Montag, 19. Januar 2015

Buchverluste sind keine Verluste

Die Sache mit dem Schweizer Franken, die den Spekulations-Buchverlust der Gemeinde Wien aus ihren Franken-Finanzierungen vorige Woche schlagartig auf fast 600 Mio. Euro verdoppelt hat, legt das Schlaglicht wieder einmal grell auf die Bilanzierung der Länder: Ein Unternehmen mit einem so hohen plötzlichen Abwertungsbedarf hätte ein mittleres Problem.
Ein nach kameralistischen Methoden bilanzierendes Bundesland wie Wien nicht: Man „rolliert“ einfach in alle Ewigkeit, das heißt, man zahlt alte Franken-Kredite mit neuen Franken-Krediten zurück und hofft, dass die Spekulation irgendwann aufgeht. Und wenn nicht, ist auch nichts passiert. Zahlt ohnehin der Steuerzahler, wenn auch später – und als Finanzreferent ist man dann längst in Pension und im Sinne des Khol'schen Politiker-Unverantwortlichkeitsprinzips auch für nichts mehr verantwortlich.
Mit dieser Art von Bilanzierung hätte es übrigens keinen Bawag-Skandal gegeben (man hätte den Spekulationsverlust so lange weitergeschoben, bis man ihn zulasten des Eigentümers „wegbilanziert“ gehabt hätte). Und der Hypo-Skandal wäre wohl auch sehr viel später (dann allerdings umso heftiger) aufgebrochen.
Anders gesagt: Würde Wien nach der modernen Doppik bilanzieren, hätte die Finanzstadträtin jetzt Erklärungsbedarf. Nach der maria-theresianischen Kameralistik dagegen kann sie lächelnd auf „nix passiert“ machen. Wenigstens macht Wien den „Buchverlust“ öffentlich, was ja auch nicht zwingend sein müsste.
Der Rechnungshof verlangt von den Ländern schon lange, dass sie (auf ein beim Bund schon verwirklichtes) modernes Rechnungswesen umstellen. Der Finanzminister könnte es verordnen. Worauf wartet er eigentlich noch?

Ein Erratum steht auch an: Am 14.Jänner war an dieser Stelle im Zusammenhang mit Förderungen für Treibstoffe der Satz zu lesen: „Von der Rückvergütung für Agrardiesel reden wir da noch gar nicht.“ Das ist auch besser so, denn die steuerliche Begünstigung von Agrardiesel ist seit dem Abgabenänderungsgesetz 2012 Geschichte. Sorry für den Patzer.
  (Die Presse)

Finanzexperte Werner Doralt hat scharf kritisiert, dass die Bundesländer Wien und Niederösterreich die Folgen der Franken-Aufwertung auf ihre Verbindlichkeiten nicht ausweisen. Gebietskörperschaften dürften bei der Rechnungslegung nicht anders behandelt werden als Unternehmen, dass sie den Schaden durch den stärkeren Franken nicht zeigten sei "unverantwortlich" und "Scharlatanerie".
"Ich kann nicht sagen, ich weise diese Verluste nicht aus, weil ich den Kredit verlängern kann", rügte Doralt im Ö1-Mittagsjournal des ORF-Radio. Unternehmer müssten die Verbindlichkeiten jetzt in der neuen Höhe ausweisen, auch wenn der Kredit noch 30 Jahre laufe, und dies sollte auch für Gebietskörperschaften gelten, fordert Doralt.
Konkret ist der Schuldenstand der Gemeinde Wien durch den stärkeren Franken um 300 Mio. Euro gestiegen, die Frankenschuld betrage jetzt fast zwei Mrd. Euro, das seien rund 40 Prozent der Gesamtschuld der Bundeshauptstadt. Dass die Wiener Finanzstadträtin Renate Brauner (SPÖ) darin kein Problem sehe und dies nicht ausweisen werde, weil die Kredite verlängert werden könnten, ist laut Doralt ebenso unverantwortlich wie das Vorgehen des niederösterreichischen Finanzstadtrats Wolfgang Sobotka (ÖVP). Denn auch das Land Niederösterreich sitze auf Frankenkrediten im Wert von 900 Mio. Euro, das seien 30 Prozent der Gesamtschulden, und habe erst vor drei Monaten zwei Frankenanleihen über zusammen 300 Mio. Euro begeben, heißt es im Mittagsjournal. In Niederösterreich sei das Vorgehen noch dazu durch ein Landesgesetz legitimiert: "Wenn das Landesgesetz das zulässt, sind wir in dieser verantwortungslosen Situation, wo man Verluste, die eingetreten sind, nicht ausweisen muss - das ist Scharlatanerie", empört sich Doralt.

Die Freigabe des Franken-Euro-Kurses durch die Schweizer Notenbank (SNB) und die damit verbundene drastische Aufwertung des Schweizer Franken hat in Österreich Frankenkredite deutlich verteuert. Verhandlungen über einheitliche Finanzregeln in Bund und Ländern seien im Laufen, heißt es im Finanzministerium. (APA, 20.1.2015)

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