Montag, 28. Oktober 2013

Junges Wohnen in Wien - ganz billig!

Junges Wohnen in Wien

FRANZISKA ZOIDL, 27. Oktober 2013, 17:00

as neue Semester bringt neue Wohnmöglichkeiten für Studierende. Das Angebot reicht vom studentischen Luxus bis hin zum sozialen Engagement

Dem Beginn eines neuen Studienjahres geht für viele Studierende eine mühsame Wohnungssuche voraus. In den letzten Monaten wurde das Angebot aber erweitert: Einerseits gibt es - vor allem in der Nähe des neuen Standorts der Wirtschaftsuniversität im 2. Bezirk - eine Entwicklung hin zu "All Inclusive"-Wohnen, das nicht nur von Studierenden, sondern auch von Berufstätigen genützt wird. Am anderen Ende des Spektrums steht das international einzigartige VinziRast Mittendrin, wo sozial interessierte Studierende mit ehemaligen Obdachlosen zusammenleben.
Studentenleben "All Inclusive"
Im 2. Bezirk gibt es seit kurzem das Young Corner Flatshare, in dem Bewohner zu fünft in Wohngemeinschaften zusammenleben. Was eher nach studentischem Lifestyle klingt, kostet hier aber seinen Preis: 410 Euro zahlt man für ein 12 m²-Zimmer, Nassräume und Lounge teilt man sich mit den Mitbewohnern. Laut Winfried Kallinger, Geschäftsführer der Firma Kallco, wird dieses Angebot nicht nur von Studierenden, sondern auch von Berufstätigen, die neu in der Stadt sind und sich erst einleben wollen, genutzt. Im Mietpreis ist vom Internet über die Möbel bis hin zum Geschirr alles inkludiert. Nur das Bettzeug muss man sich laut Kallinger noch selbst mitnehmen.
Für ihn sind es Kostengründe und der unkomplizierte soziale Anschluss, die sein Projekt zum Erfolg machen. Der Trend beim studentischen Wohnen gehe  eindeutig in Richtung "All Inclusive" - also einen Mietpreis, in dem alles enthalten ist. Damit erspare man sich auch im Nachhinein lästige Streitereien mit Vermieter und ehemaligen Mitbewohnern.

"Emotionale" Wohnqualität

Die Campus Lodge der IG Immobilien teilt sich nicht nur einen englischen Namen mit Kallingers Projekt. Auch Zielgruppe und Philosophie ähneln sich. Der Geschäftsführer Hermann Klein erkennt einen steigenden Bedarf an Lebensstandard für Studierende: "Ich glaube, dass es auch in Österreich in Zukunft für Studenten mehr moderne und emotionale Wohnqualität geben wird."
Seit Juli ist die Campus Lodge im 2. Bezirk bezugsfertig. Wie im Young Corner Flatshare wird den Mietern auch hier weit mehr geboten als nur ein Dach über dem Kopf. Die drei Häuser unweit des Ernst-Happel-Stadions verfügen über W-Lan, Partyräume, Fitnessräume und sogar einen Swimming Pool im Freien. Als erste Anlaufstelle bei Problemen gibt es einen Concierge. Ein Haustechniker kümmert sich um kleinere Reparaturarbeiten.

Studierende und Radfahrer

Eine WU-Studentin, die erst im Herbst eingezogen ist, zeigt sich hellauf begeistert von ihrer neuen Bleibe: Sie schätzt hier besonders die Nähe zur Universität und das moderne Design- besonders im Vergleich zu dem alten Studentenheim im Zentrum, in dem sie vorher gewohnt hat. Neben Studierenden haben sich laut IG Immobilien auch Menschen, die gerne mit dem Rad in die Arbeit fahren aufgrund der Praternähe in eine der 111 Mietwohnungen eingemietet.
Zu Konflikten zwischen Partystudenten und Berufstätigen ist es bisher laut Klein aber noch nicht gekommen. Jene Studierenden, die sich die Miete - 678 Euro zahlt man zum Beispiel für eine 39m²-Wohnung - leisten können, seien eben nicht die typischen partyhungrigen Studenten. "Das ist kein klassisches Studentenheim in dem Sinn, sondern eine sichere Unterkunft", erklärt Klein. Viele der Studierenden, die in der Campus Lodge wohnen, hätten Eltern, die sich um ihre Sicherheit sorgen und denen das Umfeld für ihre Sprösslinge wichtig ist. Das Konfliktpotenzial ist also relativ gering – und wer den Mietvertrag unterschreibt, unterschreibt auch die Hausordnung. 
Seit Oktober stehen neben den 111 klassischen Wohnungen in der Campus Lodge auch 37 "Serviced Apartments" zur Verfügung, die voll möbliert und bezugsfertig sind. Sie richten sich besonders an Menschen, die kurzzeitig in Wien leben.
Bisher ist Klein zufrieden mit der rund 65-prozentigen Auslastung seines Projekts. Trotzdem: Noch ist ungewiss, ob die WU reicht, um das Viertel wirklich zu beleben. An grauen Herbsttagen sind die bunten Balkone und das grüne Logo der Campus Lodge, das an den drei Häusern angebracht ist,  die einzigen Farbtupfer in der tristen Gegend.
Gemeinsam leben, voneinander lernen
Cecily Cortis Projekt "VinziRast mittendrin" muss sich zumindest über die Attraktivität der Umgebung keine Sorgen machen: Inmitten des 9. Bezirks wurde mit finanzieller Unterstützung des Industriellen Hans Peter Haselsteiner ein Haus gekauft und über private Spenden und Kredite bis Mai restauriert. Nun leben in den zehn Wohngemeinschaften insgesamt 27 Studierende und ehemalige Obdachlose zusammen. Jeder Bewohner hat ein eigenes Zimmer – und doch gibt es viel Platz für Gemeinsames, sei es in den Gemeinschaftsküchen, einer der drei Werkstätten, auf der Dachterrasse, wo es Hochbeete und einen unvergleichbaren Blick über die Stadt gibt, oder im Studierzimmer.
Die ersten Monate waren ein voller Erfolg: "Die Grundstimmung ist positiv bis begeistert, sowohl von außen als auch von innen", erzählt Corti glücklich. Langzeitprognosen über den Erfolg des Projekts wagt sie trotzdem noch nicht.
Das Verhältnis Studierende und ehemalige Obdachlose ist ausgeglichen. Alle zahlen zwischen 280 und 350 Euro Miete. Laut Corti gab es mehr Interessenten als Zimmer zur Verfügung standen. Sie wurden alle sorgfältig ausgewählt - nur wer wirklich an dem sozialen Aspekt des Projekts interessiert war, bekam einen Platz.

Jeder lernt von jedem

Einer der Vorzüge von VinziRast mittendrin: Jeder lernt von jedem. Die Studierenden können von ihren Mitbewohnern soziale Kompetenz erlernen. Viele von ihnen haben noch nie mit Menschen am Rand der Gesellschaft zu tun gehabt. Auch die ehemaligen Obdachlosen können davon profitieren, "mit jungen Menschen, die ihr Leben noch vor sich haben, zusammenzuleben", so Corti. Regelmäßig gibt es Lesungen, Vorträge und Filmpräsentationen im hauseigenen Veranstaltungsraum, zu denen auch Menschen aus der Nachbarschaft eingeladen sind.
Dass es im alltäglichen Zusammenleben nicht immer harmonisch sein kann, ist klar: "Natürlich gibt es Konflikte", so Corti. "Aber es geht auch darum, zu lernen, diese miteinander zu lösen." Momentan ist das Projekt voll ausgelastet. Viele der Studierenden, die  hier wohnen - laut Corti vorrangig aus Studienrichtungen wie Psychologie, internationale Entwicklung und Politikwissenschaften - waren aber über den Sommer nicht in Wien.

Nach und nach werden im Herbst die gemeinsamen Räume in Besitz genommen. In einem Studierzimmer stapeln sich gerade noch Bücher auf den Tischen, die allesamt gespendet wurden. In einer der Werkstätten bastelt schon ein Bewohner. Auf der Dachterrasse macht ein junger Mann Yoga-Übungen. "Jeder ist erst mal begeistert vom Haus", ist Corti überzeugt. "Aber das wirkliche Leben, das muss erst stattfinden." (Franziska Zoidl, derStandard.at, 27.10.2013)

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