Donnerstag, 13. November 2014

Opposition warnt vor „Realsozialismus“

„Kaufpreise für die Gemeinde Wien günstiger ausfallen zu lassen“ – diese Idee ist gar nicht so schlecht, wenn sich dieser nachlass auch auf die Mieten bezieht. Es kann nicht sein, dass die Mieten immer weiter steigen, der Grundstückpreis für die Gemeinde Wien gesenkt wird, die Mieter dabei das Nachsehen haben.
Der Wahlkampf ist voll ausgebrochen, dass kann man jetzt ganz klar erkennen. Ernst nehmen dürfen wir diese Meldungen ja nicht. Nach der Wahl bleibt alles so wie rs jetzt ist.
Wohnraum wird in den österreichischen Ballungsräumen immer knapper - am stärksten ist davon Wien betroffen. In der Bundeshauptstadt steigen die Preise für Eigentum, vor allem aber die Mieten seit Jahren fast ungebremst. Experten urgieren, dass angesichts des Bevölkerungswachstums viel mehr - gefördert - gebaut werden müsste.
In Wien steht nächstes Jahr die Gemeinde- und Landtagswahl an - und die Stadtparteien versuchen nun, das Thema mit ersten Versuchsballonen zu markieren. Das ist grundsätzlich nicht verwunderlich, denn nirgendwo ist das Thema wohl drängender als in Wien. Auch die derzeitigen Stadtentwicklungsgebiete - etwas das Flugfeld alias „Seestadt“ Aspern - reichen bei weitem nicht aus, um den Bedarf an neuem Wohnraum zu decken. SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl griff nun eine Forderung der parteieigenen Jugendorganisation nach einer Leerstandsabgabe von einem Euro pro Quadratmeter auf.
Leerstand wird erhoben
Der Vorsitzende der JG Wien, Marcus Gremel, meinte in einer Aussendung: „Mit der Leerstandsabgabe wollen wir einen Anreiz schaffen, dringend benötigten ungenutzten Raum seiner eigentlichen Bestimmung zuzuführen.“ Zunächst will Häupl aber prüfen lassen, wie viele Wohnungen in Wien tatsächlich leer stehen. Schätzungen reichen von 30 bis 100.000. Da es keine Meldepflicht gibt, fehlen derzeit genaue Zahlen. Laut „Standard“ wurde Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) mit der Bestandsaufnahme beauftragt.
Ludwigs Büro verwies aber auch darauf, dass Wien selbst eine Leerstandsabgabe gar nicht einführen könne, das sei Sache des Bundes. Dort wird das Problem aber ohnehin nicht als dramatisch gesehen.
Grüne: Notfalls enteignen
Die Grünen - Koalitionspartner der SPÖ in Wien - können sich als letztes Mittel laut eigenen Aussagen sogar Enteignungen vorstellen. Laut „Falter“ erwägen sie auch Zwangsmaßnahmen, um weiter sozialen Wohnbau ermöglichen zu können. Der grüne Planungssprecher Christoph Chorherr sprach sich demnach dafür aus, der Stadt Vorkaufsrechte für Grundstücke einzuräumen. „Als Ultima Ratio kann das – gegen Kostenerstattung – bis zur Enteignung gehen“, wird Chorherr in der Wochenzeitung zitiert. Außerdem plädieren die Grünen für die Wiedereinführung des Gemeindebaus, der seit 2004 nicht mehr errichtet wird.
ÖVP: Comeback des Realsozialismus
Die Oppositionsparteien reagierten erwartungsgemäß empört auf die Aussagen der regierenden Stadtparteien. Der Wiener ÖVP-Chef Manfred Juraczka sieht ein „trauriges Comeback“ für den „Realsozialismus“. Chorherrs Aussagen seien selbt für die „links-linken Wiener Grünen eine neue Dimension“. Dass Bürgermeister Häupl eine Leerstandsabgabe für einen vernünftigen Vorschlag halte, „überrascht nicht nur die ÖVP Wien, sondern offenbar auch den zuständigen Wohnbaustadtrat“.
Juraczka zitierte in seiner Aussendung auch ein Interview mit Ludwigs Sprecher vom August des Jahres. Dieser lehnte eine solche Abgabe mit dem Verweis auf die bürokratischen Kosten der Einhebung ab. Statt „Planwirtschaft“ brauche Wien „Anreize zur Eigentumsbildung“, so der ÖVP-Stadtparteichef.
FPÖ: „Mehr leistbare Wohnungen“
Auch FPÖ-Wohnbausprecher Herbert Eisenstein hält nichts von „kommunistisch-sozialistischer Gleichmachungsmanier“. Statt immer wieder eine Leerstandsabgabe zu fordern, solle Rot-Grün „endlich mehr leistbare Wohnungen auf den Markt“ bringen, so Eisenstein, der zugleich betonte, dass sich für Eigentümer das Vermieten lohnen müsse. Wiener Wohnen solle eine Mietpreisobergrenze einführen und die Stadt Gebühren für Müll, Wasser und Kanal senken, so Eisensteins Entlastungsvorschläge.
Offenbar sieht dies die SPÖ aber anders und findet den Vorschlag, Kaufpreise für die Gemeinde Wien günstiger ausfallen zu lassen als etwa für private Käufer oder am Ende der Kette sogar die Enteignung von Grundeigentümern in Betracht zu ziehen, nicht einmal so schlecht.
Chorherrs Ideen sind nicht neu und wurden dementsprechend auch schon des Öfteren von der FPÖ zurückgewiesen. Denn es könne nicht sein, dass bei Grundstücksgeschäften die Verkäufer benachteiligt würden, nur weil die Gemeinde Wien als Käuferin auftritt. Es gäbe eben ortsübliche Grundstückspreise und selbst die Gemeinde Wien könne sich nicht - sozusagen per Dekret - davon lösen. "Überdies werfen Grüne und SPÖ auch in diesem Zusammenhang wieder gefördert und sozial durcheinander, weil so häufig vom sozialen Wohnbau gesprochen wird, in Wirklichkeit aber der geförderte Wohnbau gemeint ist", erklärt der freiheitliche Wohnbausprecher, "und gefördert sind auch Genossenschaftswohnungen, die mit einem sozialen Wohnbau nichts zu tun haben."
Jedenfalls, so Eisenstein abschließend, müsse man den rot-grünen, altkommunistischen Vorstellungen ehemals osteuropäischer Prägung zu Enteignungen von Grundstückbesitzern mit aller Vehemenz entgegentreten. 

Der Dachverband der gemeinnützigen Bauvereinigungen hatte erst am Dienstag den Druck auf die Politik erhöht und gefordert, für sozialen Wohnbau finanzierbaren Baugrund verfügbar zu machen. Das Thema ist derzeit aktuell, weil zuletzt eine nach der Nationalratswahl auf Bundesebene eingesetzte Expertengruppe zur Reform des Mietrechts gescheitert war. Die SPÖ-ÖVP-Koalition macht nun äußerst vage Hoffnung auf Bewegung im Frühjahr. Doch die Positionen und Interessen der jeweiligen Lobbys - Immobilienverbände hüben und Arbeiterkammer drüben - sind in Hinblick auf die angekündigte Reform derzeit offenbar nicht überbrückbar.

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