In Wien steigt die Zahl der Obdachlosen seit Jahren stetig
an. 2013 gab die „Gruft“ (Notschlafstelle der Caritas in
Wien-Mariahilf) an, dass sie 97.000 warme Mahlzeiten an Menschen ausgegeben
haben, denen das Geld oft für das Nötigste fehlt. So viele wie noch nie zuvor.
Das Problem nicht leistbarer Mieten hat die Mittelschicht längst erreicht. Über
Ziffern kann man nicht reden, sie bloß schätzen. Wenigstens einige hundert
schlafen immer im Freien, ebenso viele nehmen Zuflucht in den vielen
Notschlafstellen der Stadt.
Lt. Wiener Tafel weist
Wien mit 17% der Bevölkerung das größte Armutsrisiko auf. Längst schon geht
Armut durch alle Bevölkerungsschichten. Neben den geschätzten 800 permanent
Obdachlosen nehmen über 7.100 Menschen zeitweise Obdachloseneinrichtungen in
Anspruch. In Wien stehen 4.500 Wohn- und Schlafplätze für Menschen ohne Wohnung
zur Verfügung. Expertenschätzungen zufolge, sind in Österreich insgesamt rund
12.000 Menschen wohnungslos. Armut macht krank und einsam. Sie grenzt aus,
entwürdigt den Menschen, schwächt ihn und die Gesellschaft.
Obdachlosigkeit trifft auch immer häufiger Menschen unter
30, heißt es von der Caritas. „Das Bild des klassischen Sandlers hat
ausgedient. An seine Stelle treten vermehrt junge Menschen, Frauen und
psychisch erkrankte Personen“, sagte Klaus Schwertner, der Generalsekretär der
Caritas der Erzdiözese Wien. Viele von ihnen finden akut Hilfe bei der
zentralen Anlaufstelle „P7“. [Mehr dazu in: Hilfe für Obdachlose: „P7“ ist zehn]
Auch immer mehr europäische Besucher in
Österreich sind von Obdachlosigkeit betroffen und sie kommen aus vielen Ländern
Europas, vornehmlich aber aus den früheren Ostblock-Staaten Bulgarien, Polen,
Ungarn, der Slowakei und Tschechien. Sie kommen, um Arbeit zu finden. Doch wenn
das nicht funktioniert, bleiben sie trotzdem. Sie denken wohl, „besser in Wien
obdachlos, als in Budapest“. Die ungarische Regierung hat bekanntlich das
Übernachten auf der Straße verboten, Obdachlosen drohen Geld- und Gefängnisstrafen.
Die ersten zwei
Monate sind für die Obdachlosen in den Notschlafstätten kostenlos. Danach aber
müssen sie einen Kostenbeitrag von 4 € pro Nacht bezahlen, wie die Wiener
Stadträtin für Gesundheit und Soziales, Sonja Wehsely (SPÖ), per 1. September
2010 einführte. Sie begründete dies damals als Maßnahme „im Sinne der
sozialpolitischen Steuerung“.
Mehr Zynismus geht
nicht mehr.
Gleichzeitig hat die Stadt Wien noch dazu den Heizkostenzuschuß halbiert und im Winter 2012-2013 von
Geldleistungen auf Sachleistungen umgestellt.
Durch Wien, diese Glitzer-Metropole, streunen nach einer Schätzung der
Caritas-Einrichtung a_way mindestens 300 obdachlose Minderjährige. Seltsam
frühreife Wesen mit übertriebener Selbstständigkeit, die ihre Tage mit der
Beschaffung des nächsten Schlafplatzes, von Lebensmitteln und Drogen
verbringen. Sie haben gelernt zu nehmen, was kommt, auch wenn nichts kommt.
Seit der frühen Kindheit in desolaten Familien misshandelt, vernachlässigt,
traumatisiert und schließlich verjagt.
Im Vorjahr wurden aufgrund von Anrainerbeschwerden, die
Obdachlosen aus dem Stadtpark von der Polizei vertrieben.
Im Anschluß daran herrschte große Aufregung bei allen NGOs, den Ämtern und der
Bevölkerung. Der Vorschlag, eine Zeltstadt zur Verfügung zu stellen, wurde
abgelehnt. Eine Expertenkommission sollte etabliert werden, dies fand jedoch
keine Mehrheit. Ob sonst jemand über eine gute Lösung nachdachte, ist fraglich.
Und der nächste Winter steht schon vor der Tür.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen