Donnerstag, 21. Januar 2016

Wien und der Akademikerball

Es ist wieder einmal soweit, der Akademikerball wird in der Hofburg abgehalten werden. Vor den Prunkräumen wollen – und werden - wieder Tausende Gegner demonstrieren. Das Bündnis "Jetzt Zeichen setzen" fordert ein Mal mehr die Betreiber der Hofburg auf, dem "rechtsextremen Treiben" nicht tatenlos zuzuschauen: "Es liegt in der Verantwortung der Hofburg-Betreiber, dafür zu sorgen, dass Wien und die Prunkräume der Republik nicht länger ein Mal pro Jahr zum Zentrum des von Rassismus, Antisemitismus und auch Sexismus durchtränkten europäischen Rechtsextremismus werden", erklärte das aus über 30 Organisationen bestehende Bündnis.

Die Diskussion um den Akademikerball reißen nicht ab. Schon im vergangenen Sommer versuchten die Grünen, dem Akademikerball den bisherigen Veranstaltungsort zu nehmen. Mit einem Entschließungsantrag wollte der grüne Nationalrat Harald Walser eine Änderung des Pachtvertrages mit der Hofburg-Betreibergesellschaft herbeiführen. Dieser Antrag wurde mit Zustimmung von ÖVP und SPÖ zunächst vertagt und schließlich vergessen. Dementsprechend fällt Walsers Kommentar aus: "Diese Leute und der Ball schädigen das Ansehen der Demokratie.“ Bundespräsident Heinz Fischer hält einen „Neustart“ des Akademikerballs an einem anderem Ort für „weise“. Vorschreiben könne man das der FPÖ nach den Regeln des Rechtsstaats aber nicht. Die Diskussion über den Standort des Akademikerballs „hat nur wenig mit rechtlichen oder juristischen Kriterien zu tun“, unterstreicht Fischer. „Mir hat dieser frühere WKR-Ball und jetzige Akademikerball in der Vergangenheit auch oft Sorgen gemacht oder ein gewisses Unbehagen bereitet. Wenn die Veranstalter zu dem Entschluss kommen, diese Tradition zu beenden und einen Neustart an einem anderen Ort unter einem anderen Namen zu machen, würde ich das für eine weise Entscheidung halten. Aber rechtlich gesehen gibt es keine Art von Bannmeile um die Amtsräume des Bundespräsidenten.“ Die betreffenden Räumlichkeiten der Hofburg würden „von einer GmbH verwaltet und vermietet, und diese Gesellschaft hat sich einerseits an Gesetze zu halten, andererseits an kaufmännische Überlegungen. Aber sie kann nicht sagen: SPÖ, ÖVP und Grüne dürfen in der Hofburg Veranstaltungen abhalten, aber die Freiheitliche Partei darf der Präsidentschaftskanzlei nicht zu nahe kommen.“ Der liebe Bundespräsident hat darauf vergessen, dass er H. C. Strache das Große Goldene Ehrenzeichen mit dem Stern verweigert hatte. Bundespräsident Heinz Fischer hat beschlossen, den entsprechenden Vorschlag der Regierung zurückzustellen. Anlass sind kolportierte Äußerungen des freiheitlichen Obmanns beim Ball des Wiener Korporationsrings (WKR). Strache soll dort angesichts der heftigen Proteste gegen die Veranstaltung unter anderem gemeint haben: "Das war wie die Reichskristallnacht" und "Wir sind die neuen Juden". Der FPÖ-Chef bestritt diese Äußerungen nicht, sieht sie aber als aus dem Zusammenhang gerissen. Den Bundespräsidenten besänftigte das nicht. Da Strache "die Demonstrationen gegen den WKR-Ball - in welchem Zusammenhang auch immer - mit dem verbrecherischen und zahlreiche Todesopfer fordernden Novemberpogrom der Nationalsozialisten in Zusammenhang gebracht hat", habe er entschieden, die Verleihung des Ehrenzeichens zurückzustellen. Das führt zur Frage, ob der Bundespräsident, der hochverehrte, es nicht einrichten konnte, die Hofburg nicht an die FPÖ und deren Sympathisanten zu vermieten. Rechtlich wäre es ohne weiteres möglich gewesen, denn niemand schreibt vor, wer wem was vermieten muss, kann oder darf. Einige Überlebende der Shoah haben in einem offenen Brief an die höchsten RepräsentantInnen Österreichs appelliert, die Räume der Republik in der Hofburg rechtsextremen Burschenschaftern nicht mehr zur Verfügung zu stellen. Es passierte das, was immer passiert: Aufgrund kritischer Berichterstattung in europäischen Mediensahen sich die angesprochenen RepräsentantInnen gezwungen sich öffentlich von der Veranstaltung zu distanzieren (u.a. Bundeskanzler Faymman). Noch vor einem Monat gab es eine Entscheidung der Hofburg-Pächter, den WKR-Ball heuer zum letzten Mal in der Hofburg stattfinden zu lassen. Einem Artikel des Standards zufolge wackelt diese Absage der Hofburg nun. "Für uns ist es unglaublich, dass ganz offensichtlicher Druck der FPÖ zu einem drohenden Rückzieher bewegt - das muss allen politischen EntscheidungsträgerInnen zu denken geben. Das Kongresszentrum hatte gelobt, den umstrittenen WKR-Ball der schlagenden Burschenschaften nicht mehr in der Hofburg abhalten zu lassen. Es wurde noch der WKR-Ball (2013) selbst angekündigt. Erst nachdem Menschenrechtler Philipp Sonderegger bei den Vermietern nachfragte, wurde der Name gestern plötzlich geändert… Die Distanzierung blieb, wie in den Jahren zuvor, ohne Konsequenzen. Zur Erinnerung: 2012 sahen sich die Verantwortlichen der Hofburg Betriebsgesellschaft1 nach massiven Protesten gezwungen anzukündigen, dass der Ball des “Wiener Korporationsrings” (WKR) nicht mehr in der Hofburg stattfinden dürfe. Daraufhin übernahm die FPÖ die offizielle Schirmherrschaft für den WKR-Ball, der seit 2013 “Akademikerball” heißt. FPÖ u. Wiener Korporationsring versuchten nicht einmal zu verschleiern, dass es sich um die Fortsetzung des WKR-Balls unter anderem Namen handelt. Im Gegenteil: Sie stellten die Kontinuität öffentlich offensiv dar. Die Hofburg Betriebsgesellschaft wiederum stellte sich auf den Standpunkt, dass es sich um einen völlig anderen Ball handle.Der Bundeskanzler der Republik sieht keine Möglichkeit den Ball der Rechtsextremen zu verhindern. Umso stärker müsse man “diesen Gruppen mit
politischen Argumenten entgegentreten.”, meinte Faymann in einer
Aussendung. Was nun passiert zeigt, dass die Republik im 69. Jahr nach der Befreiung vom nationalsozialistischen Unrrechtsregime keinen adäquaten Umgang mit ihrer Vergangenheit gefunden hat: Die Holocaust-Überlebenden, denen von den höchsten RepräsentantInnen der Republik erklärt wurde Mann/Frau könne den Ball der Rechtsextremen nicht verhindern u. Mann/Frau müsse diesen Gruppen “politisch entgegentreten” wird durch die Exekutive der Republik untersagt diesen Gruppen am Heldenplatz “politisch entgegenzutreten”. Der Generalsekretär der FPÖ, Herbert Kickl, sagte in einer Reaktion, dass der Akademikerball auch in Zukunft in der Hofburg stattfinden wird. Fischers Aussagen seien „unnötig wie ein Kropf“, so Kickl in einer Aussendung. Norbert Hofer (FPÖ) hielt den Akademikerball in keiner Weise für eine Provokation. „Es ist ein Ball, nicht mehr und nicht weniger“, sagte er. Für die Ausschreitungen bei den Gegendemonstrationen macht er die Grünen mitverantwortlich - und auch Parteichefin Eva Glawischnig trage Verantwortung, sagte er. Die Gewalt bei den Demonstrationen verurteilt der Dritte Präsident: „Was da rund um den Ball passiert ist, ist schon ein echter Schaden. Es lebt die Demokratie vom Spannungsfeld der Meinungen. Auch eine Demonstration ist vollkommen in Ordnung. Wenn es aber solche Ausmaße annimmt, dass da wirklich Gewalt im Spiel ist, dann ist eine Grenze überschritten, die nicht toleriert werden kann.“ Wenn Leute Angst haben, zum Ball zu gehen, „da hört sich der Spaß auf“. Nebenbei: Der Polizeipräsident hält die Protestkundgebungen jedes Jahr für einen willkommenen Anlass für die größte Polizeiübung Österreichs. Da wird fast ein ganzer Bezirk gesperrt (als der Präsident der USA zu Besuch in Wien war wurde das nicht für notwendig gehalten: Sperrzone EU-USA Gipfel vs. Sperrzone FPÖ “Akademikerball”). Da wird in neun Wiener Gemeindebezirken ein Verbot von Gegenständen erlassen, die zur Vermummung geeignet sind. Da wird unabhängige Medienberichterstattung nahezu verunmöglicht: die JournalistInnengewerkschaft spricht von einer “Zensurmaßnahme”. Es muss den Holocaust-Überlebenden wie ein Schlag ins Gesicht vorkommen, was derzeit rund um den “FPÖ-Akademikerball” passiert. Schlag ins Gesicht” ist wohl noch eine grobe Verharmlosung für diese Vorgangsweise: Bringen wir es auf den Punkt: Die geplanten Reden von Holocaust-Überlebenden am Heldenplatz untersagt die Republik. Den Ball der Rechtsextremen in der Hofburg will die Republik nicht verhindern. Und wieder wird es Proteste geben. Natürlich. Ein aufrechter Österreicher, ein Demokrat kann nichts anderes unternehmen als zu demonstrieren. Nicht zuletzt wird eine Kundgebung am Heldenplatz untersagt mit einer Begründung, die von Metternich persönlich stammen könnte (Untersagungsbescheid): Kundgebungen – so lautet die Argumentation – können untersagt werden, wenn Verstöße gegen Strafgesetze zu erwarten sind. Der Verstoß gegen eine Sperrzone wäre ein Verstoß gegen das Verwaltungsstrafrecht. Daher würde mit der Abhaltung einer Kundgebung in der Sperrzone gegen Strafgesetze verstoßen. Daher müsse die Kundgebung untersagt werden. Zwingende Logik. Sicherheitspolizeilich wurde eine Sperrzone verhängt, daher müssen die Versammlungsbehörden die Kundgebung untersagen. Die Versammlungsbehörde spart sich jede weitere Begründung. Recht auf Versammlungsfreiheit u. sicherheitspolizeiliche Maßnahme werden gar nicht mehr gegeneinander abgewogen. Den die Sicherheitspolizei liefert den Versammlungsbehörden die Vorlage für die Untersagung. Ein solcher Art begründeter Untersagungsbescheid wird zwar rechtlich nicht halten. Aber: Nachdem in Österreich keine Schnellprüfung solcher Bescheide vorgesehen ist (wie etwa in Deutschland), verhindert der Bescheid die Kundgebung. Auch wenn er sich später als rechtswidrig herausstellt, hat das keine Konsequenzen. Protest gegen den Ball der Rechtsextremen wird behindert, verhindert, kriminalisiert. Die rechtsextremen BallbesucherInnen werden von der Republik hofiert. Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, Bundeskanzler Werner Faymann und Bundespräsident Heinz Fischer müssen sich die Frage gefallen lassen wie so etwas 2014 zugelassen werden kann. Bundespräsident Heinz Fischer wurde aufgefordert, sich klar und deutlich zum Akademikerball Ball zu äußern und sich damit mit den antifaschistischen Protesten solidarisch zu zeigen. Zu einem Event der rechtsextremen und rechten Elite Europas in der Hofburg zu schweigen ist inakzeptabel! Es ist unerlässlich, deutliche Zeichen zu setzen und sich von der Veranstaltung zu distanzieren - das gilt für alle politisch Verantwortlichen. Auch die Casinos Austria sind aufgefordert, sich nicht unter Druck setzen zu lassen und bei der Entscheidung, die aus guten Gründen getroffen wurde, zu bleiben", so Angelika Gruber vom ÖH Vorsitzteam. 


1Die Wiener Kongresszentrum Hofburg Betriebsgesellschaft m.b.H. (Hofburg Vienna) übernahm im Jahr 1969 die Führung des Veranstaltungszentrums im Rahmen eines Pachtvertrages mit der Republik Österreich als Eigentümerin. Die Hofburg Vienna befindet sich im Hofburg-Komplex, und zwar in den Teilen des Schweizer Traktes, des Leopoldinischen Traktes und der Neuen Burg. Seine Entstehung reicht bis ins 13. Jahrhundert zurück. Die ehemalige Kaiserresidenz ist heute die erste Adresse für Kongresse und Tagungen, Messen und Ausstellungen, aber auch Bankette, Bälle und Konzerte. Im Jahr erwirtschaftet die Hofburg Vienna einen Nettoumsatz von zehn bis elf Millionen Euro. Jährlich zieht es 300 bis 320 Veranstaltungen mit 330.000 bis 340.000 Gästen aus aller Welt in das Kongresszentrum. Über 60 Prozent an Stamm- und Wiederholungskunden sprechen ein deutliches Bild über die hohe Attraktivität des imperialen Veranstaltungszentrums und die erfolgreiche Geschäftsführung. In den letzten wirtschaftlich schwierigen Jahren konnte die Hofburg Vienna nicht nur mit stabilen Geschäftsergebnissen, sondern sogar mit Steigerungen in einzelnen Segmenten punkten. Über 70 % der Veranstaltungen haben internationalen Charakter.
Die Gesellschafter: Mag. Alexandra Kaszay, Columbus (COLUMBUS Reisen GmbH), Gerstner Imperial Hotels & Residences, (Austria Hotels Betriebs GmbH), Hotel Sacher Wien, (Hotel Sacher, Eduard Sacher GmbH), InterContinental Wien, (Wertinvest Hotelbetriebs GmbH), Schick-Hotels (Schick-Hotels Betriebs GmbH)



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