Donnerstag, 30. April 2015

Das Geheimnis des Medizinalrats

Von Hansjörg Müller. Aktualisiert am 29.04.2015 
Der Wiener Arzt Peter Fabjan ist Universalerbe Thomas Bernhards. Wo sich der Nachlass des Jahrhundert-Dramatikers befindet, mag er nicht verraten.

Die Beziehungen, die den österreichischen ­Dramatiker Thomas Bernhard mit der Aussenwelt verbanden, waren komplizierte. Auch sein Halbbruder und zeitweiliger Leibarzt Peter Fabjan blieb nicht verschont: «Etwas Fürchterliches» sei passiert, berichtete Bernhard am Morgen des 24. Februar 1972 seinem Freund und Eckermann Karl Ignaz Hennetmair.
Mehr als zwei Stunden später als vereinbart sei Fabjan am Abend zuvor zur Visite erschienen. «Setz dich hin», habe er ihn, Bernhard, geheissen, und dies «in so einem Ton, wie sie das im Spital zu den Bauern sagen». ­Woraufhin der weltberühmte Literat den regional bekannten Internisten hinauswarf, verbunden mit der Aufforderung, ihm ja nicht mehr ins Haus zu kommen. «Jetzt weiss ich endgültig, dass ich mit ihm als Arzt nicht rechnen kann, und für meine Arbeiten hat er ja noch nie Verständnis gezeigt», soll Bernhard damals laut Hennetmair geklagt haben.
Eine beachtete Randfigur
Das Zerwürfnis blieb nicht von Dauer, wahrscheinlich auch, weil der lungenkranke Bernhard einen Arzt brauchte, der ihm auch ausserhalb der Sprechzeiten zur Verfügung stand. Heute ist ­Fabjan Universalerbe des 1989 verstorbenen ­Bernhard und als solcher zu einer beachteten Randfigur des Literaturbetriebs geworden. Neun Jahre nach seines Halbbruders Tod gründete er die Thomas-Bernhard-Privatstiftung, eine «gemeinnützige ­Einrichtung (…) mit dem Zweck, den Dichter im In- und Ausland zu vertreten», wie es auf ihrer Homepage heisst. Vor allem aber betrieb die ­Stiftung ein Archiv in der Villa Stonborough-­Wittgenstein, einem hochherrschaftlichen Anwesen am Ufer des oberösterreichischen Traunsees.
Am 1. Januar stellte das Archiv, in dem sich ein Teil des Bernhard-Nachlasses befand, den Betrieb ein; der Vertrag mit Archivleiter Martin Huber wurde aufgelöst, gemäss Fabjan «im gegenseitigen Einvernehmen». Grund für das Zerwürfnis ist dem Vernehmen nach ein Projekt, das der Arzt zusammen mit der Österreichischen ­Akademie der Wissenschaften und dem Suhrkamp-Verlag vorantrieb – und dies, ohne Huber zu informieren: die Digitalisierung der Archiv-Bestände zwecks Erstellung einer historisch-­kritischen Bernhard-Ausgabe. Schwere Vorwürfe stehen seither gegen Fabjan im Raum, allen voran der, er nehme Geld vom Staat und mache damit, was er wolle: Jährlich 88 000 Euro erhält die Privatstiftung jährlich von der Republik Österreich, weitere 22 000 von der Gemeinde Wien.
«Die Feuerwehr ist auch nicht weit»
Der naheliegenden Frage, wo sich der Bernhard-Nachlass seit der Schliessung des Archivs befindet, ist nun die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» nachgegangen. Ein Reporter hat den Medizinalrat Dr. Peter Fabjan in dessen Domizil aufgesucht, in der Blutgasse 3/2 gleich hinter dem ­Wiener Stephansdom. Fabjan gab sich bedeckt: «Ich möchte das eigentlich nicht in der Zeitung lesen», erklärte er. Gleichwohl bemühte er sich, allfällige Sorgen zu zerstreuen: Man könne davon ausgehen, «dass alles bestmöglich untergebracht ist. Klimatisiert, polizeilich überwacht, und die ­Feuerwehr ist auch nicht weit.

»Einsichtnahme in die Archiv-Bestände ist laut Fabjan möglich. Allerdings nur für den, der es vermöge, die Thomas-Bernhard-Privatstiftung von einem «begründeten wissenschaftlichen Interesse» zu überzeugen.(Basler Zeitung)

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