Montag, 11. November 2013

Neuer Anlauf für billiges Wohnen, "Wien könnte eine Milliarde einsparen", Zu Besuch bei der Wagengruppe "Treibstoff", Zukünftige Regierung muss sinnvoll in Wohnen, Infrastruktur und Umwelt investieren

Neuer Anlauf für billiges Wohnen
Von Katharina Schmidt
Wien. Die Zeit der Regierungsverhandlungen ist auch die Zeit der Wunschlisten ans Christkind. Fast täglich werden die Verhandlerteams in diesen Wochen mit Forderungskatalogen bombardiert. Am Montag war es die "Nachhaltigkeitsinitiative Umwelt und Bauen", die unter dem Vorsitz von Josef Muchitsch, Chef der Gewerkschaft Bau-Holz und SPÖ-Nationalratsabgeordneter, ein 59 Seiten starkes Papier zu den Bereichen Wohnen, Infrastruktur und Umwelt präsentierte. In diesem Fall könnte aber ein Teil der Gebete erhört werden, sitzt doch Muchitsch selbst in der Untergruppe "Leistbares Wohnen" der Koalitionsverhandler.
Hauptanliegen der von Arbeiter- und Wirtschaftskammer über Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo und Gewerkschaftsbund ÖGB bis hin zu Global 2000 breit aufgestellten Initiative ist die Rückkehr zu einer Zweckbindung der Wohnbaufördergelder. Seit 2008 verwalten die Länder die Wohnbaugelder, die Zweckbindung wurde aufgehoben. Mit dem Effekt, dass die Gelder für den Schuldendienst, den Bau von Fußballstadien oder Bahnhöfen eingesetzt wurden. "Es ist eine Spielwiese der Länder - nun müssen wir ihnen diese Spielwiese wieder wegnehmen", sagte Muchitsch. Er hofft, dass die Wohnbauförderung bei den Verhandlungen zum Finanzausgleich kommendes Jahr ganz oben auf der Agenda steht.
Konjunkturpaket ausbauen
Einen Anreiz, die Länder zu mehr Investitionen in den sozialen Wohnbau zu bewegen, wollte die Koalition schon mit dem - gerade rechtzeitig vor der Wahl beschlossenen - Konjunkturpaket bieten. Ziel ist es, in zwei Jahren 11.000 neue Wohnungen zu schaffen. Zu diesem Zweck erhalten die Länder einmalig 276 Millionen Euro vom Bund, wenn sie 2013/14 mehr bauen als im Durchschnitt der Jahre 2007 bis 2011.
Die Initiative will dieses Paket weiter aufstocken. Eine Milliarde Euro zusätzlich soll in leistbare Wohnungen und Jobs fließen. Finanzieren will man das in Zeiten der Budgetlöcher über andere Quellen: Zum Beispiel könnten 500 Millionen Euro von der Europäischen Investitionsbank kommen, 300 Millionen Euro könnte es bringen, wenn die Pensionsvorsorgekassen in den Wohnbau veranlagen dürften. Auch diese Idee ist nicht neu, ihre Umsetzung sei aber an den übertriebenen Forderungen der Vorsorgekassen gescheitert, sagt die wissenschaftliche Leiterin der Initiative, Margarete Czerny von der Donau Universität Krems. Die Kassen könnten rund zehn Prozent des ihnen zur Verfügung stehenden Geldes sicher anlegen und hätten durch die Mieteinnahmen einen garantierten Rückfluss. Eine wichtige Maßnahme sieht sie in der Wohnraumverdichtung. Damit sei nicht gemeint, Parks oder Parkplätze zu verbauen, sondern in erster Linie Dachgeschossausbauten auch für die unteren Einkommenschichten zu forcieren. Dies sei auf bis zu 80 Prozent der Flächen möglich. Schließlich spricht sich Czerny auch für eine verstärkte Sanierung des Altbestands aus.
Den Grund für die explodierenden Wohnungspreise sehen sowohl Czerny als auch Josef Schmidinger, Generaldirektor der S Bausparkasse, darin, dass jahrelang kaum in den sozialen Wohnbau investiert wurde - bei gleichzeitigem Zuzug vor allem in die Ballungsräume. "Das österreichische Wohnbaumodell hat sich bewährt, aber leider nimmt es niemand mehr ernst", sagte Schmidinger.

Kosten im Vergleich niedrig
Auch Wifo-Wohnungsmarkt-Expertin Andrea Kunnert hält es für sehr sinnvoll, dass sich die künftige Regierung mit der Problematik steigender Wohnungspreise auseinandersetzen will. Bei gesetzlichen Änderungen rät sie aber zur Vorsicht: Diese dürften weder Mieter noch Vermieter einseitig bevorzugen. Und sie relativiert das Bild der explodierenden Mietpreise: "Absolut und im internationalen Vergleich hat Österreich immer noch eine niedrige Wohnkostenbelastung, diese ist aber in den vergangenen Jahren sehr dynamisch gestiegen." Vor allem für neue Mieter, denn während Altverträge nur nach dem Verbraucherpreisindex angepasst werden, sind die neuen - speziell im privaten Sektor - vergleichsweise höher angestiegen (siehe Grafik). Dies könnte allerdings nur mit einer Harmonisierung des Mietrechtsgesetzes eingedämmt werden - etwa, indem Zu- und Abschläge transparenter dargestellt werden. Auch das steht auf dem Wunschzettel ans Christkind.

Von der Industriellenvereinigung finanziertes Institut hat Haushalt der Stadt Wien unter die Lupe genommen
"Wien könnte eine Milliarde einsparen"
Wien. (rös) "1,1 Milliarden Euro könnte die Stadt pro Jahr einsparen", erklärte ÖVP-Chef Manfred Juraczka am Montag angesichts des Budgetvoranschlags, der kommende Woche im Gemeinderat beschlossen werden soll.
Allein bei den Verwaltungskosten gebe es 200 Millionen Euro Einsparungspotenzial, wenn man die Pro-Kopf-Aufwendungen auf den österreichischen Vergleichswert senken würde, hieß es am Montag. Eine derartige Absenkung würde im Gesundheits- und Spitalswesen sogar 678,6 Millionen Euro bringen, sagte Ulrich Schuh. Schuh ist wissenschaftlicher Vorstand der Eco Austria, ein Institut, das von der Industriellenvereinigung finanziert wird und von der Wiener ÖVP den Auftrag bekommen hat, den Haushalt der Stadt Wien zu durchleuchten.
Weitere 223 Millionen Euro seien im Bereich der stationären Pflegedienste zu holen. In Wien koste ein solcher Platz 5958 Euro pro Tag, im österreichischen Durchschnitt seien es 3220 Euro. Derzeit würde angesichts der Leistungen viel zu viel bezahlt. "Das ist, wie wenn jemand einen VW Golf fährt, aber für einen Mercedes bezahlt", sagte Schuh, der auch mangelnde Transparenz beim Budget kritisierte.
Und auch im Bereich der Wohnbauförderungen könnte Wien seine Effizienz steigern und bei gleichem Förderniveau die Zahl der neu bewilligten Wohnungen um 43 Prozent erhöhen.
Was den öffentlichen Verkehr betrifft, so hätten die Münchner Verkehrsbetriebe nur halb so viel Personal wie die Wiener Linien, erklärte Schuh und ortete auch hier Einsparungspotenzial.
Allerdings gibt es in München auch nur halb so viele Fahrgäste. "Und wir reden in München von 500 bis 600 Euro für die Jahreskarte, wir reden von einem U-bahn-Intervall von bis zehn Minuten und es gibt keinen Winterdienst", erklärte ein Sprecher der Wiener Linien. "Außerdem fahren in Wien 500 Straßenbahnen und in München 100, wir haben doppelt so viele Busse wie die Münchner und ein viel kleinteiligeres Netz."
"Nicht nachvollziehbar"
Auch im zuständigen Stadtratsbüro kann man die Zahlenspiele der ÖVP nicht nachvollziehen. Und die von Schuh bemängelte Transparenz im Budget liege im "VRV" des Finanzministeriums (Voranschlags- und Rechnungsabschluss-Verordnung) begründet. Laut dieser haben weder Pensionsverpflichtungen noch ausgegliederte Betriebe im Budget aufzuscheinen. Unternehmungen der Stadt würden eigene Wirtschaftspläne erstellen, die im Zuge des Rechnungsabschlusses mitbeschlossen werden würden, so eine Sprecherin von Renate Brauner.
Verwundert zeigte sich auch die Wiener SPÖ: "Offenbar gehen wichtige Reformen spurlos an der Wiener ÖVP vorbei - auch solche, die sie selbst auf Bundesebene beschlossen hat", erklärte Wirtschaftssprecher Fritz Strobl - zumindest im Hinblick auf die Gesundheitsreform, die Wien schon längst umsetzen würde.
Information
Wiener Budget
Rot-Grün segnet nächste Woche im Gemeinderat den Voranschlag für das Budget 2014 ab. Beschlossen wird damit auch eine Neuverschuldung von 289 Millionen Euro, zusätzlich zu den für 2013 prognostizierten Schulden von 4,57 Milliarden Euro. Trotzdem muss die Stadt laut Stabilitätspakt bis 2016 ein Nulldefizit erreichen.

Der Budgetvoranschlag sieht 2014 Ausgaben von 12,34 Milliarden Euro vor, denen Einnahmen in der Höhe von 12,05 Milliarden Euro gegenüberstehen. Große Teile des Stadtbudgets werden auch 2014 einmal mehr in die Bereiche Bildung, Gesundheit und Soziales fließen. Erstere schlägt etwa mit 1,9 Milliarden Euro zu Buche, wobei hier etwa die Mittel für den Gratiskindergarten bzw. den Ausbau der Krippen- und Kindergartenplätze zu finden sind. In das Schulsanierungspaket werden im kommenden Jahr mehr als 60 Millionen Euro fließen, auch Schulneu- bzw. zubauten stehen auf dem Programm. Das Budget im Gesundheits- bzw. Sozialbereich wird rund 3,49 Milliarden Euro betragen, auch wenn die Ausgabensteigerungen im Spitalsbereich durch Effizienzsteigerungen "gedämpft" werden sollen. Allerdings wird auch umfangreich gebaut, wie etwa das neue Krankenhaus Nord in Floridsdorf.

Investiert wird auch in den Wohnbau: Rund 689 Millionen Euro Wohnbaufördermittel stehen 2014 zur Verfügung. Auch die "aktive Arbeitsmarktpolitik", wird fortgesetzt: Im Voranschlag 2014 sind 39 Millionen Euro für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen vorgesehen.

Der Personalstand der Stadt (inklusive Wiener Wohnen, Krankenanstaltenverbund und Wien-Kanal) beträgt im nächsten Jahr 58.825. Das ist ein geringer Anstieg um 153 Personen beziehungsweise 0,3 Prozent. Die Neuaufnahmen betreffen zum großen Teil die Kindergärten bzw. die Berufsrettung.

Wie bei jedem Budgetvoranschlag kritisiert die Opposition falsche Schwerpunktsetzungen der Stadtregierung: Die Schulden würden trotz ständig steigender Gebühren steigen - und das vor dem Hintergrund der höchsten Arbeitslosenrate in Österreich.

Bemängelt wird auch mangelnde Transparenz im Budget: Ausgegliederte Bereiche wie Wiener Wohnen oder der Krankenanstaltenverbund müssten im Budget nachvollziehbar sein, so die Forderung. Die Wiener ÖVP wünscht sich hier eine Finanzgebarung nach Stockholmer Vorbild, bei der etwa die Vermögenswerte der Stadt ebenso in das Budget einfließen wie die Pensionsverpflichtungen.


Zu Besuch bei der Wagengruppe "Treibstoff"
Ein Blick auf eine alternative Lebensform und die Menschen, die für sie kämpfen
Auf einer stillgelegten Nebenstraße im dritten Wiener Bezirk campiert derzeit die Wagengruppe "Treibstoff" - das Quartier nahe der Südosttangente ist ihre letzte Hoffnung so kurz vor dem Winter. Die circa 15 verbliebenen Mitglieder wohnen in umgebauten Fahrzeugen aller Art und sind seit Wochen auf der Suche nach einem neuen Standort; eine verzweifelte "Herbergssuche" rund einen Monat vor Weihnachten. "Wir hoffen, dass wir hier stehen bleiben dürfen", sagt Gundula Wohlfahrt (35), Sprecherin der Gruppe.
Ob die Wagengruppe "Treibstoff" auf ihrem jetzigen Standort auch tatsächlich überwintern darf, steht noch nicht fest. Erst einige Tage lang wohnen die Mitglieder nun mit ihren umgebauten Fahrzeugen - Lkws, Kleinbusse und ein Zirkuswagen - in der für den Verkehr gesperrten Maria-Jacobi-Gasse. "Seit 1. September sitzen wir auf der Straße", sagt Wohlfahrt. Die Behörden entscheiden zum Ende des Sommers, die Gruppe am Standort nahe der U1-Station Aderklaaerstraße nicht mehr zu dulden. Miete zahlen die Mitglieder zu diesem Zeitpunkt an den Grundstückseigentümer, die Wiener Linien. Doch Anfang September laufen die baupolizeilichen Ausnahmegenehmigungen ab, für die Wagengruppe beginnt damit die Suche nach einer neuen Bleibe.

Zittern um Winterquartier

Insgesamt fünf Mal zieht die Gruppe um, zuletzt muss sie einen öffentlichen Parkplatz der Stadt Wien an der Haidestraße verlassen; dort duldet sie die MA 28 eine Zeit lang. Die Fläche des neuen Quartiers im dritten Bezirk gehört ebenfalls der MA 28. "Wir haben schon Kontakt aufgenommen, wissen aber noch nicht, ob wir bleiben können", sagt Wohlfahrt. "Die Behörden wissen, dass sie sich mit uns auseinandersetzen müssen, weil wir nicht verschwinden. Aber gerne tun sie das nicht." Aufgeben kommt für die Gruppe auf keinen Fall in Frage: "Wir werden sicher nicht in eine Wohnung ziehen. Es ist eine selbstgewählte Lebensform. Ich finde sie einfach schön", sagt Wagengruppen-Mitglied Alex (30). Der Kinder zuliebe besitzen einige dennoch eine Wohnung. "Ich miete auch eine Wohnung, weil ich zwei Kinder habe. Diese Situation ist für sie gerade nicht zumutbar. Wenn wir länger stehen bleiben, komme ich wieder öfter her mit ihnen", berichtet der 30-Jährige.

Gegen horrende Mieten

Die Lage der Gruppe ist vor allem prekär, weil sie sich rechtzeitig für die Kälte rüsten muss: Das Holz zum Heizen muss dringend besorgt und gelagert werden, die Sanitäreinrichtungen müssen aufgebaut werden, kurzum: Die Wagengruppe muss winterfest werden. Ohne einen festen Standplatz ist das jedoch nicht möglich. "Wir wollen ja nicht alles gratis", sagt Wohlfahrt, "für die stillgelegte Verkehrsfläche sind wir auch bereit Miete zu zahlen." Das Thema Miete hat einige der Wagenbewohner dazu bewegt, sich der Gruppe anzuschließen. "Ich habe schon in vielen Wohnungen gelebt und damit keine guten Erfahrungen gemacht. Ich habe oft nicht verstanden, warum ich so viel Geld für eine schäbige Wohnung zahlen muss", erzählt Flo (23). Nachhaltiges Wohnen und Leben nimmt einen hohen Stellenwert innerhalb der Wagengruppe ein. "Viel zu viele Leute zahlen zu viel Geld. Es steigen die Mieten aus teilweise unerfindlichen Gründen. Die Menschen haben sich schon damit abgefunden, dass sie die Hälfte vom Lohn irgendwelchen Baufirmen oder Vermietern in den Rachen schmeißen", sagt die 35-jährige Sprecherin der Gruppe.
Warum entscheidet man sich letztendlich für das selbstverwaltete Wagenleben? Die Motive dafür sind individuell: "Jeder hat seinen speziellen Grund. Ich bin lange herumgefahren, auch mit meinen Kindern, wollte freie Schulen bauen und alternative Projekte starten. Das hat leider nicht funktioniert. Jetzt ist das eben mein Ersatz", teilt Alex, langjähriger Wagenbewohner, mit.
Gundula Wohlfahrt ist ebenfalls schon seit Jahren mit dabei. "Für mich ist die Wagengruppe die logische Konsequenz von den Idealen, die ich habe. Ich möchte gerne selbstverwaltet und nachhaltig leben und auf alles Überflüssige verzichten, einfach mehr Freiheit haben. Der Luxus ist zwar eingeschränkt, aber für mich ist das zurzeit die realistischste Lebensform", sagt die 35-Jährige.

Wenig Luxus, viel Lebensqualität

Auch wenn das Leben nicht immer einfach ist, halten die Mitglieder mit Leidenschaft daran fest. Luxus erwartet einen Wagenbewohner nicht: Es gibt kein fließendes Wasser, nicht alle besitzen eine Dusche, geheizt und gekocht wird im Idealfall mit einem Holzofen und ein auspumpbares Klo dient als Abort. "Das Holz holen wir uns von Baustellen, die das Material wegschmeißen", sagt Wohlfahrt. Eine "hauseigene" Waschmaschine fehlt derzeit. Auch über Strom verfügt die Gruppe nur begrenzt: Solarpaneele laden die Batterien der Autos auf. Scheint im Winter die Sonne über einen längeren Zeitraum nicht, wird es auch in der Wagengruppe mit Sonnenuntergang dunkel. Dennoch möchte kein Gruppenmitglied die alternative Lebensform, den Zusammenhalt und die bunte Gemeinschaft missen. Vom Mechaniker und IT-Programmierer über Veranstaltungstechniker, Studenten und einem Sozialarbeiter bis hin zum Koch und Journalisten sind hier die unterschiedlichsten Berufsbilder vertreten. "Es kommen immer wieder neue Leute dazu, während andere die Gemeinschaft verlassen. Es ist eine offene Gruppe", sagt Wohlfahrt.
Ganz ohne Schwierigkeiten kommt die Wagengruppe, wie alle anderen Wohngemeinschaften auch, nicht aus. Gerade in Härtesituationen tauchen immer wieder Diskrepanzen auf. "Vor allem wenn viel Stress von außen dazu kommt. Dann muss man sich wieder zusammenraufen", sagt Alex. Die andauernde Suche nach einem Winterquartier war nicht einfach für die Bewohner. "Aber wenn man gemeinsam etwas durchstehen muss, lernt man daraus. Das schweißt zusammen", erklärt Wohlfahrt. Besonders im Kampf um eine neue Bleibe.

Zukünftige Regierung muss sinnvoll in Wohnen, Infrastruktur und Umwelt investieren

Utl.: Wohn-, Infrastruktur- und Umweltinvestitionen kurbeln Wirtschaft an, lösen Beschäftigung aus, verhindern Arbeitslosigkeit und bringen Steuereinnahmen für den Staat

Wien (OTS/PWK777) - Für die laufenden Koalitionsverhandlungen hat die Nachhaltigkeitsinitiative UMWELT + BAUEN ein Positionspapier erarbeitet. Dieses enthält umsetzungsfähige Maßnahmen, um leistbares Wohnen zu sichern und notwendige Infrastrukturmaßnahmen zu gewährleisten. Zu allen Vorschlägen wurden auch fertige Finanzierungskonzepte vorgelegt.

Das Positionspapier "Zukunftsinvestitionen in Wohnen, Infrastruktur und Umwelt" im Überblick:

Wohnpolitische Zielsetzungen

Bedarfsorientierte Dotierung der Wohnbauförderungsbudgets Die Deckung der erforderlichen Neubau- und Sanierungsleistung macht eine bedarfsorientierte Dotierung der Wohnbauförderungs-Budgets der Länder im Ausmaß von 3 Milliarden Euro notwendig. Die Wohnbaufördergelder inklusive Rückflüsse aus den offenen Darlehen und die Landesmittel müssen wieder zweckgebunden werden.

Langfristige Sicherung der Neubaufinanzierung durch die Wohnbauförderung Kurzfristige Kalkulationen und budgetäre Engpässe haben zur Zweckentfremdung der Wohnbaufördergelder geführt. Das engt den finanziellen Spielraum ein und verhindert eine nachhaltige Finanzierung. Es müssen kontinuierlich ausreichend Mittel für leistbares Wohnen zur Verfügung gestellt werden.

Steigerung der Investitionskraft der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft Die gemeinnützigen Wohnbauträger bauen und sanieren je 15.000 Wohnungen im Jahr. Das jährliche Investitionsvolumen von rund 2 Milliarden Euro für den Neubau und 500 Millionen Euro für die Sanierung sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, womit 43.000 Arbeitsplätze gesichert werden. Zur Verstärkung der konjunktur- und klimapolitischen Impulse benötigen wir eine Stärkung der Investitions- und Selbstfinanzierungskraft der gemeinnützigen Wohnbauträger.

Drei-Prozent-Sanierungsrate Realisierung der 3%-Sanierungsrate und ein forcierter Umstieg auf erneuerbare Energien durch einen schrittweisen Ausbau des Bundes-Sanierungsschecks. Dazu muss der Sanierungsscheck bis 2016 auf 300 Millionen Euro erhöht werden. Auch bei den Bundesgebäuden muss eine 3%-Sanierungsrate angestrebt werden.

Bundeswohnbauagentur Diese soll als Investitionsimpuls für Neubau und Sanierung dienen und in Ergänzung zu den finanziellen Förderungen der Länder zusätzliche Mittel bereitstellen.

Mobilisierung von Bauland Bauland wird vor allem in Ballungszentren zu einem knappen und teuren Gut. Deshalb wird vorgeschlagen, dass ein Teil der Grundstücksflächen für den geförderten Wohnbau mit einer Kostenobergrenze von Ländern und Gemeinden bereitgestellt werden muss. Dazu ist eine Klarstellung in der Bundesverfassung für die vereinzelt bereits in den Bundesländern vorhandenen Baulandmobilisierungsinstrumente notwendig.

"Nachverdichtung" forcieren In den Ballungsräumen sind viele Wohngebäude für Nachverdichtungen geeignet. Nutzflächen können bei den Grundkosten neutral gewonnen werden. Gerade in Ballungsräumen ist eine Reduktion von PKW-Stellflächen und ein Ausbau nach oben - sprich eine Aufstockung bei Gebäuden - anzustreben.

Seniorengerechtes Bauen und Sanieren Die Erweiterung des Bundes-Sanierungsschecks zugunsten seniorengerechter Sanierungsmaßnahmen ist als erster Schritt sehr zu begrüßen. Langfristig muss dafür jedoch eine eigene Förderschiene geschaffen werden.

Verringerung der Baukosten Kosteneinsparungspotenziale in den OIB Richtlinien und Ö-NORMEN bringen internen Studien zufolge Einsparungen von bis zu 300 Euro pro Quadratmeter.

Zukunftsfähige Infrastruktur

Die Städte und Ballungsräume werden stark an Bevölkerung zulegen, während die peripheren Gebiete verlieren. Durch nachhaltige Investitionen in die Infrastruktur muss dafür gesorgt werden, dass Städte, Ballungsgebiete und dünner besiedelte Regionen den Menschen hohe Lebensqualität bieten.

- Stärkung der Kooperation Bund/Länder durch mehr Kompetenz für die Bundesraumordnung - Für ein modernes Schienennetz und eine Offensive für den öffentlichen Verkehr - Neue Prioritäten im Straßenbau - Ausbau und Sanierung, Lückenschluss und Kosteneffizienz - Sanierung von rund 250 Bildungseinrichtungen mit einer Investitionssumme von 500 Millionen Euro - Wildbach- und Lawinenverbauung zentral sichern - Siedlungswasserbau - Hochwasser- und Katastrophenschutz - Weiterer Ausbau erneuerbarer Energiegewinnung

Fiskalische Anreize und ein fairer Wettbewerb

- Handwerkerbonus, reduzierte Mehrwertsteuer bzw. Rückvergütung bei heimischen Baudienstleistungen - Vorlagepflicht von Dienstleistungsrechnungen bei Förderungen - Ausschöpfung der Vergabemöglichkeiten an heimische Betriebe (z. B. Schwellenwerteverordnung) - Umsetzung weiterer Maßnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping - Bonussysteme bei Vergabekriterien nutzen, wie z. B.: Berücksichtigung von Umweltaspekten, Jugendbeschäftigung, Lehrlingsausbildung sowie Einhaltung arbeits- und sozialrechtlicher Bestimmungen

Finanzierung der vorgeschlagenen Maßnahmen

Zur Schließung der verbleibenden Finanzierungslücken von rund 1 Milliarde Euro werden neue Wege der Finanzierung über den Kapitalmarkt vorgeschlagen. Dies erfordert keine zusätzlichen Ausgaben der öffentlichen Hand, sondern bedarf lediglich der Anpassung rechtlicher Rahmenbedingungen, z. B.: beim Pensionskassengesetz und dem betrieblichen Mitarbeitervorsorgegesetz.

Zur langfristigen Finanzierung der vorgeschlagenen Maßnahmen müssen bewährte Finanzierungsformen weiterentwickelt und neue Wege zur Finanzierung ermöglicht werden.

Neubau und Sanierung - Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung - Finanzierungsquellen aus Pensionskassen, Mitarbeitervorsorgekassen Europäischen Investitionsbank - Fiskalische Anreize - Strukturprogramme der EU besser nutzen - Langfristige Co-Finanzierungen durch eine Bundeswohnbauagentur

Zukunftsfähige Infrastruktur - Bundesfinanzierungsagentur (OeBFA) für Sonderfinanzierungen heranziehen - Heranziehen von Europäischen Infrastrukturprogrammen - Umsetzung öffentlicher Infrastrukturmaßnahmen durch Gemeinnützige Bauvereinigungen und die BIG - Wohnbauanleihen für öffentliche Infrastrukturmaßnahmen

Statements

Abg. z. NR Josef Muchitsch, Bundesvorsitzender Gewerkschaft Bau-Holz: "Die neue Bundesregierung hat eine große Chance! Mit kontinuierlichen und nachhaltigen Investitionen in den Bereichen Wohnen, Infrastruktur und Umwelt können wir nicht nur unsere Wirtschaft ankurbeln, sondern auch Beschäftigung auslösen und somit Arbeitslosigkeit verhindern. Wichtig dabei ist, dass sämtliche Möglichkeiten genutzt werden. So müssen Wohnbaugelder wieder zur Gänze für Wohnbau verwendet und Auftragsvergaben EU-konform österreichisch vergeben werden. Die Rahmenbedingungen dazu sind geschaffen worden. Weitere Möglichkeiten müssen mutig genutzt werden. Experten bestätigen, dass die gestiegene Arbeitslosigkeit in Österreich durch die internationale Entwicklung bestimmt ist. Sie bestätigen aber gleichzeitig, dass Österreich selbst nur über notwendige Bauinvestitionen dem Konjunkturabschwung entgegenwirken kann."

Bundesinnungsmeister Hans-Werner Frömmel: "Leistbares Wohnen war eines der meistdiskutierten Themen während des Wahlkampfes. Jetzt hoffen wir, dass die neue Bundesregierung die dafür notwendigen Maßnahmen auch umsetzt. Die Vorschläge der UMWELT + BAUEN-Initiative liegen am Tisch. Die Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung und zusätzliche Finanzierungsmodelle wie zum Beispiel eine Bundeswohnbauagentur sind dabei wesentliche Kernforderungen. Auch bei den Baukosten muss der Hebel angesetzt werden. Unsere Studien zeigen: Im Bereich der OIB Richtlinien und Ö-NORMEN liegen Einsparungspotenziale von bis zu 300 Euro pro Quadratmeter."

Dr. Josef Schmidinger, Arbeitsforum Österreichischer Bausparkassen: "Die wichtigste Herausforderung, um Arbeit am Bau und leistbares Wohnen zu schaffen, ist, die Finanzierung dorthin zu bringen, wo sie benötigt wird. Die Zweckbindung der Wohnbauförderung, die Mittel der Wohnbaubanken und Bausparkassen sind unmittelbare Gewährträger, dass das Geld für leistbares Wohnen zur Verfügung steht. Gleiches gilt für die Mittel aus dem Sanierungsscheck, für den Einsatz der Mittel der gemeinnützigen Bauvereinigungen, für die Schaffung von Wohninfrastruktur und Bodenbereitstellung, aber auch den Abbau von regulatorischen Hemmnissen, um die Gelder aus der Zukunftsvorsorge und den Pensionskassen direkt in den Wohnbau fließen zu lassen. Wir brauchen leistbare Wohnungen dringend und brauchen langfristiges Geld rasch auf den Baustellen."

Das gesamte Positionspapier "Zukunftsinvestitionen in Wohnen, Infrastruktur und Umwelt" sowie eine Fact Sheet ist unter www.umwelt-bauen.at als PDF erhältlich. (BS)

UMWELT + BAUEN Anlässlich des Konjunkturbelebungspaketes 2008 schlossen die Bausozialpartner (Bundesinnung Bau, Fachverband der Stein- und Keramischen Industrie, Gewerkschaft Bau-Holz) gemeinsam mit der Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 einen BAU-Pakt für Österreich. Das Konzept wurde mit Interesse aufgenommen. Weitere Institutionen schlossen sich an und 2010 wurde die überparteiliche Nachhaltigkeitsinitiative UMWELT + BAUEN mit 15 Partnern ins Leben rufen. Gemeinsames Anliegen der Initiative ist es, die Politik und Öffentlichkeit von der Notwendigkeit intelligenter nachhaltiger Zukunftsinvestitionen in Umwelt, Bauen und Wohnen zu überzeugen. Dadurch werden nicht nur die Konjunktur belebt und tausende Arbeitsplätze geschaffen, sondern davon profitiert auch die öffentliche Hand und somit jede Österreicherin und jeder Österreicher. 2011 wurde UMWELT + BAUEN durch einen wissenschaftlichen Beirat erweitert. Der Beirat besteht aus 40 hochrangigen Wohn, Bau-, Finanz- und Umweltexperten und ist eine interdisziplinäre Wissensplattform mit dem Ziel, die Nachhaltigkeitsinitiative wissenschaftlich, strategisch und umsetzungsorientiert zu begleiten.

~ Rückfragehinweis: Thomas Trabi, M.A., GBH-Presse, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 2, 0664/614 55 17, presse@gbh.at Mag. Paul Grohmann, M.A. WKÖ Bundesinnung Bau, 1040 Wien, Schaumburgergasse 20, 01 718373734, presse@bau.or.at ~

*** OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT ***

OTS0072 2013-11-11/10:44 

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