Dienstag, 27. Januar 2015

Alte Häuser, neue Wege

Wien. Seit den frühen Sechzigerjahren thront das Philipshaus wie eine Art Bezirkswahrzeichen für Favoriten auf dem Wienerberg. Es ist ein Koloss aus Beton und Stahl und wurde eigens für die Firma Philips entworfen. Die freischwebenden Seitentrakte des Gebäudes und der blaue Schriftzug mit dem Firmennamen auf dem Dach ließen es wie eine gigantische Reklametafel für den Elektronikkonzern wirken. Seit dem Auszug des Unternehmens 2013 hat das Gebäude mehrere Male den Besitzer gewechselt, ohne dass beschlossen worden wäre, was mit der 50 Jahre alten Immobilie, die von Experten immer wieder für ihre mangelnde Energieeffizienz kritisiert wurde, passieren soll.
Nun wird es durch die Immo-Investorengruppe 6B47 ("Six before seven"), die es 2014 um 11,5 Millionen Euro erwarb, saniert. "Bis vor einem Jahr hätte sich wohl kaum jemand vorstellen können, dass man mit dem Gebäude etwas anderes machen könnte, als Büros hineinzubauen. Aber wir sind drauf und dran zu beweisen, dass es doch geht", sagt Peter Ulm, Vorstandsvorsitzender von 6B47. Man denke dabei an eine ganze Reihe verschiedener Nutzungsmöglichkeiten, unter anderem an Wohnungen. Am äußeren Erscheinungsbild des Hochhauses werde dabei nichts verändert, denn es steht unter Denkmalschutz.
Die Wiederbelebung und Umwidmung solcher Objekte ist dem Unternehmen ein Anliegen. Der Bedarf an Wohnraum in Wien steigt stetig an, während gleichzeitig eine Menge ungenutzte Räume existieren. Die 2012 von der TU Wien durchgeführte Studie "Perspektive Leerstand" zeigt viele Ursachen für dieses Problem. Einerseits entstünde durch Veränderungen in Nutzungsansprüchen, etwa durch wirtschaftliche Verschiebungen, ein Vakuum, andererseits seien oft ungeklärte Eigentumsverhältnisse der Grund dafür, dass ein Haus ungenutzt bleibt.
Keine Scheu vor unsicheren Investitionen
Seit zwei Jahren gibt es leerstandsmelder.de, ein Online-Verzeichnis, das Auskunft über leer stehende Häuser gibt. Wer sich auf der Website als Benutzer registriert, kann leer stehende Gebäude in seiner Umgebung melden und auf einer Karte eintragen. Gegenwärtig scheinen 220 solcher Leerstandsmeldungen für Wien auf, wobei einige der gelisteten Gebäude mittlerweile abgerissen oder von Entwicklern gekauft wurden. Tatsächlich weiß niemand genau, wie viele Häuser und Wohnungen in Wien leer stehen, denn die letzte Erhebung dazu ist zwanzig Jahre alt.
6B47 verfolgt auch teure Projekte. "Ich sehe die Wohnungsentwicklung ein bisschen ähnlich wie die Wohlstandsentwicklung in der Gesellschaft. Es ist eine gewisse Schere da und wir verlieren den Mittelstand. Dementsprechend verlieren wir auch diesen Mittelbau beim Wohnen", sagt Ulm. Man merke deutlich, dass der Markt in diesem Bereich langsamer wächst.
2014 erwarb die Investorengruppe für 26,5 Millionen Euro auch das alte Telekom-Gebäude in der Nordbergstraße 15 im 9. Bezirk. Das direkt an das Areal des Franz-Josefs-Bahnof grenzende sternförmige Gebäude birgt als Projekt eine gewisse Unsicherheit, wird doch seit Jahren darüber diskutiert, den Bahnhof abzureißen und zu verlegen. "Wir gehen in unseren Überlegungen davon aus, dass der Bahnhof dort bleibt. Aber Bahnhof hin, Bahnhof her, Bahnhof woanders hin. Das ganze Areal um die Althanstraße ist für uns eines der spannendsten stadtzentralen Entwicklungsgebiete", sagt Ulm.
Insgesamt hat der Immobilien-Entwickler 6B47 gegenwärtig 624 Millionen Euro in 25 Projekte in Österreich und Deutschland investiert, die meisten davon im Wohnbaubereich. Für 2015 erwartet sich die Geschäftsleitung ein Verkaufsvolumen von insgesamt 250 Millionen Euro. Besonders stolz sei man dabei auf das Finanzierungskonzept für die Projekte. Durch den sogenannten "6B47 Real Estate Club" können Private direkt in die Projekte investieren, was in etwa 75 Prozent des Eigenkapitals ausmache. Mit einem Mindestinvestment von 250.000 Euro sei man dabei und könne bei der Entwicklung auch bei wichtigen Entscheidungen mitbestimmen.

Vorstandsdirektor Sebastian Nitsch betont, dass das Unternehmen dabei großen Wert auf Transparenz und Korrektheit lege. "Wir haben keine wilden Steueroasen-Konstruktionen", sagt er. Stattdessen setze man auf österreichische KG und GmbH und der Investor stehe im Firmenbuch der Gesellschaft, die im Grundbuch steht. Die restlichen 25 Prozent des Eigenkapitals kommen von 6B47 selbst. "Damit es auch uns wehtut, wenn ein Projekt einmal nicht so gut läuft", sagt Nitsch.

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