Laut
einer neuen Studie sind Mieter, die in Gemeindebauten wohnen,
tendenziell ärmer als Personen, die ihre Verträge am freien Markt
abgeschlossen haben.
Der
Unterschied ist nur marginal – vor allem in Wien, wo jeder vierte
Haushalt in einer Gemeindewohnung lebt. Das geht aus einer aktuellen
Studie hervor. Auch Personen mit höherem Einkommen profitieren vom
kommunalen Angebot.
Man
muss die Dinge auf den Punkt bringen, gerade wenn der Wiener
Wohnbaustadtrat Michael Ludwig lang am Thema vorbei presseaussendet.
Also: Laut einer am Dienstag publizierten Studie erweist sich der
Wiener Gemeindebau als sozial nicht (nicht!) treffsicher. Und die
Bruttomiete erscheint den Studienautoren wegen der Abgabenbelastung
der Wiener (Wiener!) Regierung relativ hoch.
Es
mutet realitätsfern an, wenn Ludwig als Reaktion auf die Reaktion
der Stadt ÖVP dieser nun „neoliberale Klientelpolitik für Reiche“
vorwirft. Steht der sonst als eher besonnen geltende Stadtrat bereits
so stark unter Druck mancher SPÖ-Kolleginnen, dass er in seiner Not
beweisen muss, zu linkem Sektionsjargon sehr wohl fähig zu sein?
Oder versucht er, einen Mangel an Argumenten zu verdecken? Denn die
Erkenntnisse müssen für das rote Wien, das immer mehr blaue Flecken
bekommt, ernüchternd sein. Es soll jeder Partei unbenommen bleiben,
das Festhalten am Gemeindebau und an allen bestehenden Regeln für
den Zugang gleichsam zur Ideologie zu erheben. Nur die Gesetze des
Marktes und der Logik lassen sich dadurch definitiv nicht aufheben.
Was das mit Neoliberalismus zu tun hat? Nichts.
Wien sticht aus Studie hervor
Die
Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung (GAW) Innsbruck hat
gemeinsam mit Viktor Steiner von der Freien Universität Berlin das
Thema “soziale Treffsicherheit” in Gemeindewohnungen beleuchtet.
Denn die Wohnform wird, so lautet jedenfalls eine immer wieder
geäußerte Kritik, oft auch von nicht bedürftigen Personen in
Anspruch genommen. Untersucht wurde nun, wie treffsicher der Vorwurf
ist.
Tatsächlich,
so heißt es, ist nur ein relativ kleiner Anteil der in
Gemeindewohnungen lebenden Haushalte einkommensarm. Das betrifft
sowohl Wien als auch die anderen Bundesländer. Zwar ist die
Armutsquote der Bewohner insgesamt höher, der Unterschied zur
Gruppe, die über keine Gemeindebau-Bleibe verfügen, ist aber
relativ gering.
Hier
sticht Wien durchaus hervor: 17,7 Prozent außerhalb des Gemeindebaus
leben unter der Armutsquote (herangezogen wurde der Wert von 2013,
konkret 13.200 Euro Jahresnettoeinkommen, Anm.), 23,8 Prozent beträgt
der Anteil bei den Mietern der Stadt. Sprich: Die Situation ist in
beiden Bereichen also durchaus ähnlich.
Kluft in Restösterreich
In
den anderen Bundesländern ist die Kluft größer. Nur 13,2 Prozent
der Personen ohne Gemeindewohnung sind arm, 22,7 Prozent Betroffene
gibt es hingegen im Gemeindebau. Die insgesamt relativ hohe Wiener
Gesamt-Armutsquote (19,2 Prozent, andere Bundesländer: 13,5 Prozent,
Anm.) wird übrigens auch nicht wirklich abgebildet: “Bezogen auf
die hohe Wiener Armutsquote ist der Anteil der in Gemeindewohnungen
lebenden Armen in Wien relativ gering.”
Die
Wahrscheinlichkeit, dass ein Haushalt über eine Gemeindewohnung
verfügt, ist bei bescheidenem Gesamteinkommen zwar am höchsten. In
Wien sind aber auch die besseren Einkommensschichten vertreten. Dort
verfügen durchaus auch Personen mit einem Nettoeinkommen von 50.000
Euro über eine Gemeindewohnung – von denen es aber auch sehr viele
gibt. Immerhin jeder vierte Haushalt wohnt in Objekten der Kommune.
In den übrigen Bundesländern beträgt dieser Anteil nur drei
Prozent.
Die
hohe Anzahl beschert den Wienern eine niedrigere mittlere Nettomiete
(also Median-, nicht Durchschnittsmiete, Anm.) als den übrigen
Ländern. Interessantes Detail: Bei der Bruttomiete, also dem Entgelt
plus Betriebskosten, ist die Differenz deutlich geringer, “da die
Betriebskosten in den Wiener Gemeindewohnungen relativ hoch sind”,
wie konstatiert wird.
ÖVP fordert Anpassung der Mieten
Kunden
des sozialen Wohnbaus – wobei der Genossenschaftsbereich
ausgeklammert wurde – müssen rund 23 Prozent ihres Einkommens für
die Miete aufwenden. Damit fahren sie erwartungsgemäß relativ
günstig. Die Mietbelastung liegt ca. 4 Prozentpunkte (Wien) bzw. 5
Prozentpunkte (übrige Bundesländer) unter jener bei anderen
Wohnformen.
Als
Fazit wird die Gerechtigkeitsfrage eher verneint: “Werden
Sozialwohnungen danach beurteilt, ob überwiegend ärmere Haushalte
begünstigt werden, erfüllen diese weder in Wien noch im
Durchschnitt der anderen Bundesländer das Kriterium der sozialen
Treffsicherheit.” Aber, so wird angemerkt, es gebe natürlich
andere politische Begründungen für den sozialen Wohnbau –
“fraglich ist jedoch, ob die nicht effizienter und
verteilungspolitisch effektiver zu erreichen wären”, heißt es.
In
Wien ist es vor allem die ÖVP, die eine Anpassung von
Gemeindebaumieten bei steigendem Einkommen fordert. Die SPÖ lehnt
hingegen ab, Mieter nach Lohnerhöhungen zur Kasse zu bitten.
Verwiesen wird vor allem auf die soziale Durchmischung, die durch die
unterschiedlichen Einkommensschichten gewährleistet sei, wie
versichert wird.
Hier
sei Handlungsbedarf gegeben, befanden VP-Landeschef Gernot Blümel
und Rathaus-Klubobmann Manfred Juraczka in einer Aussendung.
Die
Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung (GAW) Innsbruck hat
sich gemeinsam mit Viktor Steiner von der Freien Universität Berlin
des Themas angenommen. Denn die Wohnform wird, so lautet jedenfalls
eine immer wieder geäußerte Kritik, oft auch von nicht bedürftigen
Personen in Anspruch genommen. Untersucht wurde nun, wie treffsicher
der Vorwurf ist.
ÖVP fordert “Gehaltscheck”
Die
ÖVP Wien weise bereits seit Jahren darauf hin, dass in diesem
bestehenden System “soziale Treffsicherheit und Fairness
Fremdwörter darstellen”, hieß es. Anstatt hier Reformen anzugehen
und die Vorschläge der ÖVP aufzugreifen, verharre die SPÖ in ihrem
“Scheuklappendenken”. Das aktuelle Haushaltseinkommen müsse in
periodischen Abständen überprüft werden und davon müsse auch
abhängig gemacht werden, ob und unter welchen Voraussetzungen Leute
weiter im Gemeindebau bleiben könnten.
Liegt
das Einkommen über der zulässigen Grenze, soll der Mieter nach
Ansicht der ÖVP drei Optionen haben: eine Anpassung der Miete an
marktübliche Konditionen, die Möglichkeit, die Wohnung käuflich zu
erwerben oder der Auszug aus der Wohnung, um diese “wirklich sozial
Bedürftigen” zur Verfügung zu stellen. Die im Rahmen einer
Höhervermietung bzw. eines Verkaufes entstehenden Mehreinnahmen
sollten im Rahmen einer Bauoffensive dem geförderten Wohnbau
zugutekommen, schlagen die Stadt-Schwarzen vor.
NEOS für “Einkommensmonitoring”
Auch
die Wiener NEOS sprechen sich dafür aus, Mieter von Gemeindebauten
bei steigendem Einkommen höhere Entgelte abzuverlangen. Die
Kontrolle solle mittels Einkommensmonitoring durchgeführt werden,
empfahl der Wiener NEOS-Stadtentwicklungssprecher Stefan Gara
angesichts der jüngsten von der GAW Innsbruck bzw. der Freien
Universität Berlin erhobenen Zahlen. Es sei den NEOS ein großes
Anliegen, dass die soziale Durchmischung im Gemeindebau erhalten
bleibe, beteuerte Gara in einer Aussendung.
Die
Studie hat nach Ansicht der Rathaus-Pinken jedoch klar gezeigt, dass
keine soziale Treffsicherheit vorliegt.Damit Wohnen in Wien “leistbar
bleibt”, sprechen sich die NEOS für ein Einkommensmonitoring aus:
Wer als junger Mensch in den Gemeindebau eingezogen ist, soll dort
bleiben können, auch wenn er oder sie später sehr gut verdient.
Allerdings sollten die Mieten in “sozial verträglichem Ausmaß”
an steigende Einkommen angepasst werden, hieß es. “Somit bleibt
die soziale Durchmischung erhalten, ohne dass Spitzenverdiener zum
Sozialtarif im Gemeindebau wohnen”, betonte Gara.
Studie sorgt für Aufregung
Auch
er forderte – wie zuvor die Volkspartei – eine Zweckwidmung der
Mehrerträge: “Die zusätzlichen Mittel müssen wieder in den Bau
von Gemeindewohnungen fließen und nicht zum Stopfen des Budgetlochs
verwendet werden.” Ein “besonderes Anliegen” sei den NEOS auch
die Vergabe von Gemeindewohnungen: “Sie muss endlich transparent
ablaufen. Es braucht objektive und transparente Kriterien, die die
Lebensrealität der jungen Menschen berücksichtigen. Derzeit ist es
leider immer noch so, dass viele Wohnungen dank persönlicher
Beziehungen und nicht aufgrund sozialer Bedürftigkeit vergeben
werden”, beklagte Gara.
Der
Wiener Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) will Gemeindewohnungen
keinesfalls verkaufen – und auch die Einkommensverhältnisse der
Mieter nicht laufend prüfen. Entsprechenden Vorschläge der ÖVP
bzw. der NEOS hat er eine klare Absage erteilt. “Wir wollen
sozialen Aufstieg erleichtern und nicht bestrafen”, schwor der
Ressortchef in einer Aussendung.”Eine Privatisierung der
Gemeindebauten kommt für mich auf keinen Fall infrage. Die erneut
erhobene Forderung, Gemeindewohnungen zu verkaufen und damit den
kommunalen Wohnungsbestand zu privatisieren, lehne ich – so wie
auch die überwältigende Mehrheit der Wienerinnen und Wiener –
dezidiert ab”, stellte Ludwig klar.
Wohnbaustadtrat strikt gegen Einkommenscheck
Er
verwies darauf, dass das Haushaltseinkommen stets ein wesentliches
Kriterium bei der Vergabe sei. Ein regelmäßiger “Gehaltscheck”
würde aber jeglichem – “ebenfalls von der ÖVP regelmäßig
strapazierten” – Leistungsgedanken widersprechen, zeigte sich der
Wohnbaustadtrat überzeugt. Außerdem würde das Modell der ÖVP Wien
nur der privaten Immobilienwirtschaft in die Hände spielen und
jegliche soziale Durchmischung unterlaufen.
Außerdem,
so warnte Ludwig, wären von der Überprüfung mehr als 80 Prozent
der Bevölkerung betroffen, da auch der Genossenschaftsbereich oder
sogar geförderte Eigentumswohnungen herangezogen werden müssten:
Wie sich der damit erzwungene administrative Aufwand rechnen soll,
werde von der ÖVP aber bis heute nicht beantwortet. Von einer
Privatisierung der Gemeindebauten würden weiters in erster Linie
Immobilien- und Hauseigentümer profitieren, befand er.
Wichtig
sei hier jedenfalls die Durchmischung, stellte Ludwig klar.
Siedlungen nur für Arme oder Reiche lehne man ab: “Der Gemeindebau
soll auch für den Mittelstand attraktiv bleiben.”
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