In der Kälte
ist man aufmerksamer: Wie kannst du helfen, wenn du jemanden im Freien schlafen
siehst und das nicht ignorieren willst?
„Wohnungslosigkeit heilt man
nicht mit Schlafsäcken", erklärt Martin Auferbauer im Schlupfhaus in Graz.
Die Einrichtung war die erste ihrer Art in Österreich: Gebaut als
Notschlafstelle für Mädchen und Burschen unter 21 Jahren, hat sich das
Schlupfhaus bewährt. Martin Auferbauer leitet das Haus, das keine zwanzig
Gehminuten von der Innenstadt liegt. "Es muss einem bewusst sein, dass
hinter Obdachlosigkeit Problematiken stehen, die natürlich mehr brauchen. Aber
auf der anderen Seite ist diese Unterstützung mit einem Schlafsack in der
Akutsituation eine sinnvolle Überlebenshilfe".
Was kannst du
tun, wenn du jemanden bei eisigen Temperaturen draußen im Freien schlafen
siehst? Wichtig ist, dem Menschen ein adäquates Hilfsangebot zu machen. Und das
ist zuallererst der Weg zu einer Einrichtung mit Übernachtungsmöglichkeit. Kein
adäquates Hilfsangebot ist, jemanden einen privaten Schlafplatz anzubieten.
Dennoch: Es wird Menschen geben, die keine Notschlafstelle aufsuchen wollen und die das etablierte Hilfssystem nicht annehmen. Letzten Endes ist es die Autonomie der Menschen, die man akzeptieren muss. So schwer das als Außenstehender auszuhalten ist.
Dennoch: Es wird Menschen geben, die keine Notschlafstelle aufsuchen wollen und die das etablierte Hilfssystem nicht annehmen. Letzten Endes ist es die Autonomie der Menschen, die man akzeptieren muss. So schwer das als Außenstehender auszuhalten ist.
In Wien hat
die Caritas im Winter 2012 das Kältetelefon gestartet. Unter der Telefonnummer 01/480 45 53 erreichst
du rund um die Uhr Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter: Angaben zu Ort, Zeit
und einer Beschreibung der hilfsbedürftigen Person sind gefragt.
Speziell für junge
Menschen
Jugendliche nehmen die
Schlafstellen der erwachsenen Wohnungslosenhilfe nicht in Anspruch. Damit
verbinden sie Bilder wie jenes von Menschen mit massiven Alkoholproblemen. DasSchlupfhaus in
Graz ist eingerichtet wie ein schönes Hostel, im Aufenthaltsraum im Erdgeschoss
stehen ein runder Tisch in der Mitte und zwei Waschmaschinen in einer
Regalwand. Die Tür des freundlichen Hauses, das von den Architekten Ingrid Mayr
und Jörg Mayr geplant wurde, die ein Jahr danach auch den Neubau der Grazer
Synagoge abschlossen, steht täglich ab achtzehn Uhr offen. Vormittags kommen
junge Menschen auch vorbei, um ihre Kleidung zu waschen und sich Infos zu
holen.
Denn das Angebot des
Schlupfhauses reicht weit über die Zahnbürsten hinaus, die abends jenen
geschenkt werden, die ein Bett in Anspruch nehmen. So gibt es die Möglichkeit,
sich Dokumente wieder beschaffen zu lassen. "Wenn jemand länger unterwegs
war, weiß er vielleicht nicht mehr, wo der Ordner mit den Dokumenten steht.
Gleichzeitig ist der Weg in jegliche Normalität versperrt, wenn man bestimmte
Dokumente nicht hat", weiß Martin Auferbauer. Ein Drittel Mädchen, zwei
Drittel Burschen nützen die Jugendnotschlafstelle. Wie kommt das? Junge Frauen
bleiben länger in belastendenen Umfeldern bzw. begeben sich in andere, erneut
belastende Kontexte.
Junge Erwachsene, für die kein
Anspruch mehr auf Jugendwohlfahrt besteht, haben es oft besonders schwer.
Erwachseneneinrichtungen fühlen sich für sie nicht zuständig: weil die jungen
Menschen noch nicht psychisch krank genug sind oder noch nicht straffällig
sind. Im Hilfesystem für Erwachsene gibt es Unterstützung erst, wenn sich
Probleme verfestigen. Das Team des Schlupfhauses kann mobil betreute Plätze in
Wohnungen anbieten, wo die Menschen zwölf Monate bleiben können. Viele
bräuchten dann nicht viel an "pädagogischer Intervention", um ihre
Lehre abzuschließen oder eine Ausbildung anzufangen.
Speziell im Winter sind wir
alle äußerst sensibel, wenn es um obdachlose Menschen ginge. Doch:
Wohnungslosigkeit ist ein Ganzjahresthema, weiß Martin Auferbauer vom
Schlupfhaus. Die Arbeit in diesem Bereich endet nicht mit Ende April:
"Menschen, die draußen schlafen, sind immer gefährdet. In Bezug auf einen
Überfall oder auch körperliche Schwierigkeiten. Auch im Sommer kann man durch
die Feuchtigkeit, wenn man draußen liegt, eine Niere verlieren".
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