Dienstag, 31. März 2015

Gernot Bauer: Die verlorene Würde des Michael H.

Wie Michael Häupl sich und seiner Partei die Würde genommen hat.
Die Wiener SPÖ verspricht dem grünen Gemeinderat Senol Akkilic ein sicheres Mandat (Monatsgehalt: 6523 Euro) und bringt ihn damit zum Überlaufen. Frank Stronach kaufte sich vor zwei Jahren wenigstens nur Oppositionsmandatare, Häupl shoppt sogar beim eigenen Koalitionspartner und kommentiert das mit den Worten: „Die Grünen haben geglaubt, wir lassen uns das (Initiativen für ein faires Wahlrecht in Wien, Anm.) einfach so gefallen.“

Häupls Verhalten ist Folge seiner Hilflosigkeit
Was ist mit dem Wiener Bürgermeister eigentlich los? Er pöbelt gegen den Finanzminister. Er pflanzt seine Bürger, indem er ihnen den wahlkampfbedingten Verzicht auf Gebührenerhöhungen als Wohltat verkauft. Er fällt der eigenen Bundespartei regelmäßig in den Rücken. Häupl war schon immer eigensinnig. Im Alter wird er offenbar zum Starrkopf. Wie viele Machtmänner versäumte er es, Abschied und Nachfolge beizeiten zu ordnen. Und nun scheint Häupl in ansteigender Nervosität zu befürchten, seine Karriere mit einer krachenden Niederlage gegen die Blauen zu beenden.


Häupls Verhalten ist Folge seiner Hilflosigkeit. Und er richtet damit dreifachen Schaden an. Er diskreditiert seine eigene und jede zukünftige rot-grüne Koalition. Er opfert ausgerechnet die Integrationspolitik einer machiavellistischen Frivolität – unter Mittäterschaft von Akkilic, ein bereits politisch Untoter, der mangels Glaubwürdigkeit nichts mehr für Migranten bewirken kann. Und er hat den Ruf der Bundeshauptstadt beschädigt. Was ihm wahrscheinlich wurscht ist: In der Not handelt Michael Häupl instinktsicher als Vorsitzender der Wiener SPÖ und nicht als Bürgermeister der Stadt Wien.

Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) bestreitet, den Grünen Gemeinderat Senol Akkiliç abgeworben zu haben, um eine Wahlrechtsreform gegen die SPÖ zu verhindern: "Akkiliç ist nicht gekauft worden", erklärte der Stadtchef Montagabend in "Wien Heute". Auf ihn zu verzichten wäre aus Häupls Sicht aber "vielleicht ein bissl zu viel des Altruismus" gewesen.
Es sei nicht so, dass die SPÖ Mitglieder anderer Parteien abwerben, aber: "Wenn jemand zu uns kommen will, nehmen wir ihn auf." Fix ist eine Kandidatur von Akkiliç für seine neue Partei zwar noch nicht, der Bürgermeister würde sie aber für gut halten. Denn Akkiliç könne bestimmte Qualitäten im Integrationsbereich, die bei der SPÖ benötigt würden, ausfüllen.
Nach dem Wahlrechts-Coup der Wiener SPÖ am Freitag lösen sich die Stadt-Grünen langsam aus ihrer Schockstarre. Nun wird nach dem Verantwortlichen gesucht, der für das Debakel zuständig ist. Rathaus-Insider machen interne Machtkämpfe dafür verantwortlich. Am 13. April soll es in der Landeskonferenz zum Showdown kommen.
Trotz ihrer Niederlage beim Wahlrecht  hält Maria Vassilakou an der Koalition mit der SPÖ fest und möchte mit ihrem Team bis Herbst weiterarbeiten . Hinter den Kulissen spielen sich währenddessen allerdings wilde Szenen im grünen Rathausklub ab. Ein Klubmitglied spricht gar von Intrigen in den eigenen Reihen - mit dem Ziel, Vassilakou "rauszubeißen".
Anstifter des Komplotts soll niemand Geringerer als David Ellensohn sein. Der Klubobmann verhandelte mit den Roten über ein neues Wahlrecht. Laut Insidern soll er absichtlich Informationen zurückgehalten haben und schuld sein, dass ein Kompromiss nicht zustande gekommen ist, um Vassilakou zu schwächen.

Grüne Basis: "Arsch der SP aus unserem Gesicht nehmen"

Auch in der Basis brodelt es: "Beenden wir diese Koalition", appelliert etwa der Klubobmann der Grünen Ottakring, Joachim Kovacs, in seinem Blog . "Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende." Kovacs nimmt sich weiters kein Blatt vor den Mund: Unter anderem beschreibt er den jüngsten "Akt des Machterhalts" der SP als "unwürdig" und "beschämend". "Das Vertrauen ist längst zerbrochen. Was spricht denn noch für eine Fortsetzung einer Koalition, wenn sich der Partner mit dem Arsch auf dein Gesicht setzt? Was? (...) Nehmen wir den Arsch der SP aus unserem Gesicht", schreibt Kovacs, "und zeigen ihnen, mit den Wiener_innen gemeinsam, wo es langgeht."
Nach den Osterferien soll es am Montag, dem 13. April, in der Landeskonferenz schließlich zum Showdown kommen.

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