Dienstag, 10. Februar 2015

Österreich ist Europas Haftungsmeister

Österreich hat EU-weit die höchsten Haftungen – Länder rechnen ihr Risiko klein oder gänzlich weg

Wien – Die Kärntner Landeshaftungen für die Verbindlichkeiten der einstigen Hypo Alpe Adria sind wohl das bekannteste Beispiel dafür, welche Sprengkraft derartige Instrumente haben können. Allzu lehrreich scheint der Fall aber nicht gewesen zu sein: Laut einem von Eurostat publizierten Vergleich präsentiert sich Österreich nämlich als jenes Land, das gemessen an der Wirtschaftsleistung auf den größten öffentlichen Haftungen sitzt.
Mit einem Anteil von 35 Prozent am Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2013 rangiert Österreich noch vor Irland, das einst wegen der Haftungen für riesige Bank-Abbaueinheiten deutlich in Front lag. Mit dem Abreifen und der Verwertung der Vermögenswerte ist die grüne Insel nun hinter die Alpenrepublik zurückgefallen, danach kommt mit 24,1 Prozent und Respektabstand Finnland. Auch andere mit Österreich vergleichbare Länder wie die Niederlande oder Schweden leisten sich weniger als ein Drittel des heimischen Haftungsvolumens. Deutschland, das wie Österreich traditionell über umfassende Garantien für Banken verfügte, kommt auf etwas mehr als die Hälfte des heimischen Obligos.
Rückläufiger Trend
Immerhin gibt es einen stark rückläufigen Trend: 2010 – inmitten der Finanzkrise – haftete die Republik noch mit 157 Mrd. Euro, 2013 113 Mrd. Euro. Allerdings zeigt ein Blick in die Daten der Statistik Austria, dass die Reduktion auf die Halbierung der automatisch ablaufenden Bankenhaftungen zurückzuführen ist, während Garantien außerhalb des Finanzsektors nahezu stagnieren. Hier sorgten vor allem die Länder für einen Zuwachs von gut acht auf mehr als zwölf Milliarden Euro.
Was den Fiskalrat stört, ist die mangelnde Transparenz der potenziellen Brandherde. Um auf die einzelnen Engagements der Länder und Gemeinden zu stoßen, müssen die einzelnen Rechnungsabschlüsse durchforstet werden. Und selbst dann wird der Durchblick erschwert, gibt es doch unterschiedliche Kriterien für den Ausweis von Haftungen. Bereits geltende Haftungsobergrenzen haben bescheidene Wirkung, können doch diverse Garantien wegen geringen Risikogehalts klein- oder gänzlich aus der Bilanz gerechnet werden. Da auch die Fremdwährungsschulden nicht zum aktuellen Kurs berechnet werden, bemängelt der Fiskalrat in einer Aussendung das fehlende Gesamtbild über die tatsächlichen finanziellen Risiken der Republik.
Kühne Konstruktionen
Eines von vielen Beispielen: Die Gemeinde Wien schöpft nur zwölf Prozent der ihr gestatteten Haftungen aus. Das aber nur deshalb, weil das Fangnetz für Verbindlichkeiten der Bank Austria als risikolos eingestuft und somit nicht gewertet wird. Würden diese Bankhaftungen berücksichtigt, käme die Hauptstadt auf fast das Dreifache des erlaubten Werts. Auch sonst finden sich kühne Konstruktionen: Für den Verein Wiener Symphoniker haftet die Stadt beispielsweise mit satten 63,9 Millionen Euro. Ohne den Schutz der Gemeinde wäre das Eigenkapital des Vereins wegen üppiger Pensionsrückstellungen entsprechend negativ.

Auch Niederösterreich kennt die Tricks: Für verkaufte Wohnbaudarlehen haftet das Land mit 4,3 Mrd. Euro – für die Haftungsobergrenze werden aber nur zehn Prozent berücksichtigt. Besonders praktisch an der Konstruktion: Für die Haftungsgewährung werden auch noch Prämien im Budget vereinnahmt. Geradezu strenge Maßstäbe setzt man bei der NÖ Hypo. Von den Haftungen von 5,3 Mrd. Euro werden immerhin 30 Prozent als solche gewertet. (as, DER STANDARD, 11.2.2015)

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