Montag, 29. September 2014

Wofür Wien Geld hat, und wofür nicht

Gastkommentar von Andreas Unterberger: Kein Geld mehr für Kultur, kein Geld mehr für Wissenschaft, aber viel Geld für einen Schlagerwettbewerb: Das sind die Prioritäten, die das Wiener Rathaus bei der Verwendung von Steuergeldern setzt.

Die Fakten allein aus den letzten Tagen: Der weltweit renommierte Kreisler-Wettbewerb, bei dem in Wien der beste Violinist der Welt gesucht wird und über den auf allen Kontinenten berichtet wird, wäre heuer fast abgesagt worden. Das Rathaus hat heuer den Kostenbeitrag (60.000 Euro) abgelehnt. Niemand kann mehr sagen, ob es diesen Wettbewerb in Zukunft geben wird.
Das IHS (Institut für Höhere Studien) in Wien steht vor dem Zusperren, weil die Gemeinde Wien nicht bereit ist, 600.000 Euro für das Institut aufzuwenden. Informanten sagen, dass das IHS jetzt in ein anderes Bundesland übersiedeln dürfte, um überleben zu können.
Es geht aber auch anders. In anderen Fällen hat man im Rathaus sehr große Spendierhosen angezogen:
Nicht weniger als 8,89 Millionen Euro werden aus dem Wiener Stadtbudget für den Schlagwettbewerb der Europäischen Fernsehanstalten ausgegeben. Wobei Experten meinen, dass dieser am Schluss noch viel mehr Steuergeld kosten wird (den letzten Song Contest hat Conchita Wurst gewonnen, der derzeit im Pariser Strip-tease-Lokal „Crazy Horse“ an einer Travestie-Show teilnimmt).

453.000 Euro für Wienwoche

Steuergeld (453.000 Euro) gab es in den letzten Tagen auch für das grüne Agitationsfestival „Wienwoche“. In dessen Rahmen fanden dann so honorige Dinge statt wie ein „Kopulationsring“ oder Veranstaltungen, welche die Befreiung Ungarns und des Balkans von der osmanischen Besetzung durch Prinz Eugen als „Angriffskrieg“ denunzierten.
Zwei Millionen Euro zusätzlich wird es im kommenden Jahr für das „Marketing“ des Rathauses geben. Mit diesem Geld wollen die regierenden Parteien für sich mehr Stimmung machen – auf Kosten der Steuerzahler. Wird doch 2015 der Wiener Gemeinderat neu gewählt.
Eine massive Geldverschwendung war dieser Tage auch die zehnstündige Sperre des Rings zur besten Geschäfts-, Tourismus- und Bürozeit, damit dort ein Kunstrasen aufgelegt werden konnte. Menschen waren freilich auf diesem Rasen so gut wie keine zu sehen. Die größten Kosten sind bei dieser „Aktion“ freilich nicht dem Rathaus, sondern den einzelnen Bürgern entstanden: Sie steckten lange im Stau und konnten keine Verabredungen einhalten. Die Geschäfte rund um diese Aktion beklagten einen spürbaren Umsatzrückgang. Und der Umwelt haben die Stauabgase wohl auch nicht geholfen.
Gibt’s noch irgendwelche Zweifel, was den Rathausgewaltigen wichtig ist und was nicht? Bürger, klassische Musik und Wissenschaft sind es ganz eindeutig nicht. Dabei ist unsere Zukunft absolut von Kultur und Forschung abhängig. Und nicht von Kunstrasen und Song Contests.

Wien müsste sparen

Um nicht missverstanden zu werden: Man könnte in Zeiten der Budgetnöte auch über die Notwendigkeit von Geigen-Wettbewerben und Forschungsinstituten diskutieren, wenn nicht gleichzeitig so absurde andere Prioritäten gesetzt würden. Denn eigentlich müsste Wien ja ganz dringend sparen. Ein Rohbericht des Rechnungshofs machte jetzt ausdrücklich klar: Wiens Budgetpolitik sei mittelfristig nicht finanzierbar. Der Schuldenstand betrug schon Ende 2013 über 4,6 Milliarden Euro. Und Wien hat jetzt schon mehr Schulden als alle anderen Gemeinden Österreichs zusammen . . .

Der Autor war 14 Jahre Chefredakteur von „Presse“ bzw. „Wiener Zeitung“. Er schreibt unter www.andreas-unterberger.at sein „nicht ganz unpolitisches Tagebuch“, das heute Österreichs meistgelesener Internet-Blog ist.


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