Dienstag, 25. Februar 2014

"Ich will meine Nachbarn nur höflich grüßen"

"Ich will meine Nachbarn nur höflich grüßen"

Die Kluft zwischen bürgerlichem Landleben und städtischem Wohnen ist groß, wie sich in der Debatte zwischen Tanja Wehsely (SPÖ Wien) und Asdin El Habbassi (ÖVP Salzburg) zeigte


Da hat Wehsely wieder einmal das große Wort geschwungen, ohne viel zu wissen. Es stimmt wirklich:  Das Ziel ist das gleiche: Gemeinschaft und Solidarität zu schaffen. Aber das ist für Wehsely einfach zu hoch. Solidarität, was ist das? Für Wehsely etwas zum Frühstück. Und Wehsely gibt es auch noch zu: Ich will meine Nachbarn im Haus nur höflich grüßen, auf der Skala von 0 bis 100 bin ich bei 15. Also auf Wienerisch übersetzt: Die Nachbarn gehen mir am Arsch vorbei. Die Überwachung im Gemeidebau nimmt schon perfide Züge an, manchmal kann man schon an den Überwachungsstaat a la 3. Reich denken. Ludwig, Häupl, Neumayer wollen alles über uns wissen, was es auch ist, das Wissen macht sie stark. http://derdreck.blogspot.co.at/

Die Kluft zwischen bürgerlichem Landleben und städtischem Wohnen ist groß, wie sich in der Debatte zwischen Tanja Wehsely (SPÖ Wien) und Asdin El Habbassi (ÖVPSalzburg) zeigte. Gerfried Sperl moderierte.
STANDARD: Was nehmen Sie beide von dieser Veranstaltung mit?
Wehsely: Die wichtigste Botschaft ist: Wir müssen Bewohnern Raum geben, wir müssen sie machen lassen. Gemeinschaft lässt sich nicht verordnen. Wir haben im Wiener Gemeindebau und in den gewerkschaftlichen Wohnbauvereinigungen eine lange Tradition mit Mieterbeiräten, Mitbestimmungsstatuten und eigenen Wohnpartnern. Aber auch da braucht es Leute, die Freude und Lust haben, diese Gemeinschaft zu unterstützen.
El Habbassi: Ich sehe die riesigen Unterschiede, wie Wohnen in Wien mit seinen Wohnblöcken diskutiert wird. Im Westen leben wir in anderen Zeiten. Bei uns denkt man darüber nach: Wie kann ich mir einmal ein Haus bauen, kann ich bei meinen Eltern anbauen, wie komme ich günstig zu einem Grund? Und was mir noch aufgefallen ist: Wir reden beim Thema neue Medien noch nicht ganz darüber, wie wir unser Leben vielleicht bestimmen könnten, etwa durch Assisted Living für ältere Menschen. Da ist noch viel mehr möglich, als wir derzeit wahrnehmen.
Wehsely: Der Mehrwert der Social Media wird auch in Wien diskutiert. Die Organisation von Nachbarschaftshilfe ist über neue Medien einfacher, günstiger und schneller. Wir glauben aber auch, dass der persönliche Kontakt keinen Ersatz ausschließlich im virtuellen Raum findet, außer es ist gewollt. Und es gibt das Recht auf Fremdheit und anonymes Wohnen.
STANDARD: Sehen Sie Unterschiede der Parteien beim Thema neue Medien? Haben manche davor Angst?
Wehsely: Nein, alle sagen, es ist leiwand.
STANDARD: Auch Überwachungskameras sind eine Form der Kommunikation. Ist das in der ÖVP umstritten?
El Habbassi: Wir reden schon über das Thema Sicherheit. Gerade bei älteren Menschen gibt es oft viel Bedarf nach mehr Überwachung und Schutz. Aber ob wir deshalb an jeder Ecke eine Kamera haben wollen, darüber müssen wir auch politisch diskutieren.
Wehsely: Es gibt auch in der SPÖ ein Für und Wider zu diesem Thema: Wie viele Kameras sind angebracht, bieten sie mehr Sicherheit oder nicht, reduzieren sie den Vandalismus im Gemeindebau? Ich bin kein Sicherheitsfreak. Aber auch bei uns gibt es Daten, die zeigen, dass etwa Sperrmüllablagerung durch Überwachungskameras reduziert wird und die Betriebskosten so entlastet werden. Wichtiger ist der Nutzen, den digitale Medien zur Stiftung von Gemeinschaft beitragen. Man hat als Bewohner ein einfaches Tool in der Hand, um sich zu organisieren, mit oder ohne Staat. Das muss auch im Gemeindebau zur Verfügung gestellt werden, etwa über die vierte Schiene der sozialen Nachhaltigkeit.
STANDARD: Und das Stichwort "Fremde oder Freunde"? Wo stehen Sie da?
El Habbassi: Da finde ich es traurig, wie in der Politik mit diesen Ängsten gespielt wird. Wir dürfen keine Feindbilder schaffen, sondern sollen das Miteinander fördern.
Wehsely: Aber gerade in Wien müssen wir in der Dichtheit der Metropole eine größere Lockerheit und mehr Toleranz miteinander zulassen. Eine Großstadt ist kein Einfamilienhaus auf dem Land.
STANDARD: Wo sind da die Unterschiede zum Land?
El Habbassi: Das Ziel ist das gleiche: Gemeinschaft und Solidarität zu schaffen. Aber die Wege, wie das erreicht werden soll, sind anders. Mir stellt es oft die Haare auf, wenn ich höre, es muss alles moderiert werden. Ich komme aus einer Gegend, wo es ganz normal ist, dass man sich grüßt und sich vorstellt, wenn man in eine Wohnung einzieht, und einmal mit einem Geschenk zu Weihnachten vorbeikommt, ohne dass es eine Moderation oder Begleitung gibt. Was wir in der ÖVP hochhalten, sind Individualität und Freiheit - das Bedürfnis, an der Gemeinschaft teilzunehmen, aber nicht strukturiert und organisiert in Vereinen und Verbänden.
STANDARD: Wirklich? Sie sind offenbar nicht beim CV.
El Habbassi: Nein ich bin nicht verbandelt. Und ich rede hier vom Wohnen.
Wehsely: Aus Wiener Sicht maße ich mir nicht an, über das Wohnen auf dem Land zu reden. Ich bin Wienerin in dritter und vierter Generation und schätze das anonyme Wohnen. Ich will meine Nachbarn im Haus nur höflich grüßen, auf der Skala von 0 bis 100 bin ich bei 15. Aber wir in der Wiener SPÖ sind für Begleitung und Strukturen, um auch in einer rasant wachsenden Metropole die Rahmenbedingungen für ein gutes Zusammenleben zu schaffen. Die Stadt Wien steht zu einem starken kommunalen Netz. Das widerspricht nicht Privatinitiativen, dem Sich-selbst-organisieren-Wollen. Das eine geht nicht ohne das andere. Die Verordnung der Gemeinschaft ist nicht möglich, aber wir brauchen möglichst viele Strukturen, die allen zugutekommen, also Hinz und Kunz und Hansi Pospischil - und nicht nur jenen, die sich in den üblichen Verbänden und Vereinen organisieren. (DER STANDARD, 26.2.2014)
Tanja Wehsely (41) ist seit ihrer Schulzeit in der Sozialdemokratie engagiert, wurde als Sozialarbeiterin und PR-Beraterin ausgebildet und ist seit 2009 stellvertretende Klubchefin der SPÖ im Wiener Gemeinderat. Sie ist verheiratet und hat einen Sohn.
Asdin El Habbassi (27) wurde in Hallein in eine Familie mit marokkanischen Wurzeln geboren, war Landesobmann der Salzburger Schülerunion und studierte Betriebswirtschaft. Er ist seit 2012 Obmann der Jungen ÖVP Salzburg und sitzt seit kurzem im Nationalrat.



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