Immer mehr Menschen
brauchen Unterstützung bei Wohnproblemen
"Bettenbörse" für Menschen in Not
Von Barbara Sorge
In der zentralen Anlaufstelle P7 erhalten akut Obdachlose
Hilfe und ein Bett.
Wien. Von einer Sekunde auf die andere
stand Danka Mikulasova (48) vor einem Abgrund. Ihr Lebensgefährte, mit dem sie
seit sechs Jahren in einer kleinen Einzimmerwohnung zusammenlebte und der sie
am Nachmittag noch bei ihrer Arbeit als Kellnerin in einem Lokal besucht hatte,
starb plötzlich an einem Herzinfarkt. Neben dem Schock und der Trauer musste
sie auch noch aus der Wohnung raus - einerseits war diese für sie alleine zu
teuer. Andererseits konnte sie aus persönlichen Gründen nicht mehr in der
Wohnung bleiben, in der sie mit ihrem Lebensgefährten so glücklich gewesen war.
Bei Wiener Wohnen konnte man ihr trotz
Vormerkscheins nicht weiterhelfen, alleine hätte sie nun keinen Anspruch auf
eine Wohnung, hieß es. Mikulasova wusste nicht wohin. Unterstützung bekam sie
von der Nichte ihres verstorbenen Lebensgefährten, die sie in ihrer eigenen
kleinen Wohnung aufnahm. "Ich wollte nicht stören und war wie eine kleine
Maus in der Ecke." Als die Nichte einen Freund hatte, wollte sie nicht im
Weg sein, verließ die Wohnung um 8 Uhr in der Früh, obwohl sie erst am Nachmittag
zu arbeiten begann und lieber länger geschlafen hätte.
Durch Zufall erfuhr sie von P7, bei
einem Beratungsgespräch sah sie endlich wieder etwas Licht in ihrer vertrackten
Situation: "Die Beraterin war mein Engel." Gemeinsam mit der
Sozialarbeiterin schafften sie es, für Mikulasova eine Wohnung für Sonderfälle
über die soziale Schiene bei Wiener Wohnen zu bekommen. Es ist eine kleine
Wohnung im 15. Bezirk. Als sie einzog, hatte Mikulasova eine Luftmatratze und
einen Wasserkocher dabei, aber: "Für mich war es wie eine Villa, wie das
Paradies."
Wieder nach Hause gehen
Nach rund einem Jahr bei ihrer Nichte bekam sie am 24. Juli den Schlüssel für "ihre" Wohnung, den Tag wird sie sich wohl ewig merken. Inzwischen sagt sie auch schon: "Ich gehe nach Hause."
Nach rund einem Jahr bei ihrer Nichte bekam sie am 24. Juli den Schlüssel für "ihre" Wohnung, den Tag wird sie sich wohl ewig merken. Inzwischen sagt sie auch schon: "Ich gehe nach Hause."
Bei Raimund Reiner (43) war es ein
Unfall mit anschließendem Arbeitsverlust und nicht bezahlten Monatsmieten, die
zur Delogierung führten. Als er von der Reha zurückkam, war das Schloss der
Wohnung ausgetauscht. Im Internet machte er sich schlau, wo er denn in seiner Situation
Unterstützung bekommen könnte, und fand das P7. Dort wurde ihm geholfen, eine
Postadresse einzurichten. Für die erste Zeit wurde er ins Nachtnotquartier U63
in Meidling vermittelt, bis ein Platz im Übergangswohnheim in der Siemensstraße
in Floridsdorf frei wurde. Hier hat er nun ein kleines Zimmer, er macht über
das AMS eine Ausbildung zum Computertechniker. "Ohne P7", sagt er,
"wüsste ich nicht, was ich gemacht hätte."
Reiner und Mikulasova konnten mit der
Unterstützung durch die Sozialarbeiter des P7 aus ihrer misslichen Lage
herauskommen. Am Mittwoch feierte die Einrichtung der Caritas der Erzdiözese
Wien in der Pazmanitengasse 7 in der Leopoldstadt ihr zehnjähriges Bestehen.
Dessen Leiter Erich Steurer ist damals gemeinsam mit seinem Team vom Bahnhofssozialdienst
am Westbahnhof in die Räumlichkeiten gekommen, die zuvor ein Tageszentrum
beherbergt hatten. "Früher war es so, dass jeder, der einen Schlafplatz
benötigte, es irgendwo versucht hat. Es war klar, dass es eine zentrale Stelle
braucht, die eine Übersicht über alle Plätze hat und die freien Plätze
vermittelt", erzählt Steurer von den Anfängen des P7. Lange hätte man
gemeinsam mit der Stadt Wien an einem Konzept für diese zentrale Anlaufstelle
gearbeitet, seit 2003 ist das P7 die zentrale Anlaufstelle, die die Betten
verwaltet. Derzeit sind es rund 300, im Winter kommen noch einmal 200 dazu.
"Es ist die wohl größte Bettenbörse
für Menschen in Not in dieser Stadt", sagte Klaus Schwertner,
Generalsekretär der Caritas Wien, anlässlich des Jubiläums. Sozialstadträtin
Sonja Wehsely betonte die Bedeutung von P7: "Die Stadt nimmt jährlich über
48 Millionen Euro in die Hand, um sicherzustellen, dass ein vielfältiges
Angebot bereitsteht."
Stetig steigender Bedarf
Tausenden Menschen wurde in den vergangenen zehn Jahren ein Dach über dem Kopf vermittelt. Alleine 2012 wurden 6300 Menschen in rund 16.000 Beratungsgesprächen betreut. Rund 50 Prozent der Menschen, die ins P7 kommen, brauchen sofort ein Quartier. Die andere Hälfte hat zwar eine Unterkunft, lebt aber in unsicheren Verhältnissen, ist zum Beispiel - wie auch Frau Mikulasova - kurzzeitig bei Freunden untergekommen, hat aber keine eigene Bleibe. Vor allem bei Frauen ist diese verdeckte Wohnungslosigkeit häufig.
Tausenden Menschen wurde in den vergangenen zehn Jahren ein Dach über dem Kopf vermittelt. Alleine 2012 wurden 6300 Menschen in rund 16.000 Beratungsgesprächen betreut. Rund 50 Prozent der Menschen, die ins P7 kommen, brauchen sofort ein Quartier. Die andere Hälfte hat zwar eine Unterkunft, lebt aber in unsicheren Verhältnissen, ist zum Beispiel - wie auch Frau Mikulasova - kurzzeitig bei Freunden untergekommen, hat aber keine eigene Bleibe. Vor allem bei Frauen ist diese verdeckte Wohnungslosigkeit häufig.
Steurer beobachtete in den vergangenen
zehn Jahren eine kontinuierliche Steigerung des Bedarfs, wobei in dieser Zeit
auch das Angebot an Notschlafstellen erweitert wurde. Ein großer Einschnitt war
die Wirtschaftskrise 2008: "Seitdem bemerken wir, dass auch immer mehr
arbeitende Menschen Probleme dabei haben, sich eine Wohnung leisten zu
können", berichtet Steurer.
Das P7 ist an 365 Tagen im Jahr
geöffnet, jeder kann ohne Termin vorbeikommen und wird noch am selben Tag
beraten. Akut obdachlose Menschen bekommen nicht nur ein Bett und ein Dach über
dem Kopf, sondern auch die Möglichkeit der Krisenintervention, der
Notversorgung oder Hilfestellungen bei Amts- und Behördenverkehr.
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