Junges Wohnen in Wien
27. Oktober 2013,
17:00
as neue Semester bringt neue
Wohnmöglichkeiten für Studierende. Das Angebot reicht vom studentischen Luxus
bis hin zum sozialen Engagement
Dem Beginn eines neuen
Studienjahres geht für viele Studierende eine mühsame Wohnungssuche voraus. In
den letzten Monaten wurde das Angebot aber erweitert: Einerseits gibt es - vor
allem in der Nähe des neuen Standorts der Wirtschaftsuniversität im 2. Bezirk -
eine Entwicklung hin zu "All Inclusive"-Wohnen, das nicht nur von
Studierenden, sondern auch von Berufstätigen genützt wird. Am anderen Ende des
Spektrums steht das international einzigartige VinziRast Mittendrin, wo sozial
interessierte Studierende mit ehemaligen Obdachlosen zusammenleben.
Studentenleben "All Inclusive"
Im 2. Bezirk gibt es
seit kurzem das Young Corner Flatshare, in dem Bewohner zu fünft in
Wohngemeinschaften zusammenleben. Was eher nach studentischem Lifestyle klingt,
kostet hier aber seinen Preis: 410 Euro zahlt man für ein 12 m²-Zimmer,
Nassräume und Lounge teilt man sich mit den Mitbewohnern. Laut Winfried
Kallinger, Geschäftsführer der Firma Kallco, wird dieses Angebot nicht nur von
Studierenden, sondern auch von Berufstätigen, die neu in der Stadt sind und
sich erst einleben wollen, genutzt. Im Mietpreis ist vom Internet über die Möbel
bis hin zum Geschirr alles inkludiert. Nur das Bettzeug muss man sich laut
Kallinger noch selbst mitnehmen.
Für ihn sind es
Kostengründe und der unkomplizierte soziale Anschluss, die sein Projekt zum
Erfolg machen. Der Trend beim studentischen Wohnen gehe eindeutig in
Richtung "All Inclusive" - also einen Mietpreis, in dem alles
enthalten ist. Damit erspare man sich auch im Nachhinein lästige Streitereien
mit Vermieter und ehemaligen Mitbewohnern.
"Emotionale" Wohnqualität
Die Campus Lodge der IG
Immobilien teilt sich nicht nur einen englischen Namen mit Kallingers Projekt.
Auch Zielgruppe und Philosophie ähneln sich. Der Geschäftsführer Hermann Klein
erkennt einen steigenden Bedarf an Lebensstandard für Studierende: "Ich
glaube, dass es auch in Österreich in Zukunft für Studenten mehr moderne und
emotionale Wohnqualität geben wird."
Seit Juli ist die Campus
Lodge im 2. Bezirk bezugsfertig. Wie im Young Corner Flatshare wird den Mietern
auch hier weit mehr geboten als nur ein Dach über dem Kopf. Die drei Häuser
unweit des Ernst-Happel-Stadions verfügen über W-Lan, Partyräume, Fitnessräume
und sogar einen Swimming Pool im Freien. Als erste Anlaufstelle bei Problemen
gibt es einen Concierge. Ein Haustechniker kümmert sich um kleinere
Reparaturarbeiten.
Studierende und Radfahrer
Eine
WU-Studentin, die erst im Herbst eingezogen ist, zeigt sich hellauf begeistert
von ihrer neuen Bleibe: Sie schätzt hier besonders die Nähe zur Universität und
das moderne Design-
besonders im Vergleich zu dem alten Studentenheim im Zentrum, in dem sie vorher
gewohnt hat. Neben Studierenden haben sich laut IG Immobilien auch Menschen,
die gerne mit dem Rad in die Arbeit fahren aufgrund der Praternähe in eine der
111 Mietwohnungen eingemietet.
Zu
Konflikten zwischen Partystudenten und Berufstätigen ist es bisher laut Klein
aber noch nicht gekommen. Jene Studierenden, die sich die Miete - 678 Euro
zahlt man zum Beispiel für eine 39m²-Wohnung - leisten können, seien
eben nicht die typischen partyhungrigen Studenten. "Das ist kein
klassisches Studentenheim in dem Sinn, sondern eine sichere Unterkunft",
erklärt Klein. Viele der Studierenden, die in der Campus Lodge wohnen, hätten
Eltern, die sich um ihre Sicherheit sorgen und denen das Umfeld für ihre
Sprösslinge wichtig ist. Das Konfliktpotenzial ist also relativ gering – und
wer den Mietvertrag unterschreibt, unterschreibt auch die Hausordnung.
Seit Oktober stehen
neben den 111 klassischen Wohnungen in der Campus Lodge auch 37 "Serviced
Apartments" zur Verfügung, die voll möbliert und bezugsfertig sind. Sie
richten sich besonders an Menschen, die kurzzeitig in Wien leben.
Bisher
ist Klein zufrieden mit der rund 65-prozentigen Auslastung seines Projekts.
Trotzdem: Noch ist ungewiss, ob die WU reicht, um das Viertel wirklich zu
beleben. An grauen Herbsttagen sind die bunten Balkone und das grüne Logo
der Campus Lodge, das an den drei Häusern angebracht ist, die einzigen
Farbtupfer in der tristen Gegend.
Gemeinsam leben, voneinander lernen
Cecily Cortis Projekt
"VinziRast mittendrin" muss sich zumindest über die Attraktivität der
Umgebung keine Sorgen machen: Inmitten des 9. Bezirks wurde mit finanzieller
Unterstützung des Industriellen Hans Peter Haselsteiner ein Haus gekauft und
über private Spenden und Kredite bis Mai restauriert. Nun leben in den zehn
Wohngemeinschaften insgesamt 27 Studierende und ehemalige Obdachlose zusammen.
Jeder Bewohner hat ein eigenes Zimmer – und doch gibt es viel Platz für
Gemeinsames, sei es in den Gemeinschaftsküchen, einer der drei Werkstätten, auf
der Dachterrasse, wo es Hochbeete und einen unvergleichbaren Blick über die
Stadt gibt, oder im Studierzimmer.
Die ersten Monate waren
ein voller Erfolg: "Die Grundstimmung ist positiv bis begeistert, sowohl
von außen als auch von innen", erzählt Corti glücklich. Langzeitprognosen
über den Erfolg des Projekts wagt sie trotzdem noch nicht.
Das Verhältnis
Studierende und ehemalige Obdachlose ist ausgeglichen. Alle zahlen zwischen 280
und 350 Euro Miete. Laut Corti gab es mehr Interessenten als Zimmer zur
Verfügung standen. Sie wurden alle sorgfältig ausgewählt - nur wer wirklich an
dem sozialen Aspekt des Projekts interessiert war, bekam einen Platz.
Jeder lernt von jedem
Einer der Vorzüge von
VinziRast mittendrin: Jeder lernt von jedem. Die Studierenden können von ihren
Mitbewohnern soziale Kompetenz erlernen. Viele von ihnen haben noch nie mit
Menschen am Rand der Gesellschaft zu tun gehabt. Auch die ehemaligen
Obdachlosen können davon profitieren, "mit jungen Menschen, die ihr Leben
noch vor sich haben, zusammenzuleben", so Corti. Regelmäßig gibt es
Lesungen, Vorträge und Filmpräsentationen im hauseigenen Veranstaltungsraum, zu
denen auch Menschen aus der Nachbarschaft eingeladen sind.
Dass es im alltäglichen
Zusammenleben nicht immer harmonisch sein kann, ist klar: "Natürlich gibt
es Konflikte", so Corti. "Aber es geht auch darum, zu lernen, diese
miteinander zu lösen." Momentan ist das Projekt voll ausgelastet. Viele
der Studierenden, die hier wohnen - laut Corti vorrangig aus
Studienrichtungen wie Psychologie, internationale Entwicklung und
Politikwissenschaften - waren aber über den Sommer nicht in Wien.
Nach und nach werden im
Herbst die gemeinsamen Räume in Besitz genommen. In einem Studierzimmer stapeln
sich gerade noch Bücher auf den Tischen, die allesamt gespendet wurden. In
einer der Werkstätten bastelt schon ein Bewohner. Auf der Dachterrasse macht
ein junger Mann Yoga-Übungen. "Jeder ist erst mal begeistert vom
Haus", ist Corti überzeugt. "Aber das wirkliche Leben, das muss erst
stattfinden." (Franziska Zoidl, derStandard.at, 27.10.2013)
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