"Vinzi-Pfarrer" Pucher fordert
Toleranz gegenüber Obdachlosen
Lazaristenpriester in
Franziskaner-Zeitschrift "Antonius": Obdachlosigkeit wird immer
jünger und versteckter - Bettelverbot "krankhaft"
23.12.2013
Graz
(KAP) Die Gesellschaft sollte
toleranter sein gegenüber Obdachlosen und sicherstellen, dass niemand mehr in
öffentlichen WC-Anlagen oder U-Bahn-Stationen übernachten muss: Das hat P.
Wolfgang Pucher, Gründer der Vinzenzgemeinschaften, im Interview mit der Franziskaner-Zeitschrift
"Antonius" gefordert. "Jede Stadt sollte eine ganzjährig
geöffnete Notschlafstelle für Bettler haben", so der Weihnachtswunsch des
74-jährigen Lazaristen-Geistlichen, der u.a. im "VinziDorf" in Graz
seit 20 Jahren alkoholkranken ehemals obdachlosen Menschen Quartier gibt.
Alle Obdachlosen
sollten einen Zugang zu Sozialleistungen erhalten, so Puchers Appell -
"auch Nichtösterreicher". Leicht finanzierbar und nur eine Frage des
politischen Willen und der öffentlichen Akzeptanz wäre zudem das Vorhaben,
allen der "nicht mehr als 1.000" inländischen Obdachlosen Unterkunft
zu bieten. Auch eine Deckelung der Mietpreise und der Wohnungskautionen sowie
auch der Bau von mehr Sozialwohnungen würde das Problem "ganz sicher"
lindern, so Pucher.
Unsinnig und ein
Gegensatz zu den Menschenrechten sei aus der Sicht des Armenpriesters das in
vielen Städten aufrechte Bettelverbot. Betteln sei öffentlicher Ausdruck für
"mir geht es schlecht" und nicht Problem der Bettler selbst, sondern
der Bevölkerung, sei es doch "eine individuelle Sache", was als
Störung wahrgenommen oder akzeptiert werde. Er selbst halte es für
"krankhaft", so Pucher, "dass Menschen, die arm sind, in einer
Welt der Verschwendung und des Überflusses stören sollen".
"Zu schwach für
die heutige Gesellschaft"
Auch wenn es keinen
"typischen Obdachlosen" gebe, könne man dennoch zwischen drei Gruppen
unterscheiden, so Pucher. Der "klassische Obdachlose" sei "von
seiner Begabung und seinen körperlichen Voraussetzungen her zu schwach für die heutige
Gesellschaft". Ursache bei dieser Form seien meist der Verlust von Familie
und Arbeitsplatz, oft auch in Kombination mit Alkoholismus. Diese Form der
Obdachlosigkeit werde "immer jünger und vor allem bei Frauen
versteckter".
Die größte Zahl der Obdachlosen
kommt allerdings aus Osteuropa. Sie seien teils Arbeitsmigranten, die in
Österreich "nicht ansässig werden, sondern nur Geld verdienen wollen"
und dabei weder Quartier noch staatlichen Rechtsanspruch auf Unterstützung
hätten. Daneben gebe es noch die Armuts- oder Wanderobdachlosen. "Diese
Menschen leben in ihren Heimatdörfern in einem solchen Elend, dass ihnen die
Armseligkeit einer Notschlafstelle in Österreich angenehmer ist als die Armut
zu Hause", so der Ordensgeistliche.
Für die Betroffenen der
beiden letzten Gruppen sei meist die Wirtschaftskrise der Grund, dass sie ihre
Heimat verlassen hätten. Pucher: "Wenn man beispielsweise nach Rumänien
schaut, wo ein Arbeitsloser nur ein Jahr lang eine staatliche Unterstützung von
80 Euro im Monat erhält - was soll dieser Mensch machen?"
Um der konkreten Not
gerecht zu werden, brauche es niederschwelligere Angebote, betonte Pucher:
Obdachlose sollten beispielsweise auch Alkohol konsumieren dürfen, wie dies
bereits im VinziDorf gehandhabt wird. Kontraproduktiv seien weiters "zu
strenge Hygienevorschriften" oder zu hohe Erwartungen an Umgangsformen.
Ohnehin sei der Umgang der VinziDorf-Bewohner "viel menschlicher und
teilender" als sonst in der Gesellschaft üblich, und sogar die "durchschnittliche
Gläubigkeit" sei hier höher als in der eigenen Pfarrgemeinde Graz-St.
Vinzenz, so die Analyse des Lazaristenpaters.
Dieser Text stammt von der Webseite http://www.kathpress.at/site/nachrichten/database/59598.html des Internetauftritts der Katholischen Presseagentur Österreich.
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