"Ich will meine Nachbarn nur höflich
grüßen"
Die Kluft zwischen
bürgerlichem Landleben und städtischem Wohnen ist groß, wie sich in der Debatte
zwischen Tanja Wehsely (SPÖ Wien) und Asdin El Habbassi (ÖVP Salzburg) zeigte
Da hat Wehsely wieder
einmal das große Wort geschwungen, ohne viel zu wissen. Es stimmt
wirklich: Das Ziel ist das gleiche:
Gemeinschaft und Solidarität zu schaffen. Aber das ist für Wehsely einfach zu
hoch. Solidarität, was ist das? Für Wehsely etwas zum Frühstück. Und Wehsely
gibt es auch noch zu: Ich will meine Nachbarn im Haus nur höflich grüßen, auf
der Skala von 0 bis 100 bin ich bei 15. Also auf Wienerisch übersetzt: Die
Nachbarn gehen mir am Arsch vorbei. Die Überwachung im Gemeidebau nimmt schon perfide
Züge an, manchmal kann man schon an den Überwachungsstaat a la 3. Reich denken.
Ludwig, Häupl, Neumayer wollen alles über uns wissen, was es auch ist, das
Wissen macht sie stark. http://derdreck.blogspot.co.at/
Die Kluft zwischen
bürgerlichem Landleben und städtischem Wohnen ist groß, wie sich in der Debatte
zwischen Tanja Wehsely (SPÖ Wien) und Asdin
El Habbassi (ÖVPSalzburg) zeigte. Gerfried Sperl
moderierte.
STANDARD: Was nehmen Sie beide von dieser Veranstaltung mit?
Wehsely: Die wichtigste Botschaft ist: Wir müssen Bewohnern Raum
geben, wir müssen sie machen lassen. Gemeinschaft lässt sich nicht verordnen.
Wir haben im Wiener Gemeindebau und in den gewerkschaftlichen Wohnbauvereinigungen
eine lange Tradition mit Mieterbeiräten, Mitbestimmungsstatuten und eigenen
Wohnpartnern. Aber auch da braucht es Leute, die Freude und Lust haben, diese
Gemeinschaft zu unterstützen.
El Habbassi: Ich sehe die riesigen Unterschiede, wie Wohnen in Wien mit
seinen Wohnblöcken diskutiert wird. Im Westen leben wir in anderen Zeiten. Bei
uns denkt man darüber nach: Wie kann ich mir einmal ein Haus bauen, kann ich
bei meinen Eltern anbauen, wie komme ich günstig zu einem Grund? Und was mir noch
aufgefallen ist: Wir reden beim Thema neue Medien noch nicht ganz darüber, wie
wir unser Leben vielleicht bestimmen könnten, etwa durch Assisted Living für
ältere Menschen. Da ist noch viel mehr möglich, als wir derzeit wahrnehmen.
Wehsely: Der Mehrwert der Social Media wird auch in Wien diskutiert.
Die Organisation von Nachbarschaftshilfe ist über neue Medien einfacher,
günstiger und schneller. Wir glauben aber auch, dass der persönliche Kontakt
keinen Ersatz ausschließlich im virtuellen Raum findet, außer es ist gewollt.
Und es gibt das Recht auf Fremdheit und anonymes Wohnen.
STANDARD: Sehen Sie Unterschiede der Parteien beim Thema neue Medien?
Haben manche davor Angst?
Wehsely: Nein, alle sagen, es ist leiwand.
STANDARD: Auch Überwachungskameras sind eine Form der Kommunikation.
Ist das in der ÖVP umstritten?
El Habbassi: Wir reden schon über das Thema Sicherheit. Gerade bei
älteren Menschen gibt es oft viel Bedarf nach mehr Überwachung und Schutz. Aber
ob wir deshalb an jeder Ecke eine Kamera haben wollen, darüber müssen wir auch
politisch diskutieren.
Wehsely: Es gibt auch in der SPÖ ein Für und Wider zu diesem Thema:
Wie viele Kameras sind angebracht, bieten sie mehr Sicherheit oder nicht,
reduzieren sie den Vandalismus im Gemeindebau? Ich bin kein Sicherheitsfreak.
Aber auch bei uns gibt es Daten, die zeigen, dass etwa Sperrmüllablagerung
durch Überwachungskameras reduziert wird und die Betriebskosten so entlastet
werden. Wichtiger ist der Nutzen, den digitale Medien zur Stiftung von
Gemeinschaft beitragen. Man hat als Bewohner ein einfaches Tool in der Hand, um
sich zu organisieren, mit oder ohne Staat. Das muss auch im Gemeindebau zur
Verfügung gestellt werden, etwa über die vierte Schiene der sozialen
Nachhaltigkeit.
STANDARD: Und das Stichwort "Fremde oder Freunde"? Wo stehen
Sie da?
El Habbassi: Da finde ich es traurig, wie in der Politik mit diesen
Ängsten gespielt wird. Wir dürfen keine Feindbilder schaffen, sondern sollen
das Miteinander fördern.
Wehsely: Aber gerade in Wien müssen wir in der Dichtheit der
Metropole eine größere Lockerheit und mehr Toleranz miteinander zulassen. Eine
Großstadt ist kein Einfamilienhaus auf dem Land.
STANDARD: Wo sind da die Unterschiede zum Land?
El Habbassi: Das Ziel ist das gleiche: Gemeinschaft und Solidarität zu
schaffen. Aber die Wege, wie das erreicht werden soll, sind anders. Mir stellt
es oft die Haare auf, wenn ich höre, es muss alles moderiert werden. Ich komme
aus einer Gegend, wo es ganz normal ist, dass man sich grüßt und sich
vorstellt, wenn man in eine Wohnung einzieht, und einmal mit einem Geschenk zu
Weihnachten vorbeikommt, ohne dass es eine Moderation oder Begleitung gibt. Was
wir in der ÖVP hochhalten, sind Individualität und Freiheit - das Bedürfnis, an
der Gemeinschaft teilzunehmen, aber nicht strukturiert und organisiert in
Vereinen und Verbänden.
STANDARD: Wirklich? Sie sind offenbar nicht beim CV.
El Habbassi: Nein ich bin nicht verbandelt. Und ich rede hier vom Wohnen.
Wehsely: Aus Wiener Sicht maße ich mir nicht an, über das Wohnen auf
dem Land zu reden. Ich bin Wienerin in dritter und vierter Generation und
schätze das anonyme Wohnen. Ich will meine Nachbarn im Haus nur höflich grüßen,
auf der Skala von 0 bis 100 bin ich bei 15. Aber wir in der Wiener SPÖ sind für
Begleitung und Strukturen, um auch in einer rasant wachsenden Metropole die
Rahmenbedingungen für ein gutes Zusammenleben zu schaffen. Die Stadt Wien steht
zu einem starken kommunalen Netz. Das widerspricht nicht Privatinitiativen, dem
Sich-selbst-organisieren-Wollen. Das eine geht nicht ohne das andere. Die
Verordnung der Gemeinschaft ist nicht möglich, aber wir brauchen möglichst
viele Strukturen, die allen zugutekommen, also Hinz und Kunz und Hansi
Pospischil - und nicht nur jenen, die sich in den üblichen Verbänden und
Vereinen organisieren. (DER STANDARD, 26.2.2014)
Tanja Wehsely (41) ist seit ihrer Schulzeit in der Sozialdemokratie
engagiert, wurde als Sozialarbeiterin und PR-Beraterin ausgebildet und ist seit
2009 stellvertretende Klubchefin der SPÖ im Wiener Gemeinderat. Sie ist
verheiratet und hat einen Sohn.
Asdin El Habbassi (27) wurde in Hallein in eine Familie mit marokkanischen
Wurzeln geboren, war Landesobmann der Salzburger Schülerunion und studierte
Betriebswirtschaft. Er ist seit 2012 Obmann der Jungen ÖVP Salzburg und sitzt
seit kurzem im Nationalrat.
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