SPÖ: „Interessierter“ Blick nach Deutschland
Auch in Wien geht es um leistbares Wohnen. Mieten haben in
Österreich und speziell in Wien Rekordhöhen erreicht
(Die Presse)
Wien. Es war
eines der wenigen Sachthemen, die im Nationalratswahlkampf diskutiert wurden:
die Frage, wie Wohnen leistbarer gemacht werden kann. Mieten haben in
Österreich und speziell in Wien Rekordhöhen erreicht, allein in den vergangenen
vier Jahren sind die Preise um 16 Prozent gestiegen.
Da kommt die Einigung auf
Mietbegrenzungen in Deutschland (siehe oben stehenden Bericht) gerade recht für
die aktuell laufenden Koalitionsverhandlungen in Wien. Man blicke
„interessiert“ nach Deutschland, meinte ein SPÖ-Mitarbeiter. Was dort
verhandelt wurde, sei eine Möglichkeit, Mieten wieder billiger zu machen. Ob in
den Verhandlungen über ähnliche Modelle gesprochen wird, wollte niemand von SPÖ
oder ÖVP sagen.
Vor
der Wahl haben beide Parteien Vorschläge für günstigeres Wohnen präsentiert.
Die ÖVP plädierte unter anderem für Gehaltschecks bei Gemeindewohnungen. Wer
die Voraussetzungen für eine Sozialwohnung nicht mehr erfüllt, soll entweder
aus dem Gemeindebau ausziehen oder eine marktübliche Miete bezahlen. Die SPÖ
lehnte diese Idee ebenso ab wie den Vorschlag, Pensionskassen in den
gemeinnützigen Wohnbau investieren zu lassen. Die Volkspartei glaubt, dass
damit ein Volumen von zwei Milliarden Euro bewegt werden könnte. Das entspricht
etwa 30.000 Wohnungen.
SPÖ will Mietobergrenze
Die
SPÖ wiederum legte sich in ihrem Wahlprogramm auf eine Deckelung der erlaubten
Zuschläge für Wohnungen mit 25 Prozent des Richtwerts fest. Etwas, was wiederum
die ÖVP ablehnte. Zudem sollen durch neue Förderprogramm 25.000 bis 50.000
zusätzliche Wohnungen entstehen. Das soll helfen, den Mietpreis zu senken.
Dass
die Mieten in Österreich so stark gestiegen sind, hat die Politik teils selbst
verschuldet. Durch den Wohnbauförderungsbeitrag nimmt der Staat jährlich fast
900 Millionen Euro ein. Früher war das Geld zweckgewidmet für den Wohnbau.
Diese Zweckwidmung wurde 2001 abgeschafft, seither können die Bundesländer die
Gelder freihändig verwenden – was sie auch intensiv machen. (rie)
("Die
Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2013)
Deutschland: Bei Mieten auf der Bremse
Schwarz-Rot greift mit Mietgrenzen in den Wohnungsmarkt ein. Die
Eigentümer drohen mit Klage gegen den „groben Unfug“.
(Die Presse)
Berlin. Luxus beim Wohnen ist
im Berliner Stadtteil Pankow verpönt und verboten. Es braucht nicht goldene
Armaturen, um den Verdacht von Beamten der Baubehörde zu erregen. Schon
Hänge-WCs gelten als suspekt und daher genehmigungspflichtig. Strafbar ist seit
heuer, bei einer Sanierung eine Fußbodenheizung, einen Kamin oder einen zweiten
Balkon einzubauen. All das ist der Initiative eines grünen Bezirksrats zu
verdanken.
Über solche Auswüchse der
Regulierungswut im Kampf gegen steigende Mieten haben die meisten deutschen
Wohnungseigentümer bis vor Kurzem noch gelächelt. Doch nun geht es ums große
Ganze in einer Großen Koalition: Die schwarz-roten Verhandler haben sich auf
ein Paket von Maßnahmen geeinigt, mit denen sie den Anstieg von Mieten in
Großstädten bekämpfen wollen. Mit der gravierendsten Forderung hat sich die SPD
durchgesetzt: Erstmals wird die Neuvermietung dem freien Markt entzogen. Der
Mietpreis darf nur noch maximal zehn Prozent über der „ortsüblichen
Vergleichsmiete“ liegen. Der dafür relevante Preisspiegel berücksichtigt zwar
eine gute Lage, der Wert liegt aber oft unter dem Marktpreis.
Vermieter zahlen Makler
Das
heißt: Vermieter müssen damit rechnen, dass sie bei einem Mieterwechsel weniger
einnehmen und ihre Kalkulation einstampfen können. Zudem wird die Möglichkeit
eingeschränkt, Bestandsmieten zu erhöhen und Mieter an Sanierungskosten zu
beteiligen. Die Maklergebühr muss künftig generell der Vermieter zahlen. Es
sind die bisher stärksten Eingriffe in den traditionell liberalen deutschen
Mietmarkt, einen der größten der Welt: 58Prozent der Deutschen wohnen zur Miete
(Österreich: 44 Prozent). Können sie sich freuen?
Der
Eigentümerverband Haus & Grund schimpft über ein „Paket groben Unfugs“ und
droht mit Klagen vor dem Verfassungsgericht. Die Maßnahmen seien „das absolut
Falsche“, weil sie Investitionen „abwürgen“ und „keinem einzigen bedürftigen
Mieter“ helfen. Andere Vertreter der Immobilienwirtschaft reagieren gelassener.
Denn im Gegenzug verspricht die künftige Regierung, die „degressive
Abschreibung“ wieder einzuführen und so Anreize zum Wohnungsbau zu schaffen.
Auch die energetische Sanierung will sie stärker fördern – wenn am Ende der
Verhandlungen noch Geld dafür da ist.
Vor
allem aber sind die Anbieter erleichtert, dass alle Maßnahmen auf Gebiete mit
„angespannter Situation“ begrenzt bleiben. Wo diese liegen, legen die Länder
fest. Hier hat sich Merkels Union durchgesetzt. Tatsächlich beschränkt sich der
durch Wahlkampf und Medien hochgespielte „Wahnsinn“ der „explodierenden
Wuchermieten“ auf wenige Großstädte: München, Hamburg, Frankfurt und nun auch
Berlin. In ihnen wiederum geht es vor allem um Szeneviertel, in denen alle
wohnen wollen. Dazu kommen kleinere Universitätsstädte wie Münster oder
Göttingen. Anderswo ist die Nachfrage schwach, in Ostdeutschland entvölkern
sich ganze Landstriche. Insgesamt steigen die Mieten weit weniger stark als in
Österreich (siehe unten).
Bremse hilft den Armen nicht
An
den begehrten Hotspots wird die Mietpreisbremse den Ärmeren kaum helfen. Im
Gegenteil: Sinken dort die Mieten, werden die Wohnungen noch stärker
nachgefragt. Aus der immer längeren Schlange suchen sich die Vermieter
weiterhin jene aus, die am meisten verdienen und deshalb am kreditwürdigsten
sind. Zudem provozieren künstlich fixierte Preise – wie die Erfahrungen mit
Richtwerten im stärker regulierten österreichischen Markt zeigen – immer deren
Umgehung. Experten rechnen mit einem grauen Markt voller Ablösen, unechter
Untermieten und Zuschläge „unter der Hand“.
Tatsächlich
entspannen wird sich die Situation in den Ballungsgebieten nur, wenn das
Angebot steigt. In den letzten 15 Jahren wurde dort viel zu wenig gebaut, auch
weil die künftige Nachfrage unterschätzt wurde. Hier kann die öffentliche Hand
steuern. Die Stadt Hamburg etwa verkauft Grundstücke gezielt an Bauträger, die
einen Mindestanteil an günstigen Wohnungen und damit soziale Durchmischung
garantieren. Solche Politik braucht freilich Zeit – und hat nicht die plakative
Symbolik einer „Mietpreisbremse“.
("Die
Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2013)
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