Samstag, 18. Juli 2015

Das Mysterium Mietzins



Was ist ein angemessener Preis und was nicht? Das herauszufinden ist gar nicht so einfach, die Quellenlage schwierig.
18.07.2015 | 18:08 | von Anna Thalhammer (Die Presse)
Wohnen in Wien ist in den letzten Jahren erheblich teurer geworden – das bestätigen etliche Studien und Erhebungen, die fast im Wochenrhythmus von unterschiedlichsten Immobilienplattformen publiziert werden. Auch subjektiv kann das jeder bestätigen, der gerade auf dem privaten Wohnungsmarkt auf der Suche nach einem neuen Zuhause ist. Um wie viel die Mieten in Wien nun aber in den letzten Jahren wirklich gestiegen sind, was ein gerechtfertigter Preis für eine Wohnung ist und wo die teuersten bzw. die billigsten Wohngegenden sind, ist nicht so einfach zu ermitteln. Das hat mehrere Gründe.
Der erste ist, dass eine durchschnittlich errechnete Miete wenig Orientierung dafür gibt, was marktüblich ist. Geschuldet ist das dem großen Bestand an geförderten Wohnungen und Gemeindebauten der Stadt Wien. Die Nettomiete pro Quadratmeter im Gemeindebau beträgt 5,39 Euro. Dazu kommen Betriebskosten und Steuern. Rund 500.000 Menschen wohnen in derartigen Wohnungen. Im geförderten Neubau beträgt die durchschnittliche Miete 6,40 bis 6,80 Euro, bei sogenannten Smart-Wohnungen liegt sie bei 7,50 Euro pro Quadratmeter, allerdings inklusive. Zwei Drittel aller Wiener wohnt im geförderten Wohnbau – und das drückt die Durchschnittsmiete. Diese beträgt laut Statistik Austria 7,39 Euro inklusive Betriebskosten im 1. Quartal 2015. Das ist ein Schnitt durch alle Bezirke und Wohnformen von Gemeindebau bis Penthouse. Wie viel Miete nun in welchem Grätzel und Bezirk aktuell angemessen und marktüblich ist, kann daraus nicht abgelesen werden.
Die andere Quelle, die meist herangezogen wird, wenn es um Immobilienpreise geht, ist der Immobilienspiegel der WKO. Dieser berichtet schon deutlich detaillierter. Es wird zwischen Miete und Eigentum, Wohnwerten (gut, mittel, sehr gut) und Bezirken unterschieden. Demnach ist der teuerste Bezirk wenig überraschend die Innere Stadt. Der Quadratmeterpreis für eine 60-Quadratmeter-Wohnung mit „sehr gutem Wohnwert“ liegt bei 16,2 Euro netto. Der billigste Bezirk in dieser Kategorie ist Rudolfsheim-Fünfhaus. Der Quadratmeterpreis wird mit 9,20 Euro beziffert. So differenziert die Erhebung aufgeschlüsselt ist, so wenig aussagekräftig ist sie. Grund: Erfasst sind hier nur Wohnungen, bei denen laut §16 des Mietrechtsgesetzes keine Mietobergrenzen gelten – und das sind in Wien nur wenige Prozent. Für alle anderen gäbe es eigentlich einen gesetzlich festgeschriebenen Richtmietzins – aber auch dieser gibt wenig Orientierung. Grund dafür sind Zuschläge, die etwa für Ausstattung oder Lage– teilweise willkürlich – draufgeschlagen werden. Die Krux ist, dass diese nicht aufgeschlüsselt werden müssen. Demnach ist es für den Mieter nicht nachvollziehbar, was nun verrechnet wird und was nicht – und ob das überhaupt gerechtfertigt ist. Die Forderung, eben jene Zuschläge gesetzlich zu fixieren und somit transparent zu machen, wurde bisher vom Justizministerium abgewehrt.
Was bleibt dem Wohnungssuchenden also? In erster Linie ein Bauchgefühl, ob der Preis stimmt. Dazu gibt es einen Mietpreisrechner der Stadt, der bei der groben Einschätzung hilft. Weicht der dort angegebene Preis sehr vom tatsächlichen Mietpreis ab, bleibt die Möglichkeit, bei zu hohen Preisen über die Schlichtungsstelle zu klagen. Wer eine befristete Wohnung hat, wird von dieser Möglichkeit aber wohl auch eher absehen.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2015)



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