Durch
eine Gesetzesänderung sollen Ermittler in Österreich verschlüsselte
Kommunikation mit vom Staat gekaufter Spionagesoftware überwachen
dürfen. Das Gesetz und die Kritik.
„Es
gibt keinen Bundestrojaner“, hieß es dieser Tage seitens des
Justizministeriums. Weil: „Der mit der SPÖ akkordierte
Gesetzesentwurf enthält keine Überwachungsmöglichkeit durch
Eindringen von Computersystemen von außen mittels Spionagesoftware
und Internetüberwachung“, wie Justizminister Wolfgang
Brandstetter gegenüber dem Kurier klarstellte.
Ob Staatstrojaner oder nicht, das sei ganz klar eine
Definitionsfrage, die man „besser denn Juristen überlassen
sollte“, wie es auf Anfrage der futurezone aus dem
Justizministerium heißt.
Fix
ist Folgendes: Österreich plant eine
staatliche Überwachungssoftware, die eigens für den Zweck der
Online-Durchsuchung angeschafft und für die der Bund jährlich hohe
Lizenzgebühren zahlen wird. Die Pläne für diese gezielte
Online-Durchsuchung liegen seit Monaten in der Schublade. Nach dem
jüngsten Terroranschlag in Brüssel wurden sie nun unter dem
Deckmantel der Aufklärung von Terrorismus wieder aufgegriffen und
sollen nun noch diese Woche in Begutachtung gehen. Dazu muss unter
anderem die Strafprozessordnung geändert werden.
Das steht im Gesetzesentwurf
Im
Gesetzesentwurf, der der futurezone vorliegt, ist konkret die Rede
von der „Überwachung von Nachrichten und von Personen sowie
Überwachung von Nachrichten, die im Wege eines Computersystems
übermittelt werden“.
„Im
Einzelfall“ sollen durch diese Maßnahme Kommunikationsinhalte auf
dem Computersystem noch vor einer eventuellen Verschlüsselung bzw.
nach einer allfälligen Entschlüsselung überwacht und die
Kommunikationspartner der Person, gegen die sich die Überwachung
richtet, und somit gegebenenfalls auch Mittäter identifiziert
werden können. Die Ermittlung von sonst auf dem Computersystem
gespeicherten Daten soll ausdrücklich nicht erfasst sein.
"Online-Wanze"
Wenn
die Software technisch sauber umgesetzt werden sollte und nicht in
der Lage ist, das Endgerät zu durchsuchen, wäre sie meiner Ansicht
nach kein Trojaner, sondern mehr eine ‚Online-Wanze‘. Es bleibt
aber die berühmte Pfote im Honigtopf“, sagt Maximilian Schubert,
Generalsekretär des Verbands der Internet Service Provider (ISPA),
gegenüber der futurezone.
Juristen
der Bürgerrechtsorganisation AK
Vorrat sehen
das so: „Justizminister Brandstetter bemüht sich zwar, der
geplanten Überwachungssoftware einen anderen Namen zu geben, aber
von Behörden auf fremden Rechnern eingeschleuste Software, die
Daten an sie liefert, ist und bleibt ein Trojaner.“
Hausdurchsuchungen
Der
Vorschlag sieht vor, dass die Regelungen über die Überwachung von
Nachrichten, die im Wege eines Computersystems übermittelt werden,
bei Vorliegen eines dringenden Verdachts der Begehung schwerster
Straftaten zur Anwendung gelangen – und zwar nach richterlicher
Anordnung.
„Soweit
dies zur Durchführung der Ermittlungsmaßnahme unumgänglich ist,
ist es zulässig, in eine bestimmte Wohnung oder in andere durch das
Hausrecht geschützte Räume einzudringen, Behältnisse zu
durchsuchen und spezifische Sicherheitsvorkehrungen zu überwinden,
um auf das Computersystem zuzugreifen“, heißt es im
Gesetzesentwurf.
Scharfe Kritik
Doch
schon bevor nun der öffentliche Begutachtungsprozess zum
Gesetzesentwurf startet, gibt es massive Kritik an den Plänen des
Justizministeriums.
„Technisch
versierte Menschen können sehr einfach erkennen, dass
Spionagesoftware Daten von ihrem Rechner ausleitet und ihr Verhalten
entsprechend anpassen. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden,
dass die Software manipuliert wird oder später neue Befehle erhält,
was die Verwertung der Überwachungsergebnisse als Beweismittel vor
große Probleme stellt“, lauten die Argumente seitens des
AKVorrat. So könne vor allem die Installation auf Produktivsysteme
auch lebensgefährdend sein, so der AK Vorrat. „Ein
Programmierfehler in Smart Cars könnte etwa Verkehrsunfälle
auslösen.“
Internet der Dinge-Überwachung
Diese
Annahme geht auf die sehr schwammige Definition von
„Computersystemen“ im Gesetzesentwurf zurück. Künftig könnte
nämlich auch die smarte Waschmaschine oder das Connected Car auf
diesem Weg überwacht werden, weil die neue Ermittlungsmaßnahme
nicht nur den klassischen Computerbegriff (Desktop-PC,
Notebook) erfasst, sondern auch andere
Geräte, die eine Internetverbindung
ermöglichen (z.B. Smartphones, Tablets, Spielekonsolen) - also auch
das "Internet der Dinge". „Theoretisch könnte man damit
auch die Kommunikation des Fitnessarmbands beobachten, und etwa, ob
sich eine bestimmte Zielperson gerade bewegt hat“, meint Schubert
von der ISPA dazu.
"Wie mit Feen und Einhörnern"
Einmal
mehr ist – ähnlich wie beim Staatsschutzgesetz – der
„Rechtsschutzbeauftragte“ für die Kontrolle zuständig, ob die
Software rechtmäßig eingesetzt wird. "Dem
Rechtsschutzbeauftragten ist jederzeit Gelegenheit zu geben, sich
von der Durchführung der Ermittlungsmaßnahme einen persönlichen
Eindruck zu verschaffen“, heißt es im Erläuterungstext zum
Gesetzesentwurf.
„Das
ist wie mit Feen und Einhörnern: Entweder man glaubt dran, oder
nicht. Einziges Lebenszeichen in den letzten Jahren war der
Rechtsschutzbeauftragte des BMJ, der einmal im Bereich der
Funkzellenüberwachung aktiv geworden ist“, sagt Schubert dazu.
"Macht uns nicht sicherer"
Kritik
gibt es auch an dem Einsatz von staatlicher Überwachungssoftware
per se und nicht nur Gesetzesentwurf: „Man gibt den Menschen immer
den Ratschlag, auf ihren Systemen Sicherheitsupdates durchzuführen.
Eine staatliche Überwachungssoftware könnte dagegen für
Anti-Viren-Hersteller problematisch werden, etwa, wenn sie derartige
Sicherheitsupdates zurückhalten müssten, damit diese
Überwachungssoftware nicht auffliegt“, ergänzt Schubert.
Auch
der AK Vorrat hält staatliche Überwachungssoftware „für eine
ganz schlechte Idee“. "Wenn der Staat sich am Schwarzmarkt für
Sicherheitslücken bedient, um die eigene Bevölkerung zu überwachen,
dann macht uns das alle nicht sicherer“, so Tom Lohninger vom AK
Vorrat.
Gefahr der Ausweitung
Einmal
mehr besteht seitens der Experten folgende Befürchtung: „Es
besteht natürlich immer die Gefahr, dass die technischen
Möglichkeiten, ähnlich wie bei der Vorratsdatenspeicherung, nicht
nur für schwere Straftaten herangezogen werden“ , warnt Schubert.
Bei der Vorratsdatenspeicherung war das Gesetz im Zuge des
parlamentarischen Prozesses so aufgeweicht worden, dass am Ende auch
ein Zugriff bei Delikten wie Stalking möglich war, bevor das Gesetz
vom Verfassungsgerichtshof gekippt wurde.
Der
Providerverband ISPA war bereits im Jahr 2007 in Arbeitsgruppen
vertreten, als das Justizministerium erstmals über die Einführung
eines Staatstrojaners nachgedacht hatte. Damals kam man zu dem
Schluss, dass eine derartige Maßnahme nicht zulässig sei. Der
AK Vorrat empfiehlt, den Gesetzesvorschlag zurückzunehmen und in
Österreich statt staatlicher Überwachungssoftware „ausreichende
gelindere Mittel“ einzusetzen.
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