Donnerstag, 22. Januar 2015

So teuer ist Wohnen in Österreich

Der Wohnaufwand für Mietwohnungen liegt in Österreich unter dem EU-Durchschnitt. "Wohnen muss billiger werden", verlangt der Wiener Arbeiterkammer-Präsident Rudi Kaske.

Wien. Der Wohnaufwand für Mietwohnungen liegt in Österreich unter dem EU-Durchschnitt, doch haben Junge und Einkommensschwächere hierzulande Probleme am Wohnungsmarkt. Zu diesem Schluss kommen der Österreichische Verband der Immobilienwirtschaft (ÖVI) und die Autorin einer von ihm beauftragten Studie. In Sozialwohnungen sollten die Mieten steigen können, wenn die Einkommen später wachsen, will der ÖVI.
Die regelmäßige Überprüfung der Einkommen von Bewohnern von Gemeinde- oder Genossenschaftswohnungen, die in Österreich fast 60 Prozent aller Mietwohnungen stellen, könnte sich an den Regeln für die sogenannte "Superförderung" orientieren, die es in einigen Bundesländern gebe, sagte ÖVI-Geschäftsführer Anton Holzapfel am Donnerstag in einem Pressegespräch. Die Mittel aus höheren, marktkonformen Mieten könnten dann den Neubau mitfinanzieren. Bei einer Reform könnten sich die Bundesländer natürlich in einer Gesamtschau auch die entsprechenden Wohnbauförderregeln für Eigenheime vorknöpfen.
Das "versteinerte" Miet-Richtwertsystem sollte angepasst werden, forderte Holzapfel. Insbesondere der "künstlich niedrig gehaltene" Richtwert in Wien stelle für den Markt ein erhebliches Problem dar. Hier könnte man durchaus auf ein Niveau wie in der Steiermark oder in Salzburg anheben. Denn weder die Grund- noch die Baukosten seien etwa in der steirischen Stadt Leibnitz höher als in Wien. In Wien liegt der Richtwert bei 5,39 Euro/m2, in der Steiermark und Salzburg bei 7,44 bzw. 7,45 Euro/m2. Der ÖVI-Geschäftsführer ist aber weniger für eine fixe Größe - "damit kann man nicht soziale Gerechtigkeit schaffen" -, sondern für ein für Mieter und Vermieter passendes Preis-Leistungs-Verhältnis. Klar sei, dass private Investoren in einem Mietumfeld von 6 bis 7 Euro pro m2 zögerlich seien. Letztlich müsse das Angebot vergrößert werden; auch die Gemeinde Wien sollte wieder Bauten errichten, so der ÖVI.
Die Ökonomin Agnes Streissler (wirtschaftspolitische projektberatung e.U.) wies darauf hin, dass in Österreich die Wohnkosten für Mietwohnungen (inkl. Betriebs- und Energiekosten) mit 602 Euro monatlich unter dem EU-15-Schnitt von 617 Euro liegen, allerdings mit gewissen Abweichungen. So müssen etwa Alleinerziehende mit 642 Euro hierzulande mehr berappen als in der EU (602 Euro), Single-Senioren-Haushalte (Über-65-Jährige) mit 440 Euro jedoch im Schnitt weniger als in der EU (471), jeweils nach Kaufkraftparitäten gerechnet.
Der Anteil des Wohnens an den Haushaltsausgaben liege laut Eurostat-Daten in Österreich bei 22 Prozent der gesamten Haushaltsausgaben, in der EU-15 und der EU-28 sind es aber 24 Prozent. Umgekehrt weise Österreich bei den Freizeitausgaben mit 23 Prozent Anteil jedoch den höchsten Wert in der gesamten Union auf (EU-15: 18, EU-28: 17 Prozent). Beim Verkehr liegt unser Land mit 13 Prozent gleichauf mit der EU.
Während der Sozialstaat in Österreich beim Mittelstand und bei Niedrigeinkommen funktioniere, sei es am Wohnungsmarkt anders, so die Expertin. Jüngere und sozial schwächere Menschen hätten hier sehr wohl Schwierigkeiten, obwohl der Anteil der Wohn- und Energiekosten langfristig in Summe "nur" von 17 auf 22 Prozent gestiegen sei. Im Schnitt würden 20 Prozent der Mieter in Österreich in Gemeindewohnungen leben, bei jenen mit niedrigem Einkommen sei es ein Viertel, bei den mittleren und oberen Einkommen aber noch immer 18 bzw. 10 Prozent - "und bei den oberen Einkommen sprechen wir von 40.000 Euro pro Kopf und Jahr", so Streissler.
Noch krasser sei es bei den Genossenschaftswohnungen (Österreich-Schnitt 38 Prozent): bei den Niedrigeinkommen liege der Anteil bei einem Viertel, bei den mittleren Einkommen dominiere diese Wohnform, und bei den Top-Einkommen seien es noch immer 40 Prozent. Umgekehrt seien 50 Prozent der Niedrigeinkommensbezieher auf den privaten Wohnungsmarkt angewiesen, im Gesamtschnitt 42 Prozent.
Speziell neue Mietverträge sind teuer. Bei Gemeindewohnungen legten die Neumieten von 2005 bis 2012 von 5,5 auf 6,1 Euro/m2 und Monat zu, die Bestandsmieten von 4,8 auf 5,6 Euro. In Genossenschaftsbauten wuchsen die Neumieten von 5,4 auf 6,3 Euro, die Bestandsmieten von 5 auf 5,8 Euro. Bei privaten Hauptmieten (Baujahr nach 1945) zogen die Neumieten von 6,4 auf 8,4 Euro an, die Bestandsmieten von 5,3 auf 7 Euro und bei Häusern von vor 1945 (laut Holzapfel nur noch 19.000 Verträge) von 6,3 auf 7,9 für Neu- bzw. von 4,8 auf 6,2 Euro bei Bestandsmieten.
Dass sich Wohnen langfristig verteuert hat, liegt laut Streissler auch den gewachsenen Ansprüchen und auch der größeren Fläche der Behausungen, absolut und vor allem pro Kopf. Ja, es sei richtig, dass sich der Arbeitsstunden-Aufwand eines Industriearbeiters für eine 70 m2 große Wohnung der Kategorie A von 1986 bis 2013 um etwa zwei Stunden von 37 auf 39 erhöht habe, "zugleich leben wir aber heute in größeren und besser ausgestatteten Wohnungen", so die Expertin. 1986 waren erst 40 Prozent der Mietwohnungen der Kategorie A zuzurechnen, 2013 bereits 92 Prozent. Die Forderung nach einer Deckelung der Mieten sei zwar "intuitiv eingängig", das Wohnungsangebot nehme aber ab, wenn Vermietung nicht mehr so lukrativ sei. Österreich sei im OECD-Vergleich ohnedies "recht reguliert", erstaunlicherweise aber nicht im Sozialwohnbau. "Es gibt kaum einen Zusammenhang zwischen Regulierung und niedrigen Wohnkosten", so Streissler.
Arbeiterkammer rechnet nach
Für die gleiche Wohnung muss ein Durchschnitts-Arbeiter in Wien heute um fast ein Drittel länger arbeiten als noch 1990. Die Mietpreise in den Ballungszentren sind gestiegen, vor allem bei den privaten Mieten. Diese Ergebnisse der aktuellen Studie des Verbandes der Immobilienwirtschaft stärken die Arbeiterkammer in ihren Forderungen nach einer Mietrechtsreform und Wohnbauoffensive.
"Vielen Menschen laufen die hohen Wohnkosten davon, sie müssen dafür immer tiefer ins Geldbörsel greifen", sagt AK Präsident Rudi Kaske. "Die Mieter und Wohnungssuchenden müssen dringend entlastet werden. Beim Wohnen brauchen wir rasch einen Zeitplan für eine große Mietrechtsreform - so wie bei der Steuerreform. Eine Offensive im Wohnbau ist ebenso nötig", verlangt Kaske.
In Wien etwa hat sich die Anzahl der Stunden, die ein durchschnittlicher Industriearbeiter für eine 70 Quadratmeter Mietwohnung der Kategorie A arbeiten muss, von 31 Stunden pro Monat im Jahr 1990 auf 40 Stunden pro Monat im Jahr 2013 erhöht. Das heißt: Dieser durchschnittliche Arbeiter muss heute um beinahe 30 Prozent länger für die gleiche Wohnung arbeiten. In dieser Vergleichsrechnung wurden alle Mietwohnungen einbezogen. Da jedoch die privaten Mieten seit beinahe einem Jahrzehnt weit überproportional steigen, ist der Wert dort sicherlich deutlich höher. Das gilt auch für andere Ballungszentren, etwa Salzburg und Innsbruck, wo die privaten Mietwohnungen noch teurer sind als in Wien. Das zeigt die vom Verband der Immobilienwirtschaft beauftragte Studie.

"Wohnen muss billiger werden", verlangt Kaske. Konkret fordert die AK: klare Mietobergrenzen für private Altbau-Mietwohnungen, denn das Richtwertmietensystem bringt keine wirkungsvolle Begrenzung bei den Mieten. "Private Mietwohnungen mit einer sogenannten Richtwertmiete sind gleich teuer wie Mieten am freien Markt", so Kaske. Befristungen abschaffen; Betriebskosten senken; klare Erhaltungsregeln für VermieterInnen für die gesamte Wohnungsausstattung (etwa Elektroleitungen oder sanitäre Anlagen), nicht nur für die Heiztherme; weg mit den Maklergebühren für Mieter.

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