Von Jänner 2007 bis Jänner 2017 war sie als Wiener Stadträtin für Gesundheit und Soziales zuständig – damit auch für die Behindertenpolitik. Ein Kommentar.
„Die Stadträtin für Gesundheit und Soziales, Sonja Wehsely, scheidet nach zehn Jahren in der Wiener Stadtregierung aus der Politik aus“, ist auf der
Seite der Stadt Wien zu lesen.
„Im Mittelpunkt meiner Arbeit als Gesundheits- und Sozialstadträtin stand zehn Jahre lang der Einsatz für eine Stadt, die für alle da ist, unabhängig von Einkommen, Herkunft oder Geschlecht. Mehr Chancengleichheit auf allen Ebenen und ein solidarisches Gesundheits- und Sozialsystem, auf das sich die Menschen verlassen können, waren immer Kernelemente meiner politischen Motivation“,
zieht Sonja Wehsely – laut stadteigenem Pressedienst – Bilanz.
Vergleich Sonja Wehsely vs. Grete Laska
Wenn man Sonja Wehsely mit
Grete Laska vergleicht, die ebenfalls so eine lange Spanne für die Behindertenpolitik zuständig gewesen ist, wird klar, dass sich die Umgangsweise mit Behindertenpolitik nur anfangs von einander unterschied. (Das kurze Intermezzo von Renate Brauner als Sozialstadträtin blenden wir einmal aus, weil es hier nichts zur Sache tut).
Hier einige exemplarisch ausgewählte Beispiele:
Am Anfang ihrer Zeit als Sozialstadträtin lag das Gefühl in der Luft, dass Wien endlich eine modernere Behindertenpolitik bekommen könnte. Auch wenn die Umsetzung einer so tiefgreifenden Änderung wie die Übernahme der Agenden der MA 12 durch den FSW dauerte, war diese Phase rückblickend erfolgreich.
Chancengleichheitsgesetz Wien
Der Stadträtin war es wichtig, so lange zu verhandeln, bis ein Kompromiss herauskam, den alle Verhandlungspartner mittragen wollten.
Und dies geschah auch so. Wien blieb – im Gegensatz zu anderen Bundesländern wie OÖ oder Kärnten – erspart, dass ein Gesetz gegen den Willen der Betroffenen verabschiedet wurde.
Erstmals gab es normierte Leistungen wie Gebärdensprachdolmetschung, Beratung oder Persönliche Assistenz im zuständigen Landesgesetz. Die
Pflegegeldergänzungsleistung für Persönliche Assistenz brachte zwar noch nicht für alle Menschen mit Behinderung die Möglichkeit, Persönliche Assistenz zu bekommen, aber die Behindertenbewegung in Wien sah dies als mutigen Schritt in die erhoffte Richtung. Auf jeden Fall ausbaufähig.
UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen als Basis?
Dieser Wunsch ging so nie in Erfüllung. Das Gesetz war zwar ein Fortschritt, aber bewusst noch immer ein Konvolut von Leistungen bzw. Bestimmungen, auf die man meist keine Rechtsansprüche hat bzw. die so allgemein gefasst sind, dass es dem
Gutdünken des FSW obliegt, was er davon im Rahmen von Richtlinien umsetzen will und wie er es ausgestaltet.
Dieser Entwicklung sah Sozialstadträtin Sonja Wehsely tatenlos zu. Im Laufe der Jahre wurde ihre Passivität und der Mangel an Gestaltungswillen immer unerträglicher.
Es verwundert daher nicht, dass sogar sie selbst unter den 10 erfolgreichen Projekten ihrer Amtszeit nur eines aus dem Behindertenbereich angab. Nämlich das gut gemeinte, aber in der Praxis mangelhafte Wiener Chancengleichheitsgesetz.
Wie die UN-Konvention umsetzen?
Auch wenn es rational schwer nachvollziehbar ist, es ist leider ein Faktum. Die Wiener Landesregierung war lange Zeit gegen einen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, zu deren Umsetzung Wien seit 2008 verpflichtet ist. Alle diesbezüglichen Anträge wurden im Landtag von den Regierungsparteien
niedergestimmt.
Erst im November 2011 erteilte Wehsely – allerdings nicht in ihrer Funktion als Sozialstadträtin sondern bewusst in der Funktion als Präsidentin des Dachverbands der Wiener Sozialeinrichtungen – den Auftrag, Arbeitsgruppen zu gründen.
Diese liefen unter dem Projekttitel
UN-Gleichheit für alle und zeigten auf, was Sonja Wehsely zumindest in ihrem Verantwortungsbereich ändern könnte, damit die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen umgesetzt wird.
Die umfangreichen Arbeiten mündeten 2014 in einen Endbericht. Doch da war es schon längst zu spät. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Sozialstadträtin Sonja Wehsely bereits jedes Interesse an Behindertenpolitik verloren. Es verwundert daher auch nicht, dass keinerlei Entscheidungen mehr getroffen wurden und der gute Bericht mit Umsetzungsideen
in der Schublade verschwand.
Wehsely und ihre Untätigkeit
Um das Vakuum der stadträtlichen Untätigkeit zumindest ein wenig zu füllen und die letzten Jahre der Untätigkeit bei der Umsetzung der UN-Konvention zu kaschieren, setzte der FSW 2016 nochmals zur Erarbeitung einer Umsetzungsstrategie der UN-Konvention an. Dieses Mal unter dem Namen „
Wiener Wege zur Inklusion“.
Außer ein paar salbungsvollen Worten steuerte Sonja Wehsely diesem Prozess nichts mehr bei. Zu diesem Zeitpunkt war schon klar: Die Behindertenpolitik der Stadträtin ist nicht mehr existent. Auch ihr Büro praktizierte diese Wagenburg-Strategie: Zu Behindertenpolitik wird nichts gesagt und gleich direkt an den FSW verwiesen.
Der Abschied
Nicht nur der Rechnungshof, auch die gesamte Opposition – hinter den Kulissen sogar die eigenen Leute – begannen ihren Unmut zu äußern. Dazu kam noch massiver Gegenwind der Opposition und der Medien, was ihre Positionen in der Sozialpolitik (Stichwort Mindestsicherung) betraf.
Fazit
Sonja Wehsely prägte über ein Jahrzehnt die Sozialpolitik dieser Stadt und hat Spuren hinterlassen. Sie startete engagiert und durchaus mit Elan. Die letzten 3 bis 4 Jahre trübte sich ihre politische Karriere aufgrund einer Reihe von fragwürdigen Entscheidungen und fand nun ein unrühmliches Ende. Wenn es ein wenig anders gelaufen wäre, hätte sie
vielleicht sogar Bürgermeisterin werden können.
Wir können nur hoffen, dass sie stark genug ist um die Herausforderungen anzunehmen und zu bewältigen und nicht in einer von Wehsely hinterlassenen Baustelle verschwindet. Oder – Gott bewahre – sich darin das politische Genick bricht.