.“
Wenn man
diese Optionen mit den bereits getroffenen Weichenstellungen auf EU-Ebene
vergleicht, fällt es nicht schwer, einen Masterplan
zu erkennen. Die Finanz-Eliten, die in Europa den Kurs bestimmen – IWF, EZB und
EU, in Griechenland, Portugal und Irland unter den Begriff „Troika“ bekannt – werden, wie Bagus meint, den
Super-Crash verhindern – nämlich das Ende des Monopols der
Papiergeld-Schöpfung.
Die Europäer
sollten sich für 2014 auf einen giftigen Cocktail aus Zwangs-Abgaben (Bail-In),
Vermögenssteuer (IWF) und Enteignung der Steuerzahler (ESM) einstellen.
Die Probleme
werden damit natürlich nicht grundsätzlich gelöst sein.
Doch die
Retter des Systems werden versuchen, Zeit zu gewinnen. Sie wollen an der Macht
bleiben. Es ist kein Zufall, dass die erste Innovation der Großen Koalition
allen Ernstes in dem Plan besteht, die Legislatur-Periode auf fünf Jahre zu strecken (hier).
Mehr Panik geht nicht.
In der EU
reden die politisch Verantwortlichen hinter vermeintlich verschlossenen Türen
bereits vom „Untergang“ (mehr hier).
„Kick the can down the road“, sagen die
Angelsachsen.
Man muss für
2014 kein Hellseher sein.
Les jeux sont faits, sagt der Croupier.
Wer hat uns verraten? - Proteste gegen die Regierungsangelobung
Gegen die Auflösung eines eigenen Wissenschaftsressorts durch die neue Regierung entsteht breiter Widerstand. Die Regierungsangelobung der Koalition aus SPÖ und ÖVP in der Wiener Hofburg wurde von einem gellenden Pfeifkonzert begleitet. Anschließend wurde die freie Wissenschaft von Aktivist_innen vor dem Wissenschaftsministerium symbolisch begraben. Weitere Proteste sind geplant.
„Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten! Wer war mit dabei? Die Volkspartei!“ und „Heinzi! Tuas ned!“ - das waren heute die zwei beliebtesten Slogans der Demonstrant_innen am Ballhausplatz. Seit dem schwarz-blauen Experiment gab es keinen so großen Widerstand gegen die Angelobung einer neuen Regierung. Die Hofburg selbst war vorsorglich weitläufig abgeriegelt worden. Die lautstarken Proteste dürften in den Gehörgängen der Politiker_innen zwar angekommen sein, das Ziel der Kundgebung wurde jedoch – wenig überraschend – nicht erreicht: begleitet von einer Blasmusikkapelle wurde die neue Regierung von Bundespräsident Heinz Fischer angelobt.
Anschließend rief die ÖH zu einer Begräbniszeremonie auf. Vor dem (ehemaligen?) Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung wurde die freie Wissenschaft in einem Sarg symbolisch zu Grabe getragen. Neben Grabkerzen und Blumenschmuck konnten sich die Trauergäste in ein überdimensionales Kondolenzbuch eintragen. Auch einige Personen, die zu diesem Zeitpunkt gerade das Wissenschaftsministerium verließen, hinterließen der freien Wissenschaft spontan eine letzte Widmung.
Ein universitärer Schulterschluss?
Ein Ende der Proteste ist damit freilich noch lange nicht zu erwarten. Bemerkenswert ist vielmehr die ungewohnte Einigkeit zwischen der Österreichischen Hochschülerschaft und den Rektor_innen. Zahlreiche Universitäten erklärten den 17. Dezember zum vorlesungsfreien Tag, um den Studierenden die Teilnahme an den geplanten Großdemonstrationen zu ermöglichen, die Universitätenkonferenz beschloss, als Zeichen des Protests für den Verlust des eigenständigen Wissenschaftsministeriums die Unis schwarz zu beflaggen. Der ehemalige Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle beklagte in einem Interview den brutalen Umgang der Politik mit der Wissenschaft, auch Christoph Badelt, der Rektor der Wirtschaftsuniversität, sparte nicht mit Kritik. Selbst die VP-nahe AktionsGemeinschaft (AG) forderte in einem offenen Brief an Wirtschafts- und Neo-Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner von der ÖVP die Wiedereinrichtung eines eigenen Wissenschaftsressorts. Auch außerhalb von Universitäten und Politik formiert sich breiter Widerstand: die Facebook-Gruppe „Österreich braucht ein Wissenschaftsministerium“ erreichte innerhalb weniger Tage über 50.000 „Gefällt mir“-Angaben – eine Zahl von der die Koalitionspartner nur träumen können.
Wissenschaftsministerium: gegründet 1970 von Bruno Kreisky, aufgelöst 2013 von Werner Faymann
Es ist schwer zu sagen, ob hinter der Auflösung des Wissenschaftsministeriums ein größerer Plan steht oder ob die Umstrukturierung hauptsächlich aus den für die große Koalition typischen Machtkämpfen um unzählige Partikularinteressen verschiedener Landesgruppen und Lobbys entstanden ist. Tatsache ist jedoch, dass neben der verheerenden Symbolik auch eine reale Gefahr von dieser Fusion ausgeht. Bereits in den letzten Jahren war eine Unterordnung der Universitäten und der Wissenschaft unter Wirtschaftsinteressen klar erkennbar: sei es durch eine Verschulung der Universitäten, dem finanziellen Aushungern von Sozial- und Geisteswissenschaften, das bis zur Auflösung des systemkritischen Bachelor-Lehrgangs „Internationale Entwicklung“ reicht, oder der Benennung der neuen WU-Räumlichkeiten nach ihren Sponsoren („Red Bull Auditorium“, „Siemens-Auditorium“ etc.). Oder, wie es die ehemalige Studierendenvertreterin und Neoabgeordnete (Die Grünen) Sigrid Maurer auf ihrem Blog ausdrückt: „Die Aufgabe der Hochschulen und der Wissenschaft liegt aber nicht in der Sicherstellung ökonomischen Wachstums. [...] Es ist aber sehr wohl Aufgabe eines dem Anspruch nach demokratischen Staates, die Rahmenbedingungen für kritische Wissenschaft zu gewährleisten.“
Das Thema ist mitnichten ein Neues. Schon die im Jahr 2009 entstandene „Uni brennt!“-Bewegung kritisierte unter dem Motto „Bildung statt Ausbildung“ die Ökonomisierung der Universitäten. Die beherrschenden Themen waren der Bologna-Prozess, Studiengebühren und der freie Hochschulzugang. Auf die Solidarität der Rektor_innen konnte die Bewegung damals nicht zählen. Bereits im Jänner 2010 waren alle besetzten Räumlichkeiten – auch auf Anweisung der Rektor_innen – von der Polizei geräumt.
Diesmal steht der Protest auf breiteren Beinen. Es bleibt abzuwarten, ob die Regierung den Protest, der zu einem beträchtlichen Teil auch aus den eigenen Reihen kommt, ernst nimmt oder wieder auf die altbewährte Taktik des „Aussitzens“ setzt.
Dieter Diskovic (geb. 1979) studiert Kultur- und Sozialanthropologie an der Universität Wien und engagiert sich bei der Screaming Birds Aktionsgruppe.
Wer hat uns verraten? - Proteste gegen die Regierungsangelobung
Gegen die Auflösung eines eigenen Wissenschaftsressorts durch die neue Regierung entsteht breiter Widerstand. Die Regierungsangelobung der Koalition aus SPÖ und ÖVP in der Wiener Hofburg wurde von einem gellenden Pfeifkonzert begleitet. Anschließend wurde die freie Wissenschaft von Aktivist_innen vor dem Wissenschaftsministerium symbolisch begraben. Weitere Proteste sind geplant.
„Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten! Wer war mit dabei? Die Volkspartei!“ und „Heinzi! Tuas ned!“ - das waren heute die zwei beliebtesten Slogans der Demonstrant_innen am Ballhausplatz. Seit dem schwarz-blauen Experiment gab es keinen so großen Widerstand gegen die Angelobung einer neuen Regierung. Die Hofburg selbst war vorsorglich weitläufig abgeriegelt worden. Die lautstarken Proteste dürften in den Gehörgängen der Politiker_innen zwar angekommen sein, das Ziel der Kundgebung wurde jedoch – wenig überraschend – nicht erreicht: begleitet von einer Blasmusikkapelle wurde die neue Regierung von Bundespräsident Heinz Fischer angelobt.
Anschließend rief die ÖH zu einer Begräbniszeremonie auf. Vor dem (ehemaligen?) Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung wurde die freie Wissenschaft in einem Sarg symbolisch zu Grabe getragen. Neben Grabkerzen und Blumenschmuck konnten sich die Trauergäste in ein überdimensionales Kondolenzbuch eintragen. Auch einige Personen, die zu diesem Zeitpunkt gerade das Wissenschaftsministerium verließen, hinterließen der freien Wissenschaft spontan eine letzte Widmung.
Ein universitärer Schulterschluss?
Ein Ende der Proteste ist damit freilich noch lange nicht zu erwarten. Bemerkenswert ist vielmehr die ungewohnte Einigkeit zwischen der Österreichischen Hochschülerschaft und den Rektor_innen. Zahlreiche Universitäten erklärten den 17. Dezember zum vorlesungsfreien Tag, um den Studierenden die Teilnahme an den geplanten Großdemonstrationen zu ermöglichen, die Universitätenkonferenz beschloss, als Zeichen des Protests für den Verlust des eigenständigen Wissenschaftsministeriums die Unis schwarz zu beflaggen. Der ehemalige Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle beklagte in einem Interview den brutalen Umgang der Politik mit der Wissenschaft, auch Christoph Badelt, der Rektor der Wirtschaftsuniversität, sparte nicht mit Kritik. Selbst die VP-nahe AktionsGemeinschaft (AG) forderte in einem offenen Brief an Wirtschafts- und Neo-Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner von der ÖVP die Wiedereinrichtung eines eigenen Wissenschaftsressorts. Auch außerhalb von Universitäten und Politik formiert sich breiter Widerstand: die Facebook-Gruppe „Österreich braucht ein Wissenschaftsministerium“ erreichte innerhalb weniger Tage über 50.000 „Gefällt mir“-Angaben – eine Zahl von der die Koalitionspartner nur träumen können.
Wissenschaftsministerium: gegründet 1970 von Bruno Kreisky, aufgelöst 2013 von Werner Faymann
Es ist schwer zu sagen, ob hinter der Auflösung des Wissenschaftsministeriums ein größerer Plan steht oder ob die Umstrukturierung hauptsächlich aus den für die große Koalition typischen Machtkämpfen um unzählige Partikularinteressen verschiedener Landesgruppen und Lobbys entstanden ist. Tatsache ist jedoch, dass neben der verheerenden Symbolik auch eine reale Gefahr von dieser Fusion ausgeht. Bereits in den letzten Jahren war eine Unterordnung der Universitäten und der Wissenschaft unter Wirtschaftsinteressen klar erkennbar: sei es durch eine Verschulung der Universitäten, dem finanziellen Aushungern von Sozial- und Geisteswissenschaften, das bis zur Auflösung des systemkritischen Bachelor-Lehrgangs „Internationale Entwicklung“ reicht, oder der Benennung der neuen WU-Räumlichkeiten nach ihren Sponsoren („Red Bull Auditorium“, „Siemens-Auditorium“ etc.). Oder, wie es die ehemalige Studierendenvertreterin und Neoabgeordnete (Die Grünen) Sigrid Maurer auf ihrem Blog ausdrückt: „Die Aufgabe der Hochschulen und der Wissenschaft liegt aber nicht in der Sicherstellung ökonomischen Wachstums. [...] Es ist aber sehr wohl Aufgabe eines dem Anspruch nach demokratischen Staates, die Rahmenbedingungen für kritische Wissenschaft zu gewährleisten.“
Das Thema ist mitnichten ein Neues. Schon die im Jahr 2009 entstandene „Uni brennt!“-Bewegung kritisierte unter dem Motto „Bildung statt Ausbildung“ die Ökonomisierung der Universitäten. Die beherrschenden Themen waren der Bologna-Prozess, Studiengebühren und der freie Hochschulzugang. Auf die Solidarität der Rektor_innen konnte die Bewegung damals nicht zählen. Bereits im Jänner 2010 waren alle besetzten Räumlichkeiten – auch auf Anweisung der Rektor_innen – von der Polizei geräumt.
Diesmal steht der Protest auf breiteren Beinen. Es bleibt abzuwarten, ob die Regierung den Protest, der zu einem beträchtlichen Teil auch aus den eigenen Reihen kommt, ernst nimmt oder wieder auf die altbewährte Taktik des „Aussitzens“ setzt.
Dieter Diskovic (geb. 1979) studiert Kultur- und Sozialanthropologie an der Universität Wien und engagiert sich bei der Screaming Birds Aktionsgruppe.
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