Donnerstag, 19. März 2015

Immer mehr Salzburger sind wohnungslos


THOMAS NEUHOLD, STEFANIE RUEP





Rund 1500 Salzburger sind wohnungslos, immer mehr kommen bei Bekannten unter

Salzburg - Die Wohnungsnot in der Stadt Salzburg hat einen neuen Rekord erreicht. 1459 Menschen waren im Oktober 2014 wohnungslos, 374 davon sind Kinder und Jugendliche.Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Wohnungslosen um 200 Personen gestiegen, in den letzten zehn Jahren hat sie sich mehr als verdoppelt. Die Dunkelziffer dürfte noch höher liegen: Menschen, die keine der 38 Betreuungseinrichtungen aufgesucht haben, scheinen in der Erhebung nicht auf.

"Seit Jahren warnen wir vor den steigenden Zahlen, geändert hat sich gar nichts", kritisierte Robert Buggler von der Armutskonferenz. Das zeige auch die zunehmende Privatisierung der Wohnungslosenhilfe. Ein Drittel der Betroffenen müsse bei Bekannten und Freunden Unterschlupf suchen, da Hilfseinrichtungen bereits überfüllt seien. "Die Betroffenen werden nur eine Zeitlang bei Bekannten geduldet, und das Konfliktpotenzial ist hoch", sagte Petra Geschwendtner von der Sozialen Arbeit GmbH. Dass die Hilfe vermehrt in den privaten Bereich verdrängt werde, sieht Buggler als "Folge des Fehlens politischer Verantwortung".

Von Zwangsmobilität betroffen

Gleichzeitig sei die maximale Wohnunterstützung der Mindestsicherung von derzeit 380 Euro pro Person in den letzten Jahren gesunken, während die privaten Mietpreise laut AK dramatisch gestiegen sind, auf derzeit rund 544 Euro. "Unsere Beratungsleistung beim Wohnen geht vollkommen ins Leere", betonte Geschwendtner. Leistbare Wohnungen gebe es einfach nicht. Viele seien auch von Zwangsmobilität betroffen: "Sie pendeln zwischen Notschlafstellen, privaten Pensionen, Freunden, manchmal auch Krankenanstalten."

Salzburg ist das einzige Bundesland, das die Anzahl der Wohnungslosen überhaupt erhebt. Die Studie sei seit Jahren ein "Privatvergnügen" der Armutskonferenz und des Forums für Wohnungslosenhilfe, betonte Robert Buggler. Am Mittwoch hat der Landtag erstmals eine offizielle Erhebung beschlossen. "Das ist ein erster Schritt. Nun muss auch die Stadt nachziehen", forderte Buggler.

Kontingentwohnungen gefordert

Eine langjährige Forderung der Wohnungsloseninitiativen ist, dass Sozialeinrichtungen ein fixes Wohnungskontingent von der Gemeinde zur Verfügung gestellt bekommen. Diese Wohnungen können dann im Ermessen der Einrichtungen an Wohnungslose vergeben werden.

Als Good-Practice-Beispiel wurde beim Salzburger Wohnungslosentag die Stadt Graz hervorgehoben. In der steirischen Landeshauptstadt stelle das Wohnungsamt den Sozialeinrichtungen derzeit 200 solcher Kontingentwohnungen zur Verfügung, sagte die ressortzuständige Grazer Stadträtin Elke Kahr (KPÖ) bei ihrem Vortrag. Dort hätten die Hilfseinrichtungen ein direktes Zuweisungsrecht, ohne dass das Amt mit dem Vorgang befasst sei.

Die in Salzburg ressortzuständige Vizebürgermeisterin Anja Hagenauer (SPÖ) hält vom Grazer Modell wenig. Das Problem sei, dass diese Wohnungen unbefristet vergeben werden. "Da kann ich gleich eine normale Wohnung vergeben", argumentiert Hagenauer. (Thomas Neuhold, Stefanie Ruep, DER STANDARD, 20.3.2015)

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