Wien baut in den nächsten Jahren zehn
neue Campusschulen. Weil die Stadt keine neuen Schulden machen darf, weicht sie
auf PPP-Verfahren aus. Doch das mache die Bauten um bis zu 30 Prozent teurer
als nötig.
(Die Presse)
Es ist Wiens größte Schulbauoffensive. In den nächsten zehn Jahren
entstehen in der Bundeshauptstadt zehn neue Campusschulen. Kindergarten,
Volksschule, manchmal auch die Neue Mittelschule werden dort an einem Standort
zusammenrücken. Von früh bis spät werden Kinder gemeinsam lernen, essen, ihre
Freizeit verbringen.
„Die Stadt setzt mit dem Wiener Campusmodell neue Standards im
Bildungsbereich, die einzigartig in Österreich sind“, bewarb Bildungsstadtrat
Christian Oxonitsch das Modell vor Jahren. Die neue Form des Lernens lässt sich
die Stadt Wien viel kosten. Knapp 700 Mio. Euro sind für die neuen Campus
veranschlagt, die in den schnell wachsenden Bezirken gebaut werden sollen.
Unter ihnen der Campus Nordbahnhof in Wien Leopoldstadt, der Campus Eurogate in
Wien Landstraße und die beiden Campus Berresgasse und Attemsgasse (siehe Modell
rechts) in der Donaustadt.
Doch mittlerweile formiert sich Widerstand
gegen den Campusbau in Wien. Und die Kritik kommt nicht von Umweltschützern
oder Bürgerinitiativen, die um die freien Flächen neben ihren Wohnungen
fürchten, sondern von jenen, die eigentlich von neuen Bauprojekten profitieren
sollten: den Architekten. Bemängelt werden auch nicht die Projekte selbst,
sondern die Form der Finanzierung. „20 bis 30 Prozent teurer“ als nötig seien
die Campusbauten, sagt Peter Bauer, Präsident der Architektenkammer für Wien,
Niederösterreich und Burgenland, zur „Presse“. Umgerechnet auf die geplanten
Projekte macht das 140 bis 210 Millionen Euro aus. Geld, das der Steuerzahler
zahlen wird.
Um die Kritik der Architekteninnung zu
verstehen, muss man sich die Finanzierungsverfahren ansehen. Die Schulen werden
mithilfe einer Public-private-Partnership (PPP) gebaut. Das treibe die Kosten
in die Höhe, erklärt Bauer.
Bei einem PPP-Verfahren gibt der
Auftraggeber (in diesem Fall die Stadt Wien) den Auftrag, ein Projekt zu bauen,
finanziert den Bau aber nicht selbst. Das übernehmen die privaten Partner – bei
dem bereits gebauten Campus Gertrude-Fröhlich-Sandner beim Nordbahnhof im
zweiten Bezirk war es etwa ein Konsortium aus Porr Solutions Immobilien- und
Infrastrukturprojekte GmbH und Bank Austria Real Invest GmbH, die die Schule
nach den Vorgaben des Auftraggebers errichten, finanzieren, betreiben und
instand halten.
Formal gehört die Schule dem PPP-Partner,
der Auftraggeber mietet sich dort nur ein und zahlt monatlich eine
Pauschalmiete. Erst nach zirka 20 bis 30 Jahren Vertragslaufzeit geht die
Schule ins Eigentum des Auftraggebers über. Entwickelt wurden PPP-Projekte mit
dem Gedanken, dass der Bau von öffentlichen Einrichtungen dadurch effizienter
sein könnte. Vor allem hat es aber budgetäre Gründe: Errichtet und finanziert
der PPP-Partner das Objekt, muss sich der öffentliche Auftraggeber dafür nicht
verschulden. Nach den Maastricht-Kriterien macht es sich besser, jahrzehntelang
Miete zu zahlen, als für ein Bauprojekt viel Geld auf einmal in die Hand zu
nehmen.
Das Modell ist teuer. Doch in der Praxis hat sich im Hinblick auf PPP-Verfahren schon längst Ernüchterung breitgemacht. Nicht nur in Österreich, sondern vor allem im Ausland. „Ein Privatinvestor muss die ganze Schule, inklusive des Betriebes, für die nächsten 20 bis 30 Jahre planen. Da brauchen sie erstens ein Vis-à-Vis, das alles vorausdenken kann, und zweitens müssen Privatinvestoren natürlich den Risikozuschlag für diese gewaltige Unsicherheit kalkulieren“, sagt Bauer.
Das Modell ist teuer. Doch in der Praxis hat sich im Hinblick auf PPP-Verfahren schon längst Ernüchterung breitgemacht. Nicht nur in Österreich, sondern vor allem im Ausland. „Ein Privatinvestor muss die ganze Schule, inklusive des Betriebes, für die nächsten 20 bis 30 Jahre planen. Da brauchen sie erstens ein Vis-à-Vis, das alles vorausdenken kann, und zweitens müssen Privatinvestoren natürlich den Risikozuschlag für diese gewaltige Unsicherheit kalkulieren“, sagt Bauer.
Ein Kostentreiber sei auch die Tatsache,
dass private Baufirmen bei der Bank schlechtere Konditionen bekommen als ein
öffentlicher Auftraggeber wie die Stadt Wien. Und damit nicht genug: Während
Schulen normalerweise in einem mehrstufigen Planungsverfahren entwickelt
werden, werde bei PPP-Projekten von dem von der Stadt beauftragten Architekten
nur grob geplant. Die Pläne, erklärt ein Architekt, der nicht genannt werden
will, seien so genau, „wie eine Einreichplanung im Maßstab 1:100 eben ist“. Was
dann daraus werde, liege völlig im Ermessen des PPP-Partners.
„Das heißt, der Architekt plant zum
Beispiel einen hochwertigen lichten Klassenraum und sein Vis-à-Vis macht daraus
die Mindestfensterfläche, weil es die Bauordnung zulässt und weil er die Schule
ja pauschal anbietet“, erklärt Architektenkammer-Chef Bauer. Ein
detaillierteres Verfahren sei rechtlich gar nicht möglich. „Damit der
Auftragnehmer Maastricht-konform anbieten kann, muss er einen gewissen
Gestaltungsspielraum haben. Das heißt, ich bin als Auftraggeber in der absurden
Lage, dass ich etwas kaufe, was ich gar nicht genau beschreiben darf.“ Was für
Fliesen verwendet werden, welche Art von Fenstern, billige oder qualitativ
bessere – all das dürfe der Auftraggeber dem Anbieter nicht vorschreiben. Denn
wenn die Vorgaben zu strikt sind und der Anbieter keinen eigenen
Gestaltungsspielraum hat, entspricht das Projekt nicht mehr den
Maastricht-Kriterien. Die Errichtungskosten werden dann bilanztechnisch dem
Auftraggeber zugerechnet und vergrößern dessen Schuldenlast.
Kaum Kontrolle. Auch Kontrollmechanismen gebe es nicht, sagt Bauer. Etwa einen Architekten, der von der Stadt bezahlt wird und die ausführenden Arbeiten überwacht. Es könnte also passieren, meint er, dass eine Schule so gebaut wird, „dass sie, wenn sie laut Vertrag nach 20 Jahren in die öffentliche Hand übergehen soll, 22 Jahre hält“.
Kaum Kontrolle. Auch Kontrollmechanismen gebe es nicht, sagt Bauer. Etwa einen Architekten, der von der Stadt bezahlt wird und die ausführenden Arbeiten überwacht. Es könnte also passieren, meint er, dass eine Schule so gebaut wird, „dass sie, wenn sie laut Vertrag nach 20 Jahren in die öffentliche Hand übergehen soll, 22 Jahre hält“.
Spricht man mit der Stadt, versucht diese
gar nicht, das Problem zu leugnen. „Ich teile die Kritik, dass es langfristig
das teurere Modell ist. Aber derzeit gibt es kein anderes. Jeder, der ein
besseres Modell hat, der soll es vorschlagen“, sagt Stadtrat Oxonitsch. Er
fordere schon länger, dass Infrastrukturprojekte wie Schulen oder Krankenhäuser
von den Maastricht-Kriterien ausgenommen werden.
An der Qualität der Bauten zweifelt
Oxonitsch nicht. „Deswegen bin ich ja Mieter. Der Vermieter ist zuständig, das
Haus in Ordnung zu halten. Ich gebe mit PPP-Verfahren das Risiko ab. Je mehr
Risiko ich abgebe, desto teurer wird es“, sagt er. Schließlich bestünden durch
die lange Vertragsdauer Anreize, hochwertige Materialien einzusetzen, weil
dadurch weniger Reparaturen anfallen. Auch werde seitens der Stadt ganz genau
und sehr detailliert festgelegt, wie die Schule auszusehen hat, erklärt
Oxonitsch. Dem PPP-Partner werden Raumblätter und Raumbücher mit bestimmten
Ausstattungsqualitäten wie zum Beispiel „Boden aus Holz, xy mm dick“ gegeben.
Diese Qualität müsse der PPP-Partner auch einhalten. Welchen Hersteller er
nehme, sei aber ihm überlassen. Mit dem bereits fertigen Campus
Gertrude-Fröhlich-Sandner hätte man jedenfalls gute Erfahrungen gemacht.
Für die Kammer ist das nicht genug. Es
geht um Feinheiten. „Wo ordne ich Steckdosen an? Welche Qualität muss ein
Produkt haben, damit es nicht gleich kaputtgeht?“, fragt Bauer. „Wie wird eine
Installation angebracht? Unsichtbar oder so, dass jeder über die Kabel fällt?“
Dass diese Angst nicht unbegründet ist, zeigen Fälle in Deutschland und London
(siehe Artikel unten), wo Autobahnen und Krankenhäuser schlecht gebaut wurden
und die Kosten für Schulen um mehrere Millionen Euro explodiert sind.
Geheime Verträge. Auch lassen sich solche Projekte schwer kontrollieren. Da Verträge mit Privaten geschlossen werden, unterliegen Teile davon meist der Geheimhaltung. In Deutschland gibt es Fälle, bei denen selbst Abgeordnete nur in Datenräumen Teile der Verträge sehen durften, Kopien waren verboten, ebenso das Reden – auch mit anderen Abgeordneten – über das Gesehene. All das, obwohl der Steuerzahler zahlt.
Geheime Verträge. Auch lassen sich solche Projekte schwer kontrollieren. Da Verträge mit Privaten geschlossen werden, unterliegen Teile davon meist der Geheimhaltung. In Deutschland gibt es Fälle, bei denen selbst Abgeordnete nur in Datenräumen Teile der Verträge sehen durften, Kopien waren verboten, ebenso das Reden – auch mit anderen Abgeordneten – über das Gesehene. All das, obwohl der Steuerzahler zahlt.
Aus dem Büro von Oxonitsch heißt es, dass
die Verträge Kontrollorganen wie dem Rechnungshof prinzipiell zur Einsicht
offenstünden. Gleichzeitig gebe es aber auch „zivilrechtliche Schutz- und
Sorgfaltspflichten der Stadt gegenüber dem privaten Vertragspartner“, auf die
geachtet werden müsse. Doch selbst wenn jemand die Verträge ganz einsehen
dürfte, hätte er wohl Probleme, sie durchzuarbeiten. Viele PPP-Verträge,
erzählt die Kammer, hätten mehr als 20.000 Seiten.
Eine sinnvolle Lösung für das Problem? Die
gibt es im Moment nicht. Die Kammer schlägt daher einen Kriterienkatalog vor,
in dem zumindest festgehalten wird, welche Leistungen für wie viel Geld
erbracht werden müssen und wie sie ersetzt werden können.
Doch ob diese Idee überhaupt umsetzbar
ist, darüber scheiden sich die Geister auch unter Architekten. „Das ist total
unüberschaubar“, meint ein Skeptiker. „Die Fliesen an der Wand können
beschichtet sein, Mosaikfliesen sein oder Standardfliesen. Wenn ich jede
Position in einer Qualitätsmatrix aufziehe und finanziell bewerte, dann habe
ich ein unüberschaubares Gewirr.“ Es sei eben auch Teil des Bauprozesses, dass
Dinge erst später entschieden werden.
So wie sich auch das Schulsystem laufend
weiterentwickelt. Große Änderungen beim Bau der Schule sind bei PPP-Modellen
eher schwierig, weil der Betrieb für 20 bis 30 Jahren festgelegt wird. Auch
Oxonitsch sagt: „Mir wäre es sogar lieber, wenn ich flexibler sein könnte. Denn
wenn ich später feststelle, dass ich einen Raum doppelt so groß brauche, dann
geht das nicht mehr.“ Dabei steht auf der Homepage der Stadt Wien, dass es sich
beim Campusmodell nicht um ein starres Programm handle: „Vielmehr wurde und
wird der dynamischen Weiterentwicklung eine hohe Bedeutung beigemessen.“ Diese
Erkenntnisse sollen dann in neue Bauten einfließen.
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