Sonntag, 12. April 2015

Der lange Atem der Patriarchen


Machtbewusst, polternd, leutselig – so stellt sich der Österreicher einen Landeshauptmann vor. Ob Häupl, Pröll oder Voves – sie alle erfüllen diese Erwartungen. Doch es zeichnet sich ein Wechsel im Rollenbild ab.

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Menschen, die Michael Häupl noch aus Studententagen und von seinen politischen Anfängen her kennen, waren dann doch einigermaßen verwundert, als ihnen auf einmal der „Fiaker“ in Gestalt des Wiener Bürgermeisters gegenübertrat. Dem Essen und Trinken war er zwar schon in jungen Jahren durchaus zugetan, sonst hatte er mit der Figur, die er nun verkörperte, aber relativ wenig gemein. Michael Häupl war eher ein feinsinniger Intellektueller, er las viel, auch theoretisch-politische Literatur, und studierte – für einen späteren Politiker auch eher ungewöhnlich – Biologie.

Helmut Zilk dürfte dann erkannt haben, dass in Michael Häupl doch populistisches Potenzial schlummert. Und machte ihn zu seinem Nachfolger als Wiener Bürgermeister. Michael Häupl wurde zu Michael Häupl, wie wir ihn kennen. Ein Machtpolitiker, polternd, leutselig, eigensinnig.

Ein idealtypischer Vertreter seiner Zunft also. Wie Erwin Pröll. Wie Franz Voves. Wie Josef Pühringer. Wie Hans Niessl. Wer in einem österreichischen Bundesland Landeshauptmann ist, und damit einer der mächtigsten Politiker des Landes, spielt eben auch eine Rolle. Es gibt eine bestimmte Erwartungshaltung, die sowohl der Bevölkerung als auch dem Amtsträger selbst so naturgegeben vorkommt, dass es keine Alternative zu geben scheint. Je länger ein Landeshauptmann im Amt ist, desto vollkommener erfüllt er diese.

Bezeichnend ist, dass jene, die noch relativ frisch in dieser Position sind, wie der Vorarlberger Markus Wallner und der Kärntner Peter Kaiser, doch ein wenig vom altbekannten Schema abweichen. Möglicherweise zieht der Generationenwechsel auch ein anderes Rollenverständnis nach sich.

„Die Herrschaft des alten, starken Mannes ist ein Auslaufmodell“, meint auch die langjährige Präsidentin des Verbandes für Psychotherapie Eva Mückstein, heute Gesundheitssprecherin der Grünen. Führungs- und Machtspiele seien für junge Menschen nicht mehr ansprechend, zumal sie im Widerspruch zu deren Lebensstil stünden: „Die Jungen sind heute eher liberal, offen, teamorientiert, an Mitbestimmung interessiert.“ Und deshalb habe auch die einst sakrosankte Autorität des Landeshauptmanns Risse bekommen.

Noch aber geben die Patriarchen den Ton an. Erwin Pröll regiert in Niederösterreich mit absoluter Mehrheit. Josef Pühringer und Hans Niessl sind in Oberösterreich bzw. im Burgenland nah dran. Michael Häupl hält in Wien immer noch bei 44 Prozent, Franz Voves in der Steiermark bei 38. Von solchen Ergebnissen können Bundespolitiker wie Werner Faymann und Reinhold Mitterlehner nur noch träumen.

Noch einmal, vermutlich ein letztes Mal, würde diese Generation bei Landtagswahlen gut abschneiden, prognostiziert der frühere Salzburger ÖVP-Landeshauptmann Franz Schausberger, der selbst Teil davon ist. Wer lange im Amt sei und politische Erfolge vorweisen könne, dem lasse der Wähler mehr durchgehen. Vielleicht auch aus einem Sicherheits- und Schutzbedürfnis heraus. Aber die nächste Generation, meint Schausberger, werde nicht auf dieselbe Weise regieren können.

In Vorarlberg und Kärnten ist der neue Stil bereits spürbar. Markus Wallner und Peter Kaiser sind kooperativer als ihre Vorgänger. Und inhaltlich offener. Vor allem Kaiser muss das Amt anders anlegen, wenn nicht neu erfinden, um sich von Jörg Haider abzugrenzen.

In diese Reihe passt eigentlich auch der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer, der nie ein großer Polterer war. Er ist vielmehr ein intellektueller Pragmatiker. Ein „Stådinger“, wie man in Salzburg sagt. Also einer aus der Stadt, aus dem urbanen Bürgertum, keiner, der mit den Bauern auf dem Land auf Augenhöhe verkehrt.

Einmal im Jahr macht allerdings auch Haslauer einen auf Franz Josef Strauß: Beim „Rupertitreffen“ in der Stiegl-Brauerei zieht er dann vom Leder. Allerdings war Haslauer als Salzburger Oppositionschef weit schärfer als jetzt. 2013 richtete er seiner Partei in Wien aus, sie möge nicht mehr in eine Koalition mit der SPÖ gehen. Noch deftiger gab er es 2011: „Das destruktive Element dieser Bundesregierung hat einen Namen, und es heißt Werner Faymann.“ Dieser sei ein „Kunstprodukt, geklont von seinen Beratern, politisch blutleer“. Mittlerweile gibt sich Haslauer staatstragender.

Polterer Pühringer. Von den meisten seiner Amtskollegen lässt sich das nicht unbedingt behaupten. Sie wurden mit Fortdauer der Amtszeit selbstsicherer und deshalb lauter, aber auch weniger kritikfähig. Josef Pühringer, der heuer sein 20. Landeshauptmann-Jubiläum feiert, steht nach einhelliger ÖVP-Meinung nicht auf derselben Patriarchenstufe wie Erwin Pröll, der noch länger, seit 1992, im Amt ist. Aber auch Pühringer ist mit den Jahren unduldsamer geworden. „Wenn ihr das macht, hau ich euch in die Pfanne, dass das Fett spritzt“, drohte er vor einigen Wochen den Spitalsärzten, die während der Gehaltsverhandlungen mit dem Land keine Überstunden mehr machen wollten.

Von Hans Niessl sind ähnliche Wutausbrüche überliefert. Auch der Burgenländer, seit bald 15 Jahren Landeschef, hat sich verändert, ist machtbewusster geworden. „Erfolgreiche Landeshauptleute erwerben durch die Wahlergebnisse eine Stellung als Primissimus inter Pares, die das Amt nicht per se beinhaltet“, sagt die Universitätsprofessorin Irene Etzersdorfer, eine Expertin für Political Leadership. Anders gesagt: Mit einer absoluten Mehrheit im Rücken entscheidet man vielleicht chefmäßiger als der Kollege, der nur 30 oder 25 Prozent hat. Das könne auch zu antidemokratischen Tendenzen in der Amtsführung führen.

Wie Machterhalt funktioniert, muss man den meisten Landeshauptleuten nicht erklären. Populistische Töne und/oder die Vereinnahmung der Landesmedien sind in etlichen Bundesländern part of the game. Rückschlüsse auf die Persönlichkeitsstruktur des Landeshauptmanns ließen sich deshalb aber noch nicht ziehen, erklärt Etzersdorfer. „Vielleicht gibt es da und dort einen narzisstischen Wesenszug, weil man sich die Strapazen dieses Amtes und die Entfremdung von einem selbstbestimmten Leben sonst nicht antun würde. Aber das heißt nicht, dass alle so sind.“ Außerdem seien Ferndiagnosen schwierig.

Neuer Stil. Jedenfalls wurde die Generation Häupl/Pröll noch anders und durchaus patriarchalisch sozialisiert. Als er in die Politik gekommen sei, habe es keine Debatten über Emanzipation und Minderheitenpolitik gegeben, erinnert sich Schausberger. „Das war für uns neu.“

Im Gegensatz zu ihren Vorgängern muten die heutigen Landeshauptleute daher fast schon antiautoritär an. Verglichen mit Eduard Wallnöfer, Tiroler Landeshauptmann von 1963 bis 1987, ist Günther Platter nachgerade still und sanft. Und im Vergleich zu Theodor Kery, der das Burgenland von 1966 bis 1987 regiert hat, wirkt Hans Niessl, der in der SPÖ nicht gerade zum linken Flügel zählt, wie ein bescheidener, feministisch gesinnter Gutmensch.
 

Es gibt wenig, was Menschen ratloser und grantiger macht als widersprüchliche Botschaften. Doch genau diese sendet Maria Vassilakou permanent aus: Einerseits will sie um jeden Preis weiterregieren, andererseits lässt sie keine Gelegenheit aus, dem Herrn Häupl (die Bürgermeisteranrede verwehrt sie ihm derzeit) ihre moralische Entrüstung vor die Füße zu spucken.

Das Ziel der Hart/Weich-Strategie, die die Grünen beim Wahlrecht schon länger fahren, ist klar: Man will in der Partei und der Wählerschaft sowohl jene zufrieden stellen, die in der Koalitionen bleiben wollen, als auch jene, die gehen wollen. Doch die empört zitternde Duldungsstarre verstört beide. Die Grünen wirken weder wie kühle Machtpragmatiker noch wie aufrechte Rebellen. Sondern eher wie eine Kreuzung aus Rumpelstilzchen und Sesselkleber. Wütend, aber harmlos. Und so könnte Vassilakou das Schicksal ereilen, das sie eigentlich der SPÖ (die mit ihrer Njet-Botschaft immerhin konsistent war) prophezeit hat: Der Wahlrechtsstreit könnte der Glaubwürdigkeit der Grünen nachhaltig schaden.

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