Drei Vorstände der umstrittenen AVZ-Stiftung
der Stadt Wien haben mehr Funktionen als das Gesetz erlaubt. Möglich macht dies
eine Sonderregelung der Aufsicht.
Aufsichtsräte von Banken mit "erheblicher
Bedeutung" müssen nicht nur fachlich besonders qualifiziert sein, sondern
auch ausreichend Zeit für solche Jobs haben. Diese Vorgabe der Europäischen
Bankenaufsicht übernahm Österreich mit Juli 2014 ins Bankwesengesetz. Als eine
der europaweiten Konsequenzen aus der Bankenkrise.Pech für jene älteren Herren, die gerne Ämter sammeln – würde man meinen. Im Vorstand der AVZ-Stiftung, die der Stadt Wien nahesteht, findet sich trotzdem immer noch eine auffällige Häufung von Ämter-Kumulierern. Formal korrekt und mit dem Segen der heimischen Finanzmarktaufsicht (FMA). Dank einer Übergangsbestimmung mit der vielsagenden Bezeichnung "Bestandsschutz für Altmandate". Jobs, die Bank-Aufsichtsräte bereits vor Ende 2013 hatte, sind erst bei der Wiederbestellung zu zählen.
Laut Bankwesengesetz dürfen Aufsichtsräte von als "erheblich" definierten Kreditinstituten darüber hinaus nur eine Geschäftsführer-Tätigkeit und zwei weitere Aufsichtsratsmandate oder insgesamt vier Aufsichtsratsjobs ausüben. "Erheblich" ist eine Bank schon ab fünf Milliarden Euro Bilanzsumme. Unter diese Größenordnung fallen bereits Provinzinstitute.
Im Fit&Proper-Rundschreiben
erklärt die FMA ausführlich, wie die Mandatsbeschränkung in der Praxis zu leben
ist. Da wird die Mandatsbeschränkung nicht mehr so strikt gehandhabt und eine
Reihe von Ausnahmen aufgelistet. Außerdem bemerkenswert: Die "ausreichende
zeitliche Verfügbarkeit" wird "anhand einer qualifizierten
Selbsteinschätzung" der Mandatare inklusive deren eidesstattlicher
Erklärung überprüft.
Ob sich Europas strenge
Bankenaufseher die Interpretation ihrer Vorgaben so großzügig vorgestellt
haben?
Der ehemalige Bank-Austria-Chef Karl
Samstag ersuchte
die FMA von sich aus um Überprüfung seiner Ämter und bekam einen
Freifahrtschein. Es gilt der "Bestandsschutz". AVZ-Stiftungsvorstand
Samstag sitzt im Aufsichtsrat der UniCredit Bank Austria, der Oberbank, der
Bank für Tirol und Vorarlberg (BTV) sowie der Bank für Kärnten und Steiermark
(BKS), des Verkehrsbüros, der Vamed, des Ölfeldausrüsters Schoeller-Bleckmann,
beim Tiroler Speckerzeuger Handl und in der Signa Prime Selection von
Immobilien-Zampano René
Benko. Eine Geschäftsführer-Tätigkeit
hat er auch noch.
Auch der emeritierte Grazer
Rechtsprofessor und AVZ-VorstandWaldemar Jud hamstert
eifrig: Aufsichtsrat bei den Kreditinstituten BKS, BTV und Oberbank, zudem beim
Caterer DO&CO, bei Ottakringer, der Immobilienfirma Universale und dm.
Ausgerechnet Jud prüft als selbst ernannter Corporate-Governance-Experte mit
seiner Firma börsenotierte Unternehmen auf Wohlverhalten. Er wurde von der FMA
ebenfalls durchgewunken. Derzeit screent die FMA die Mandate von Franz
Zwickl: Vize-Präsident
der teilverstaatlichten Problembank ÖVAG (Volksbanken), Aufsichtsrat der
Kontrollbank, der CA Immobilien, des Kreditkartenanbieters card complete
Service Bank und des Verkehrsbüros, Österreichs größtem Tourismus-Konzern.
Neben der AVZ sitzt der ehemalige Bank-Austria-Vorstand in drei weiteren
Stiftungen, darunter jener des Gewerkschaftsbundes. Dazu summieren sich noch
einige Geschäftsführer-Jobs rund um die AVZ.
"Alles Altmandate",
winkt Zwickl im Gespräch mit dem KURIER ab. Nur die ÖVAG habe er neu dazu
genommen, die falle aber unter die Ausnahmen. Auf die Frage, ob derart viele
Funktionen nicht doch zu etwas zu zeitaufwendig seien, meint der ehemalige
Bank-Austria-Vorstand: "Ich war immer sehr fleißig und arbeite viel."
Die Wiener FPÖ, die seit Langem
mit Nachdruck eine Offenlegung der AVZ einfordert, kritisiert die
Multifunktionäre massiv. "In Zeiten, in denen Cooling-off-Phasen,
Corporate-Governance-Richtlinien und Aufsichtsrecht in aller Munde sind, kann
es nicht sein, dass sich einige Berufsaufsichtsräte nicht um die Intention des
Gesetzgebers scheren", empört sich Klubobmann Johann
Gudenus. "Bei Unternehmen oder Stiftungen, die ein
Naheverhältnis zur Stadt Wien haben, erwarte ich mir sogar mehr Transparenz,
als der Gesetzgeber vorschreibt."
In der umstrittenen AVZ-Stiftung
sind die Haftungen der Gemeinde Wien für die Altschulden der Bank Austria
geparkt, die inzwischen auf 6,7 Milliarden Euro abgeschmolzen sind. Dazu hat
die Stiftung die aktuellen Haftungen der Bank von rund 120 Milliarden Euro
geschultert. Die AVZ muss zwei Drittel ihres Gewinns an den Wiener
Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds ausschütten. Der bunt
gemischte Stiftungsvorstand erneuert sich übrigens selbst. Detail am Rande. Die
Selbsterneuerung des Aufsichtsrates war der Grund, warum die Staatsholding ÖIAG
demnächst Geschichte ist.
Dass es auch anders geht, bewies
im Vorjahr Siegfried Wolf,Spitzenmanager
im Imperium des Oligarchen Oleg
Deripaskaund Noch-Aufsichtsratschef der ÖIAG. Als die
Mandatsbeschränkung Gesetz wurde, stieg Wolf, Aufsichtsratschef der Sberbank,
umgehend bei Verbund und Siemens aus. Er hätte sicher auch den
"Bestandsschutz" für sich reklamieren können.
(KURIER) ERSTELLT AM 08.02.2015, 08:00
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