Vom Glück, zu zehnt beengt zu wohnen
Leistbare ausreichend große Wohnungen für
große Flüchtlingsfamilien gibt es keine, wie auch Familie T. aus Afghanistan
erfuhr.
Wien
- Wer die afghanische Familie T. (Name der Redaktion bekannt) an einem Wochentagvormittag besucht,
wird in ihrer Wohnung nur wenige Hinweise auf den akuten Platzmangel finden, in
dem sie leben. Im Gegenteil, in den dreieinhalb straßenseitig liegenden
Zimmern, dem dunklen Vorraum und der Küche, dem Badezimmer mit integriertem WC,
herrschen rund um Möbel und Haushaltsgeräte Sauberkeit, Ordnung und Leere.
Kein Spielzeug am Boden, keine Gläser oder
Fernbedienungen auf dem Sofatisch, kein Nippes, keine Bücher: fast unglaublich,
dass hier, auf 87 Quadratmeter zehn Menschen wohnen.
Ab
Mittag jedoch ändert sich das Bild. Dann, wenn Arian, Walid, Farid und Denis,
Samira, Kira und Amira - zwischen sechs und 15 Jahren alt - aus Schule und
Kindergarten zurückkommen, zu Vater Mohammad, Mutter Ava und Baby Aziz (Namen
geändert).
Wie im Ferienlager
Am Nachmittag, schildert
Mohammad, spielt ein halbes Dutzend Kinder im Kinderzimmer, in dem, wie in
einem Ferienlager, drei Stockbetten stehen. Später wird fürs Abendessen der
Esstisch in die Mitte des größten Raums gerückt, die tagsüber gestapelten Sessel
werden verteilt. Nachher räumt man alles wieder zurück: Zehn Menschen in
dreieinhalb Zimmern, das erfordert Organisation, weiß der 42-Jährige - und Ava
(36), die hier allein für Ordnung und Mahlzeiten sorgt, nickt.
800 Euro pro Monat
zahlen die T.s für die teilrenovierte Altbauwohnung mit hohen, geweißten
Zimmern und neuen Laminatböden. Laut Berechnungen der Arbeiterkammer dürfte die
Miete eigentlich nur 470 Euro betragen. Die Gasetagenheizung, ein älteres
Modell, war seit dem Einzug im Jänner schon mehrmals kaputt - und die Fassade
des Gründerzeithauses lässt Nässe durch, sodass die Wände in den
straßenseitigen Zimmern nach jedem Regen einen Meter hoch feucht sind.
Doch trotz alldem stimmt
Mohammad T. Maria K. zu, einer Wienerin, die die afghanische Familie
unterstützt: "Mit dieser Wohnung hatten die T.s ein Glück, denn für
zehnköpfige Familien gibt es in Wien fast keinen leistbaren Wohnraum. Für
Flüchtlinge schon gar nicht - und wenn Vermieter dann noch hören, dass die
Flüchtlinge nur subsidiären Schutz haben und bedarfsorientierte
Mindestsicherung kassieren, ist der Ofen ganz aus."
Bei Into, einer
Integrationsberatung und Wohnungsvermittlung der Diakonie für anerkannte
Flüchtlinge bestätigt dies Petra Struber. Selbst Einzelpersonen auf
Wohnungssuche müssten bei ihnen rund ein Jahr warten, erläutert sie.
Also bleibe Leuten wie
den T.s de facto nichts anderes übrig, als auf Angebote wie jenes für die
Erdgeschoßwohnung in Nähe des Wiener Gürtels einzugehen, sagt Maria K. Zumal
die Familie nach einer Eineinhalb-Jahre-Odyssee um die halbe Welt dringend
einen Ort gebraucht habe, um ein wenig zur Ruhe zu kommen.
Konkret hatten es die
aus Afghanistan geflohenen T.s 2012 bis nach Athen geschafft. Doch um von dort
weiterzukommen, mussten sie sich trennen. In drei Kleingruppen erreichten
Mutter und Kinder Österreich, der Vater folgte. Im Asylverfahren lebten sie in
einer abgewohnten Pension im Burgenland, bekamen subsidiären
(Abschiebe-)Schutz. Doch als sie dort nach einer Bleibe fragten, hieß es nur:
bitte warten.
Die Möglichkeit, in die
87-Quadratmeterbleibe nach Wien zu ziehen, sei ihm damals als "einzige
Chance" erschienen, erinnert such Mohammad T. Nun jedoch werde ein Wunsch
in ihm immer stärker: "Wir brauchen dringend eine größere Wohnung". (Irene
Brickner, DER STANDARD, 17.10.2013)
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