Donnerstag, 17. Oktober 2013

Vom Glück, zu zehnt beengt zu wohnen

Vom Glück, zu zehnt beengt zu wohnen

Leistbare ausreichend große Wohnungen für große Flüchtlingsfamilien gibt es keine, wie auch Familie T. aus Afghanistan erfuhr.

Wien - Wer die afghanische Familie T. (Name der Redaktion bekannt) an einem Wochentagvormittag besucht, wird in ihrer Wohnung nur wenige Hinweise auf den akuten Platzmangel finden, in dem sie leben. Im Gegenteil, in den dreieinhalb straßenseitig liegenden Zimmern, dem dunklen Vorraum und der Küche, dem Badezimmer mit integriertem WC, herrschen rund um Möbel und Haushaltsgeräte Sauberkeit, Ordnung und Leere.
Kein Spielzeug am Boden, keine Gläser oder Fernbedienungen auf dem Sofatisch, kein Nippes, keine Bücher: fast unglaublich, dass hier, auf 87 Quadratmeter zehn Menschen wohnen.
Ab Mittag jedoch ändert sich das Bild. Dann, wenn Arian, Walid, Farid und Denis, Samira, Kira und Amira - zwischen sechs und 15 Jahren alt - aus Schule und Kindergarten zurückkommen, zu Vater Mohammad, Mutter Ava und Baby Aziz (Namen geändert).

Wie im Ferienlager

Am Nachmittag, schildert Mohammad, spielt ein halbes Dutzend Kinder im Kinderzimmer, in dem, wie in einem Ferienlager, drei Stockbetten stehen. Später wird fürs Abendessen der Esstisch in die Mitte des größten Raums gerückt, die tagsüber gestapelten Sessel werden verteilt. Nachher räumt man alles wieder zurück: Zehn Menschen in dreieinhalb Zimmern, das erfordert Organisation, weiß der 42-Jährige - und Ava (36), die hier allein für Ordnung und Mahlzeiten sorgt, nickt.
800 Euro pro Monat zahlen die T.s für die teilrenovierte Altbauwohnung mit hohen, geweißten Zimmern und neuen Laminatböden. Laut Berechnungen der Arbeiterkammer dürfte die Miete eigentlich nur 470 Euro betragen. Die Gasetagenheizung, ein älteres Modell, war seit dem Einzug im Jänner schon mehrmals kaputt - und die Fassade des Gründerzeithauses lässt Nässe durch, sodass die Wände in den straßenseitigen Zimmern nach jedem Regen einen Meter hoch feucht sind.
Doch trotz alldem stimmt Mohammad T. Maria K. zu, einer Wienerin, die die afghanische Familie unterstützt: "Mit dieser Wohnung hatten die T.s ein Glück, denn für zehnköpfige Familien gibt es in Wien fast keinen leistbaren Wohnraum. Für Flüchtlinge schon gar nicht - und wenn Vermieter dann noch hören, dass die Flüchtlinge nur subsidiären Schutz haben und bedarfsorientierte Mindestsicherung kassieren, ist der Ofen ganz aus."
Bei Into, einer Integrationsberatung und Wohnungsvermittlung der Diakonie für anerkannte Flüchtlinge bestätigt dies Petra Struber. Selbst Einzelpersonen auf Wohnungssuche müssten bei ihnen rund ein Jahr warten, erläutert sie.
Also bleibe Leuten wie den T.s de facto nichts anderes übrig, als auf Angebote wie jenes für die Erdgeschoßwohnung in Nähe des Wiener Gürtels einzugehen, sagt Maria K. Zumal die Familie nach einer Eineinhalb-Jahre-Odyssee um die halbe Welt dringend einen Ort gebraucht habe, um ein wenig zur Ruhe zu kommen.
Konkret hatten es die aus Afghanistan geflohenen T.s 2012 bis nach Athen geschafft. Doch um von dort weiterzukommen, mussten sie sich trennen. In drei Kleingruppen erreichten Mutter und Kinder Österreich, der Vater folgte. Im Asylverfahren lebten sie in einer abgewohnten Pension im Burgenland, bekamen subsidiären (Abschiebe-)Schutz. Doch als sie dort nach einer Bleibe fragten, hieß es nur: bitte warten.
Die Möglichkeit, in die 87-Quadratmeterbleibe nach Wien zu ziehen, sei ihm damals als "einzige Chance" erschienen, erinnert such Mohammad T. Nun jedoch werde ein Wunsch in ihm immer stärker: "Wir brauchen dringend eine größere Wohnung". (Irene Brickner, DER STANDARD, 17.10.2013)


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