Mittwoch, 6. November 2013

SPÖ: „Interessierter“ Blick nach Deutschland - selber kann sie nichts

SPÖ: „Interessierter“ Blick nach Deutschland
Auch in Wien geht es um leistbares Wohnen. Mieten haben in Österreich und speziell in Wien Rekordhöhen erreicht
  (Die Presse)
Wien. Es war eines der wenigen Sachthemen, die im Nationalratswahlkampf diskutiert wurden: die Frage, wie Wohnen leistbarer gemacht werden kann. Mieten haben in Österreich und speziell in Wien Rekordhöhen erreicht, allein in den vergangenen vier Jahren sind die Preise um 16 Prozent gestiegen.
Da kommt die Einigung auf Mietbegrenzungen in Deutschland (siehe oben stehenden Bericht) gerade recht für die aktuell laufenden Koalitionsverhandlungen in Wien. Man blicke „interessiert“ nach Deutschland, meinte ein SPÖ-Mitarbeiter. Was dort verhandelt wurde, sei eine Möglichkeit, Mieten wieder billiger zu machen. Ob in den Verhandlungen über ähnliche Modelle gesprochen wird, wollte niemand von SPÖ oder ÖVP sagen.
Vor der Wahl haben beide Parteien Vorschläge für günstigeres Wohnen präsentiert. Die ÖVP plädierte unter anderem für Gehaltschecks bei Gemeindewohnungen. Wer die Voraussetzungen für eine Sozialwohnung nicht mehr erfüllt, soll entweder aus dem Gemeindebau ausziehen oder eine marktübliche Miete bezahlen. Die SPÖ lehnte diese Idee ebenso ab wie den Vorschlag, Pensionskassen in den gemeinnützigen Wohnbau investieren zu lassen. Die Volkspartei glaubt, dass damit ein Volumen von zwei Milliarden Euro bewegt werden könnte. Das entspricht etwa 30.000 Wohnungen.

SPÖ will Mietobergrenze
Die SPÖ wiederum legte sich in ihrem Wahlprogramm auf eine Deckelung der erlaubten Zuschläge für Wohnungen mit 25 Prozent des Richtwerts fest. Etwas, was wiederum die ÖVP ablehnte. Zudem sollen durch neue Förderprogramm 25.000 bis 50.000 zusätzliche Wohnungen entstehen. Das soll helfen, den Mietpreis zu senken.
Dass die Mieten in Österreich so stark gestiegen sind, hat die Politik teils selbst verschuldet. Durch den Wohnbauförderungsbeitrag nimmt der Staat jährlich fast 900 Millionen Euro ein. Früher war das Geld zweckgewidmet für den Wohnbau. Diese Zweckwidmung wurde 2001 abgeschafft, seither können die Bundesländer die Gelder freihändig verwenden – was sie auch intensiv machen. (rie)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2013)
Deutschland: Bei Mieten auf der Bremse
Schwarz-Rot greift mit Mietgrenzen in den Wohnungsmarkt ein. Die Eigentümer drohen mit Klage gegen den „groben Unfug“.
   (Die Presse)
Berlin. Luxus beim Wohnen ist im Berliner Stadtteil Pankow verpönt und verboten. Es braucht nicht goldene Armaturen, um den Verdacht von Beamten der Baubehörde zu erregen. Schon Hänge-WCs gelten als suspekt und daher genehmigungspflichtig. Strafbar ist seit heuer, bei einer Sanierung eine Fußbodenheizung, einen Kamin oder einen zweiten Balkon einzubauen. All das ist der Initiative eines grünen Bezirksrats zu verdanken.
Über solche Auswüchse der Regulierungswut im Kampf gegen steigende Mieten haben die meisten deutschen Wohnungseigentümer bis vor Kurzem noch gelächelt. Doch nun geht es ums große Ganze in einer Großen Koalition: Die schwarz-roten Verhandler haben sich auf ein Paket von Maßnahmen geeinigt, mit denen sie den Anstieg von Mieten in Großstädten bekämpfen wollen. Mit der gravierendsten Forderung hat sich die SPD durchgesetzt: Erstmals wird die Neuvermietung dem freien Markt entzogen. Der Mietpreis darf nur noch maximal zehn Prozent über der „ortsüblichen Vergleichsmiete“ liegen. Der dafür relevante Preisspiegel berücksichtigt zwar eine gute Lage, der Wert liegt aber oft unter dem Marktpreis.

Vermieter zahlen Makler
Das heißt: Vermieter müssen damit rechnen, dass sie bei einem Mieterwechsel weniger einnehmen und ihre Kalkulation einstampfen können. Zudem wird die Möglichkeit eingeschränkt, Bestandsmieten zu erhöhen und Mieter an Sanierungskosten zu beteiligen. Die Maklergebühr muss künftig generell der Vermieter zahlen. Es sind die bisher stärksten Eingriffe in den traditionell liberalen deutschen Mietmarkt, einen der größten der Welt: 58Prozent der Deutschen wohnen zur Miete (Österreich: 44 Prozent). Können sie sich freuen?
Der Eigentümerverband Haus & Grund schimpft über ein „Paket groben Unfugs“ und droht mit Klagen vor dem Verfassungsgericht. Die Maßnahmen seien „das absolut Falsche“, weil sie Investitionen „abwürgen“ und „keinem einzigen bedürftigen Mieter“ helfen. Andere Vertreter der Immobilienwirtschaft reagieren gelassener. Denn im Gegenzug verspricht die künftige Regierung, die „degressive Abschreibung“ wieder einzuführen und so Anreize zum Wohnungsbau zu schaffen. Auch die energetische Sanierung will sie stärker fördern – wenn am Ende der Verhandlungen noch Geld dafür da ist.
Vor allem aber sind die Anbieter erleichtert, dass alle Maßnahmen auf Gebiete mit „angespannter Situation“ begrenzt bleiben. Wo diese liegen, legen die Länder fest. Hier hat sich Merkels Union durchgesetzt. Tatsächlich beschränkt sich der durch Wahlkampf und Medien hochgespielte „Wahnsinn“ der „explodierenden Wuchermieten“ auf wenige Großstädte: München, Hamburg, Frankfurt und nun auch Berlin. In ihnen wiederum geht es vor allem um Szeneviertel, in denen alle wohnen wollen. Dazu kommen kleinere Universitätsstädte wie Münster oder Göttingen. Anderswo ist die Nachfrage schwach, in Ostdeutschland entvölkern sich ganze Landstriche. Insgesamt steigen die Mieten weit weniger stark als in Österreich (siehe unten).

Bremse hilft den Armen nicht
An den begehrten Hotspots wird die Mietpreisbremse den Ärmeren kaum helfen. Im Gegenteil: Sinken dort die Mieten, werden die Wohnungen noch stärker nachgefragt. Aus der immer längeren Schlange suchen sich die Vermieter weiterhin jene aus, die am meisten verdienen und deshalb am kreditwürdigsten sind. Zudem provozieren künstlich fixierte Preise – wie die Erfahrungen mit Richtwerten im stärker regulierten österreichischen Markt zeigen – immer deren Umgehung. Experten rechnen mit einem grauen Markt voller Ablösen, unechter Untermieten und Zuschläge „unter der Hand“.
Tatsächlich entspannen wird sich die Situation in den Ballungsgebieten nur, wenn das Angebot steigt. In den letzten 15 Jahren wurde dort viel zu wenig gebaut, auch weil die künftige Nachfrage unterschätzt wurde. Hier kann die öffentliche Hand steuern. Die Stadt Hamburg etwa verkauft Grundstücke gezielt an Bauträger, die einen Mindestanteil an günstigen Wohnungen und damit soziale Durchmischung garantieren. Solche Politik braucht freilich Zeit – und hat nicht die plakative Symbolik einer „Mietpreisbremse“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2013)

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