Dienstag, 22. März 2016

Wie arm sind die Wiener Wohnen - Mieter?

Laut einer neuen Studie sind Mieter, die in Gemeindebauten wohnen, tendenziell ärmer als Personen, die ihre Verträge am freien Markt abgeschlossen haben.
Der Unterschied ist nur marginal – vor allem in Wien, wo jeder vierte Haushalt in einer Gemeindewohnung lebt. Das geht aus einer aktuellen Studie hervor. Auch Personen mit höherem Einkommen profitieren vom kommunalen Angebot.
Man muss die Dinge auf den Punkt bringen, gerade wenn der Wiener Wohnbaustadtrat Michael Ludwig lang am Thema vorbei presseaussendet. Also: Laut einer am Dienstag publizierten Studie erweist sich der Wiener Gemeindebau als sozial nicht (nicht!) treffsicher. Und die Bruttomiete erscheint den Studienautoren wegen der Abgabenbelastung der Wiener (Wiener!) Regierung relativ hoch.
Es mutet realitätsfern an, wenn Ludwig als Reaktion auf die Reaktion der Stadt ÖVP dieser nun „neoliberale Klientelpolitik für Reiche“ vorwirft. Steht der sonst als eher besonnen geltende Stadtrat bereits so stark unter Druck mancher SPÖ-Kolleginnen, dass er in seiner Not beweisen muss, zu linkem Sektionsjargon sehr wohl fähig zu sein? Oder versucht er, einen Mangel an Argumenten zu verdecken? Denn die Erkenntnisse müssen für das rote Wien, das immer mehr blaue Flecken bekommt, ernüchternd sein. Es soll jeder Partei unbenommen bleiben, das Festhalten am Gemeindebau und an allen bestehenden Regeln für den Zugang gleichsam zur Ideologie zu erheben. Nur die Gesetze des Marktes und der Logik lassen sich dadurch definitiv nicht aufheben. Was das mit Neoliberalismus zu tun hat? Nichts.


Wien sticht aus Studie hervor

Die Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung (GAW) Innsbruck hat gemeinsam mit Viktor Steiner von der Freien Universität Berlin das Thema “soziale Treffsicherheit” in Gemeindewohnungen beleuchtet. Denn die Wohnform wird, so lautet jedenfalls eine immer wieder geäußerte Kritik, oft auch von nicht bedürftigen Personen in Anspruch genommen. Untersucht wurde nun, wie treffsicher der Vorwurf ist.
Tatsächlich, so heißt es, ist nur ein relativ kleiner Anteil der in Gemeindewohnungen lebenden Haushalte einkommensarm. Das betrifft sowohl Wien als auch die anderen Bundesländer. Zwar ist die Armutsquote der Bewohner insgesamt höher, der Unterschied zur Gruppe, die über keine Gemeindebau-Bleibe verfügen, ist aber relativ gering.
Hier sticht Wien durchaus hervor: 17,7 Prozent außerhalb des Gemeindebaus leben unter der Armutsquote (herangezogen wurde der Wert von 2013, konkret 13.200 Euro Jahresnettoeinkommen, Anm.), 23,8 Prozent beträgt der Anteil bei den Mietern der Stadt. Sprich: Die Situation ist in beiden Bereichen also durchaus ähnlich.

Kluft in Restösterreich

In den anderen Bundesländern ist die Kluft größer. Nur 13,2 Prozent der Personen ohne Gemeindewohnung sind arm, 22,7 Prozent Betroffene gibt es hingegen im Gemeindebau. Die insgesamt relativ hohe Wiener Gesamt-Armutsquote (19,2 Prozent, andere Bundesländer: 13,5 Prozent, Anm.) wird übrigens auch nicht wirklich abgebildet: “Bezogen auf die hohe Wiener Armutsquote ist der Anteil der in Gemeindewohnungen lebenden Armen in Wien relativ gering.”
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Haushalt über eine Gemeindewohnung verfügt, ist bei bescheidenem Gesamteinkommen zwar am höchsten. In Wien sind aber auch die besseren Einkommensschichten vertreten. Dort verfügen durchaus auch Personen mit einem Nettoeinkommen von 50.000 Euro über eine Gemeindewohnung – von denen es aber auch sehr viele gibt. Immerhin jeder vierte Haushalt wohnt in Objekten der Kommune. In den übrigen Bundesländern beträgt dieser Anteil nur drei Prozent.
Die hohe Anzahl beschert den Wienern eine niedrigere mittlere Nettomiete (also Median-, nicht Durchschnittsmiete, Anm.) als den übrigen Ländern. Interessantes Detail: Bei der Bruttomiete, also dem Entgelt plus Betriebskosten, ist die Differenz deutlich geringer, “da die Betriebskosten in den Wiener Gemeindewohnungen relativ hoch sind”, wie konstatiert wird.

ÖVP fordert Anpassung der Mieten

Kunden des sozialen Wohnbaus – wobei der Genossenschaftsbereich ausgeklammert wurde – müssen rund 23 Prozent ihres Einkommens für die Miete aufwenden. Damit fahren sie erwartungsgemäß relativ günstig. Die Mietbelastung liegt ca. 4 Prozentpunkte (Wien) bzw. 5 Prozentpunkte (übrige Bundesländer) unter jener bei anderen Wohnformen.
Als Fazit wird die Gerechtigkeitsfrage eher verneint: “Werden Sozialwohnungen danach beurteilt, ob überwiegend ärmere Haushalte begünstigt werden, erfüllen diese weder in Wien noch im Durchschnitt der anderen Bundesländer das Kriterium der sozialen Treffsicherheit.” Aber, so wird angemerkt, es gebe natürlich andere politische Begründungen für den sozialen Wohnbau – “fraglich ist jedoch, ob die nicht effizienter und verteilungspolitisch effektiver zu erreichen wären”, heißt es.
In Wien ist es vor allem die ÖVP, die eine Anpassung von Gemeindebaumieten bei steigendem Einkommen fordert. Die SPÖ lehnt hingegen ab, Mieter nach Lohnerhöhungen zur Kasse zu bitten. Verwiesen wird vor allem auf die soziale Durchmischung, die durch die unterschiedlichen Einkommensschichten gewährleistet sei, wie versichert wird.
Hier sei Handlungsbedarf gegeben, befanden VP-Landeschef Gernot Blümel und Rathaus-Klubobmann Manfred Juraczka in einer Aussendung.
Die Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung (GAW) Innsbruck hat sich gemeinsam mit Viktor Steiner von der Freien Universität Berlin des Themas angenommen. Denn die Wohnform wird, so lautet jedenfalls eine immer wieder geäußerte Kritik, oft auch von nicht bedürftigen Personen in Anspruch genommen. Untersucht wurde nun, wie treffsicher der Vorwurf ist.

ÖVP fordert “Gehaltscheck”

Die ÖVP Wien weise bereits seit Jahren darauf hin, dass in diesem bestehenden System “soziale Treffsicherheit und Fairness Fremdwörter darstellen”, hieß es. Anstatt hier Reformen anzugehen und die Vorschläge der ÖVP aufzugreifen, verharre die SPÖ in ihrem “Scheuklappendenken”. Das aktuelle Haushaltseinkommen müsse in periodischen Abständen überprüft werden und davon müsse auch abhängig gemacht werden, ob und unter welchen Voraussetzungen Leute weiter im Gemeindebau bleiben könnten.
Liegt das Einkommen über der zulässigen Grenze, soll der Mieter nach Ansicht der ÖVP drei Optionen haben: eine Anpassung der Miete an marktübliche Konditionen, die Möglichkeit, die Wohnung käuflich zu erwerben oder der Auszug aus der Wohnung, um diese “wirklich sozial Bedürftigen” zur Verfügung zu stellen. Die im Rahmen einer Höhervermietung bzw. eines Verkaufes entstehenden Mehreinnahmen sollten im Rahmen einer Bauoffensive dem geförderten Wohnbau zugutekommen, schlagen die Stadt-Schwarzen vor.

NEOS für “Einkommensmonitoring”

Auch die Wiener NEOS sprechen sich dafür aus, Mieter von Gemeindebauten bei steigendem Einkommen höhere Entgelte abzuverlangen. Die Kontrolle solle mittels Einkommensmonitoring durchgeführt werden, empfahl der Wiener NEOS-Stadtentwicklungssprecher Stefan Gara angesichts der jüngsten von der GAW Innsbruck bzw. der Freien Universität Berlin erhobenen Zahlen. Es sei den NEOS ein großes Anliegen, dass die soziale Durchmischung im Gemeindebau erhalten bleibe, beteuerte Gara in einer Aussendung.
Die Studie hat nach Ansicht der Rathaus-Pinken jedoch klar gezeigt, dass keine soziale Treffsicherheit vorliegt.Damit Wohnen in Wien “leistbar bleibt”, sprechen sich die NEOS für ein Einkommensmonitoring aus: Wer als junger Mensch in den Gemeindebau eingezogen ist, soll dort bleiben können, auch wenn er oder sie später sehr gut verdient. Allerdings sollten die Mieten in “sozial verträglichem Ausmaß” an steigende Einkommen angepasst werden, hieß es. “Somit bleibt die soziale Durchmischung erhalten, ohne dass Spitzenverdiener zum Sozialtarif im Gemeindebau wohnen”, betonte Gara.

Studie sorgt für Aufregung

Auch er forderte – wie zuvor die Volkspartei – eine Zweckwidmung der Mehrerträge: “Die zusätzlichen Mittel müssen wieder in den Bau von Gemeindewohnungen fließen und nicht zum Stopfen des Budgetlochs verwendet werden.” Ein “besonderes Anliegen” sei den NEOS auch die Vergabe von Gemeindewohnungen: “Sie muss endlich transparent ablaufen. Es braucht objektive und transparente Kriterien, die die Lebensrealität der jungen Menschen berücksichtigen. Derzeit ist es leider immer noch so, dass viele Wohnungen dank persönlicher Beziehungen und nicht aufgrund sozialer Bedürftigkeit vergeben werden”, beklagte Gara.
Der Wiener Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) will Gemeindewohnungen keinesfalls verkaufen – und auch die Einkommensverhältnisse der Mieter nicht laufend prüfen. Entsprechenden Vorschläge der ÖVP bzw. der NEOS hat er eine klare Absage erteilt. “Wir wollen sozialen Aufstieg erleichtern und nicht bestrafen”, schwor der Ressortchef in einer Aussendung.”Eine Privatisierung der Gemeindebauten kommt für mich auf keinen Fall infrage. Die erneut erhobene Forderung, Gemeindewohnungen zu verkaufen und damit den kommunalen Wohnungsbestand zu privatisieren, lehne ich – so wie auch die überwältigende Mehrheit der Wienerinnen und Wiener – dezidiert ab”, stellte Ludwig klar.

Wohnbaustadtrat strikt gegen Einkommenscheck

Er verwies darauf, dass das Haushaltseinkommen stets ein wesentliches Kriterium bei der Vergabe sei. Ein regelmäßiger “Gehaltscheck” würde aber jeglichem – “ebenfalls von der ÖVP regelmäßig strapazierten” – Leistungsgedanken widersprechen, zeigte sich der Wohnbaustadtrat überzeugt. Außerdem würde das Modell der ÖVP Wien nur der privaten Immobilienwirtschaft in die Hände spielen und jegliche soziale Durchmischung unterlaufen.
Außerdem, so warnte Ludwig, wären von der Überprüfung mehr als 80 Prozent der Bevölkerung betroffen, da auch der Genossenschaftsbereich oder sogar geförderte Eigentumswohnungen herangezogen werden müssten: Wie sich der damit erzwungene administrative Aufwand rechnen soll, werde von der ÖVP aber bis heute nicht beantwortet. Von einer Privatisierung der Gemeindebauten würden weiters in erster Linie Immobilien- und Hauseigentümer profitieren, befand er.
Wichtig sei hier jedenfalls die Durchmischung, stellte Ludwig klar. Siedlungen nur für Arme oder Reiche lehne man ab: “Der Gemeindebau soll auch für den Mittelstand attraktiv bleiben.”


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