Sonntag, 8. März 2015

Alle Register.


Acht Monate Wahlkampf in Wien. Der Bürgermeister hat mit der Verteilung seiner Wahlzuckerln begonnen.

Ein Glück, dass die Wiener Stadtregierung noch viel gemeinsam erarbeiten will vor der Wahl, denn es gibt eine Menge zu tun - das aktuelle Barometer nämlich zeigt, dass die Stimmung in der Bundeshauptstadt momentan nicht so prickelnd ist. Laut unique- Research (Sample 500) zeigt der "Klima- Pfeil" vom Mittelwert immer mehr Richtung "überhaupt nicht gut".

Die Wiener SPÖ kann solcherart Aktivität simulieren. Das ist immer hilfreich – vor allem wenn die Bilanz der letzten Jahre im öffentlichen Eindruck von zwei wenig wählerattraktiven Faktoren geprägt ist, von denen man dringend ablenken möchte: von gigantischen Gebührenerhöhungen und von Hunderten Millionen, die für Bestechungsinserate und Imagekampagnen verschwendet worden sind.

Die Ideen für Wien werden uns heute und morgen beschäftigen. Alle sind getragen von dem G'spür, das diese Partei für soziale Sicherheit, Chancen und Gerechtigkeit und die Zukunft hat. Wir sind gerüstet für die nächsten fünf Jahre, wir haben den besten Bürgermeister von allen - er hat 20 Jahre gezeigt, wie's geht. Er hat das beste G'spür für die Wienerinnen und Wiener. Er ist die Nummer 1 für Wien. Gehen's wir gemeinsam an - dann können wir 2019 100 Jahre sozialdemokratische Bürgermeister in Wien feiern. Freundschaf! So könnte es aussehen, aber die WienerInnen werden sich diesmal nicht von ihm verarschen lassen. Die Gebühren wurden erst letztes Jahr erhöht, ohne einen wirklichen Grund zu nennen. Unser schöner und guter, lieber Bürgermeister hat wirklich gemeint, dass durch den Zuzug nach Wien neue Kanäle gebaut werden müssten und das kostet Geld. Aber ein Zuzug nach Wien bringt auch Geld – Steuern. Die Nummer 1 hat das wirklich verschwitzt. So wie er vieles vergisst. Ob die Rechnung Häupls aufgehen kann? Für die Wiener SPÖ spricht das Wahlrecht, das ihr (und der FPÖ) mehr Mandate zuspricht als sie Stimmen hat. Nicht umsonst will die SPÖ alle Hebel der Geschäftsordnung nutzen, um dieses Wahlrecht gegen die gemeinsame Mehrheit der anderen Parteien zu schützen.

Michael Häupl hat sich für seine letzte Wahl etwas vorgenommen. Sein Wahlkampf soll nicht so farb- und erfolglos wie 2010 sein. Damals war Häupls Ruf nach einer Abstimmung über das Bundesheer der größte Heuler. Die Absolute ging verloren, später auch die Heeres-Volksbefragung.

Jetzt will der Bürgermeister gewinnen. Er gibt sich kämpferisch wie lange nicht und stemmt sich mit seiner ganzen politischen Routine gegen matte Umfragewerte. Ja, er will das Unmögliche schaffen: Die absolute Mehrheit bleibt das Ziel.

Daher zieht Häupl alle Register und holt bewährte Erfolgsrezepte seiner Partei aus der Versenkung. Keine Gebührenerhöhungen in den kommenden zwei Jahren, der Bau neuen Gemeindewohnungen, das war erst der Anfang. Klar, dieser Wahlkampf kann teuer werden, auch für den Steuerzahler. Spannender als 2010 wird er in jedem Fall sein.

Seiner grünen Koalitionspartnerin begegnet Häupl schon seit Wochen mit der ihm eigenen Mischung aus Selbstbewusstsein und Überheblichkeit.
Mit dem Gebührenstopp - im Wahlkampfjargon "Kaufkraftpolster" genannt - folgte nun das erste Zuckerl. Wo andere Politiker und Regierungen ihren Bürgern Einsparungen und Reformen zumuten, breitet Häupl seinen schützenden Mantel aus. Das Motto der Klubtagung spricht Bände: "Für Wien brauchst a Gspür."


Die SPÖ will insgesamt das Image der Wiener Gemeindebauten wieder anheben. Das hat sie ja in den letzten Monaten schon mit allem Krampf durch eine teure Plakataktion versucht. In Wahrheit aber verschweigen immer mehr der Gemeindebaubewohner (rund eine halbe Million Menschen, also mehr als jeder vierte Wiener!) bei ihren beruflichen und sozialen Kontakten, dass sie in einem Gemeindebau wohnen. Denn fast jeder Gesprächspartner würde mit Gemeindebau sofort eine Mischung aus asozialen Alkoholikern, Zuwanderern (mit und ohne Staatsbürgerschaft) und verbitterten Pensionisten assoziieren. Auch wenn dieses Image natürlich ein arg verzerrtes ist, ist es als solches doch ein kaum mehr ausrottbares Faktum.

Obwohl in jenen „goldenen Zeiten“, von denen Häupl wieder träumt, für den Erhalt einer Gemeindewohnung ein SPÖ-Parteibuch sehr hilfreich gewesen ist, erzielt die FPÖ inzwischen gerade im Gemeindebau-Milieu ihre größten Erfolge. Etliche Analysen zeigen, dass die FPÖ bei den inländischen Arbeitern schon deutlich vor der SPÖ liegt (bei Pensionisten und Zuwanderern freilich nicht). Und da versucht die SPÖ jetzt halt die Schlacht um den Gemeindebau aufnehmen. Und sie glaubt, das gelinge leichter, wenn sie wieder Gemeindebauten errichtet, wenn sie sich also nicht mehr wie in den letzten Jahren von diesen schon durch das indirekte Signal distanziert, dass man keine neuen mehr baut. Außerdem glauben wohl manche in der SPÖ, dass in den neuen Gemeindebauten der Hausmeister wieder eine propagandistisch für die Partei positive Rolle spielen wird.

Die Präsentation der Steuerreform ist für den 17. März geplant. Wien wählt sieben Monate später. Ist Häupl mit dem Ergebnis zufrieden, wird er einen Teil des Erfolges für sich reklamieren. Ist er aber nicht zufrieden oder platzen Entlastung und Koalition, bleibt dem Wiener Bürgermeister genug Zeit für eine Neuaufstellung. Einer wäre dann vermutlich nicht mehr Teil des Spiels: Werner Faymann. Er stünde Häupl und dem Erhalt der Macht im Weg.

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