Montag, 16. März 2015

Öffentliche Hand lässt sich bei Barrieren länger Zeit

Während Geschäfte ab 2016 barrierefrei sein müssen, lässt sich der Bund bis 2020 Zeit. NÖ hat sich ebenfalls bis dahin eine Frist gesetzt, Wien bis 2043.
Bei seiner Kritik an den vielen Bundesvorgaben, unter denen die Wirte in Österreich leiden, hatte Landeshauptmann Erwin Pröll in der ORF-Pressestunde vor kurzem auch die vorgeschriebene Barrierefreiheit genannt. Darauf gab es heftige Kritik von Behindertenverbänden. Seither ist das Thema in der breiten Öffentlichkeit bekannt. Was aber steht hinter dieser Vorgabe?

Grundlage ist das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG), das Anfang 2006 in Kraft trat und dessen Übergangsfrist zum Jahreswechsel ausläuft. Bis dahin haben Betriebe also noch Zeit, ihre Lokale und Geschäfte behindertengerecht umzugestalten. Ansonsten drohen saftige Strafen (siehe Artikel unten).
Sauer stößt vielen Unternehmern dabei eine Spezialregelung auf. „Wir haben kein Verständnis dafür, dass öffentliche Gebäude im Gegensatz zu den Betriebsgebäuden bis Ende 2019 vom Geltungsbereich der neuen Bestimmungen ausgenommen sind“, sagt Sonja Zwazl (VP), Präsidentin der Wirtschaftskammer NÖ. Und: „De facto stellt dies den Sinn des Gesetzes infrage, da es bei Amtswegen ja kaum Ausweichmöglichkeiten für behinderte Mitbürger gibt.“
„De facto stellt dies den Sinn des Gesetzes infrage, da es bei Amtswegen ja kaum Ausweichmöglichkeiten für behinderte Mitbürger gibt.“
Sonja Zwazl, Präsidentin der Wirtschaftskammer NÖ, zur Umbau-Ausnahme bei Gebäuden des Bundes
Verärgert ist auch Michael Svoboda, Präsident des Behindertenverbandes KOBV Wien, NÖ und Burgenland: „Es ist nicht einzusehen, dass der Privatwirtschaft die Umsetzung mit Ende 2015 zugemutet wird und sich die öffentliche Hand aus der Verantwortung nimmt und sich eine längere Frist gibt.“

„Die Regelung kennt man schon seit zehn Jahren“, entgegnet Norbert Schnurrer, Sprecher von Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SP). Die Betriebe hätten schon bislang genug Zeit für eine Umstellung gehabt.
Warum aber hat sich dann der Bund eine Ausnahmeregelung gegönnt? „Es stehen relativ viele Gebäude unter Denkmalschutz, daher hat man 2011 diese Fristverlängerung beschlossen“, sagt Schnurrer. In den allermeisten Bereichen des Bundes, wie etwa auf Finanzämtern, wo Publikumsverkehr herrsche, habe man die Barrierefreiheit ohnedies schon umgesetzt.

Sechs Länder ohne gesetzliche Abbaupläne

Doch das BGStG findet im öffentlichen Bereich – grob gesagt – nur Anwendung auf die Tätigkeiten des Bundes und seiner Unternehmungen. In den Ländern und deren Gemeinden ticken die Uhren anders: In Wien, Tirol und der Steiermark gibt es aufgrund von Landesgesetzen zwar langfristige Etappenpläne zum Abbau von Barrieren. In den übrigen Bundesländern sucht man nach rechtlich verbindlichen Vorgaben vergebens.
Behindertenvertreter Michael Svoboda ist darüber – ob mit oder ohne Zeitplan – nicht glücklich, „weil man von den Ländern und Gemeinden eine gewisse Vorbildwirkung erwarten könnte.“ Er wisse aber, dass in den Ländern und Gemeinden sehr viel in Richtung Barrierefreiheit passiert oder geplant sei.
Auch NÖ-Gleichbehandlungsbeauftragte Christine Rosenbach vermisst gesetzlich vorgegebene Etappenpläne für die Nachjustierung von öffentlichen Gebäuden im Land. Viele Dienststellen wie Bezirkshauptmannschaften, Pensionistenheime oder Kindergärten seien auch so schon nachgerüstet worden.

Über 1.000 Immobilien zu durchforsten

Warum gibt es also im NÖ Antidiskriminierungsgesetz keinen Umrüstplan für Gebäude der öffentlichen Hand? Es bleibe Aufgabe in den einzelnen Materiengesetzen, gemäß den Antidiskriminierungsbestimmungen Regelungen zu treffen, heißt es aus dem Büro von Soziallandesrat Maurice Androsch (SP). „Für Landesbauten ist der Landeshauptmann selbst zuständig, sofern diese Aufgabe keinem anderen Mitglied der Landesregierung zugewiesen wird“, sagt Androsch.
„Der Landeshauptmann hat schon lange angeordnet, dass Barrierefreiheit in Landesgebäuden gewährleistet sein muss und es gibt einen klaren Ausbauplan dafür“, heißt es aus dem Büro von Erwin Pröll. Dafür brauche es kein Gesetz. Schon jetzt wären 85 Prozent der betroffenen rund 240 Gebäude barrierefrei, bis 2020 solle der Rest folgen.
Ohne verbindliche Landesregelung sind allerdings die Gemeinde-Gebäude in NÖ an keinen Zeitplan gebunden. Die Kommunen bestimmen somit selbst, ob und wann was umgebaut wird.
In Wien wurde hingegen 2012 im Wiener Antidiskriminierungsgesetz ein 30-jähriger Etappenplan aufgesetzt. „Land und Gemeinde Wien verpflichten sich zum Abbau von Barrieren bis Ende 2042“, erklärt An dreas Meinhold von der Wiener Baudirektion.

Über 1.000 Immobilien müssten durchforstet werden, wobei nicht überall Parteienverkehr herrsche. Wichtige Dinge wie Aufzüge würden rasch umgesetzt, die übrigen Sachen erst später, weiß Meinhold. Auch müssten bestimmte Objekte stillgelegt oder verkauft und Institutionen umgesiedelt werden, sollten Umbauten nicht machbar sein.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen